Weltfrauentag

Essenerin: Diskussion um biologische Geschlechter ist absurd

| Lesedauer: 7 Minuten
Andrea Klieve am Rednerpult bei einer CDU-Veranstaltung.

Andrea Klieve am Rednerpult bei einer CDU-Veranstaltung.

Foto: OH

Essen.  Weltfrauentag? Überflüssig. Unterschiedliche Bezahlung? Oft ein Mythos. Gender-Sprache? Zumutung. Eine Christdemokratin aus Essen redet Klartext.

Zugegeben, auch Andrea Klieve hat es noch erlebt, dass ältere Verwandte fragten, ob „das Mädchen“ denn wirklich unbedingt zum Gymnasium müsse, und als sie das Einser-Abitur in der Tasche hatte, meinte einer gönnerhaft, nun sei der Weg in den Sekretärinnenberuf wohl frei. Ja, Unverschämtheiten dieser Art gab es, sagt die 50-jährige Essenerin, die dann lieber Juristin wurde, bei einem Weltkonzern im In- und Ausland mit hoher Budget- und Personalverantwortung arbeitete und heute als Selbstständige eine Personal- und Unternehmensberatung betreibt. Doch seit damals sei sehr viel passiert, das in die richtige Richtung ging. Und wenn heute noch immer mancher so tut, als gäbe es Ungleichbehandlung größeren Ausmaßes, dann sei das ganz einfach falsch. „Ich brauche deshalb auch keinen Weltfrauentag.“

Unterschiedliche Bezahlung von Mann und Frau sei vielfach ein Mythos

Andrea Klieve, die als junge Frau in die CDU eintrat und sich dort ehrenamtlich engagiert, regt vieles auf an der klischeehaften Art und Weise, wie das Geschlechterthema in Deutschland diskutiert wird. Da wäre etwa das Thema „Gender Pay Gap“. Die suggerierte Behauptung, dass Frauen und Männer vielfach unterschiedlich bezahlt würden, ist in ihren Augen ein ideologischer Mythos. „Wenn man dahinter schaut, dann sind häufig berufliche Auszeiten und Phasen der Teilzeitarbeit die Erklärung.“ Dies könne man nun beim besten Willen nicht einfach so ausgleichen. Tarifliche Bestimmungen gelten ansonsten selbstredend für Frauen und Männer gleichermaßen. Wo da Spielraum für Benachteiligung sein soll, erschließe sich ihr nicht.

Das bedeute nicht, dass im Berufsleben für Mütter und Väter mit Kindern bereits alles zum Besten stünde. „Unternehmen und Politik müssen sich noch stärker hybriden und digitalen Arbeitsformaten öffnen, Teilzeit auch für Führungspositionen möglich machen und Eltern Flexibilität gewähren“, sagt sie. Ein halbe Stunde Mittagspause reiche nicht, um die Kinder von der Schule abzuholen, Mittagessen zu kochen und Hausaufgaben zu betreuen. „Das Fehlen flexibler Arbeitszeit führt dazu, dass viele Frauen im Angestelltenverhältnis nur Teilzeit arbeiten.“ Auch Andrea Klieve, die verheiratet ist und zwei neun und sieben Jahre alte Töchter hat, blieb vor Jahren nichts anderes übrig, als beruflich kürzer zu treten, um ihren Kindern gerecht werden zu können.

Mit einer über den Tag anders verteilten Arbeitszeit sei Vollzeit viel eher möglich. Hier seien die Arbeitgeber gefragt, die in Zeiten des Fachkräftemangels im eigenen Interesse noch stärker umdenken sollten. Skeptisch ist Andrea Klieve allerdings, wenn zur Behebung solcher Probleme der Ruf nach neuen Gesetzen kommt. „Man richtet mit der Regelungswut oft mehr Schaden an, als dass man Sinnvolles bewirkt, denn die Lebensrealitäten sind viel zu komplex.“

Bei Quoten drohe die Gefahr, Leistungskriterien auszuhebeln

Diese Ablehnung gelte auch für Frauenquoten, gegen deren Einführung in der CDU Andrea Klieve als Delegierte beim Bundesparteitag 2022 eine vielbeachtete Rede hielt. Zu ihrer großen Enttäuschung entschied der Parteitag dann anders. „Wenn eine Frau gut ist, dann wird sie auch gewählt“, sagt Klieve, deren eigene Kandidatur für den CDU-Bundesvorstand dann aber scheiterte. Das hat aber vermutlich wenig bis nichts mit ihrem Frausein als eher damit zu tun, dass eine selbstbewusste Liberal-Konservative mittlerweile auf viel Skepsis stößt in einer CDU, die in der Merkel-Ära erheblich grüner und offener für selbst linke Ideen wurde.

Quoten bergen nach Ansicht von Andrea Klieve jedenfalls die Gefahr, dass Leistungskriterien ausgehebelt würden, was ein zu hoher Preis sei. Und als Frau könne sie sich auch nicht damit identifizieren, einen Job womöglich nur wegen ihres Geschlechtes zu bekommen. Die 50-Jährige räumt aber ein, dass Männer oft beherzter zugreifen, wenn es beispielsweise um attraktive Posten in Parteien oder um Führungspositionen in Unternehmen, Verbänden oder Verwaltungen geht. „Frauen brauchen da manchmal eine andere Ansprache“, ist Klieve sicher. Ansonsten aber ist die Gesellschaft aus ihrer Sicht auch in diesem Punkt bereits viel weiter, als es diejenigen wahrhaben wollten, die immer noch überall „gläserne Decken“ und Männercliquen erkennen wollen, die Frauen den Aufstieg erschwerten.

Gendern – nur Therapie für eine eingebildete Krankheit?

Aus diesem Grund ist für Andrea Klieve auch das „Gendern“ der deutschen Sprache eine Therapie, die eine eingebildete Krankheit beheben will. „Ich habe mich noch nie ausgeschlossen gefühlt durch das generische Maskulinum und benutze es selbst“, sagt sie. Oder positiv gewendet: Wenn von „Juristen“ die Rede ist, fühlte und fühlt sie sich genauso angesprochen wie ihre männlichen Kollegen. „Das ist eine Scheindiskussion, die an der Lebenswirklichkeit der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung komplett vorbeigeht.“ Es verbiete sich, dafür die Sprache zu verhunzen. Vollends inakzeptabel seien autoritäre Durchsetzungsmethoden, die sie selbst erlebte: Etwa als ein von ihr verfasster Fachtext für ein Magazin, nach dem Redigieren durch Verlagsmitarbeiter komplett durchgegendert zu ihr zurückkehrte.

Fassungslos macht es sie auch, wenn Minderheiten versuchten offenkundige Wahrheiten zu „dekonstruieren“, etwa die, dass es zwei biologische Geschlechter gibt, nämlich Frau und Mann. Auf Plattformen wie Twitter etwa fänden sich zu diesem Thema reichlich Auswüchse. So spießte Klieve jüngst eine Darstellung auf, bei der ein Mann das Stillen eines Säuglings simuliert, und eine Frau dabei als Muttermilch-Lieferant auf eine technische und letztlich demütigende Rolle reduziert wird – was den „Diversity“-Freunden aber augenscheinlich nicht einmal auffiel. „Hier wird nicht vom Kind und seinen Bedürfnissen her gedacht, vielmehr geht es um Erwachsene, die Kinder für ihre Neigungen und Interessen manipulieren“, sagt Klieve.

Kritik an der verdrucksten Diskussionskultur bei Frauen- und Geschlechterthemen

Als fatal empfindet es die Juristin, dass offene Diskussionen zu all diesen Frauen- und Geschlechterthemen immer mehr Kraft erfordern, sobald man eher konservativ argumentiert. Die Angst vor aggressiven, lautstarken Minderheiten und ihrer informellen Macht, die bis ins berufliche Leben reichen kann, sei mittlerweile groß. Es gebe Beispiele genug, dass Menschen fertiggemacht wurden. „Wenn ich öffentlich meine Meinung äußere, erhalte ich viel Zustimmung, dies allerdings oft nicht offen, sondern hinter vorgehaltener Hand, versehen mit dem Hinweis, man wolle lieber nichts riskieren.“ Eine Entwicklung, die bedenklich sei und zu einer offenen Gesellschaft nicht passe.

Ihr Fazit: Deutschland im Jahr 2023 sei ein Land mit sehr vielen Problemen. „Der Weltfrauentag adressiert aber keines, was bei mir auf der Liste der Top 50 steht.“

Weltfrauentag: Lesen Sie auch diese Artikel:

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Essen