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Junge Theatermacher zeichnen ein neues Bild von Europa

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„Der Mensch ist des Menschen Wolf“: Das Zitat des englischen Philosophen Thomas Hobbes wollen die jungen Performer widerlegen.

„Der Mensch ist des Menschen Wolf“: Das Zitat des englischen Philosophen Thomas Hobbes wollen die jungen Performer widerlegen.

Mülheim.  Das Kollektiv „EGfKA“ arbeitet im Ringlokschuppen an einer Inszenierung gegen ein Katastrophen-Szenario. Für das Publikum gibt’s zarte Pflänzchen

In der kreativen Denkpause im Ringlokschuppen geht’s den elf jungen Performern um organisatorische Sachen: Wo ist der nächste Supermarkt und was brauchen wir alles beim Großeinkauf? „Denn jeden Abend kochen und essen wir alle gemeinsam“, sagt Tina Turnheim und die anderen im Stuhlkreis nicken erwartungsvoll.

Das europäische Theaterkollektiv EGfKA (Europäische Gemeinschaft für Kulturelle Angelegenheiten) kann im Rahmen der Doppelpass-Förderung der Bundes-Kulturstiftung in Kooperation mit dem Ringlokschuppen jetzt zwei Jahre lang ohne Druck an theatralen Zukunftsszenarien tüfteln. Und dazu gehört auch, dass die Gruppe mit Basis in Berlin zeitweise in zwei Wohnungen mitten in Mülheim wohnt. Wie die Ruhrgebietler im Allgemeinen und die Mülheimer im Besonderen so ticken, konnten die jungen Theatermacher bereits im Februar herausfinden, als sie an einem extra aufgebauten Büdchen vor dem Forum mit den Menschen bei einem gemischten Tütchen oder einer Tasse Kaffee ins Gespräch kamen.

Büdchen kommt wieder zum Einsatz

Das Büdchen spielt übrigens in der neuen Produktion wieder eine Rolle – als universell nutz- und veränderbares Teil vom Bühnenbild. In zwei Phasen entsteht die Inszenierung „Anastrophe Now!“, die am 7. Juli zur Premiere kommen soll. Auf die Laborwoche mit Vorträgen, viel Wissensstoff und ersten performativen Ansätzen in diesen Tagen folgt dann die Probenphase. Mit Wurzeln u.a. in Griechenland und Österreich, versteht sich das Theaterkollektiv als ein europäisches, das der Katastrophenstimmung entgegensteuern will. „Um nicht in den Angstzustand zu verfallen“, sagt Claudia Splitt, „muss man andere Quellen und Bilder finden und in sich aufbauen.“

Gegen den Pessimismus

In Zeiten von Terror, Krieg und Krisen, zunehmendem Rechtspopulismus und der Sorge um ein zerbrechendes Europa setzen die Performer gegen den Pessimismus auf ein neues Bild von Europa. Ein zartes Pflänzchen der Hoffnung setzen sie in die Herzen und Hirne der Menschen: ideell, aber auch ganz praktisch. Als Teil der Inszenierung werden Gläser mit jungen Setzlingen im Publikum verteilt, die dann von den Zuschauern gehegt und gepflegt werden, um im Juli zu schauen, wie sie gediehen sind, erläutern die Performer. Sehen und fühlen, wie neues Leben entsteht. Der sperrige Titel „Anastrophe“ kommt aus dem Griechischen und steht im übertragenen Sinne für etwas auf dem Kopf stellen, umdrehen, das Ruder herumreißen. Sozialwissenschaftlich sind Anastrophen „unwahrscheinliche, aber mögliche Wendungen zum Besseren“.

Wie anastrophe Geschichten funktionieren, erläutert Tina Turnheim einer Szene. Im Planetentanz hat die Sonne festgestellt, dass es zur Disharmonie im Kosmos kommt und die Menschen daran schuld sind. Ein Komet wird losgeschickt, um die Erde von den Menschen zu befreien. Die Apokalypse erfährt eine Wende: Der Komet verliebt sich in die Erde und es gibt Hoffnung auf Genesung.

>>>Performance am Samstag im Ringlokschuppen

Erste Einblicke ihre neue Inszenierung gibt das Theaterkollektiv „EGfKA“ am kommenden Samstag, 22. April, 20 Uhr, im Ringlokschuppen als Lecture-Performance unter dem Titel „Die Anastrophe proben“. Eintritt: 8 Euro/erm. 4 Euro.

Das Theaterlabor, das in dieser Woche stattfindet, knüpft an das Symposiums im Februar und dem Vortrag von Philipp Schöntaler am Dienstag an. Jetzt wird die Theorie einem Praxistest unterzogen – als Vorgeschmack auf die Premiere am 7. Juli.

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