Essen. Mesut Özil trägt offenbar ein Tattoo der „Grauen Wölfe“: Zu viel für Essens Stadtdirektor, der ein altes Foto von Özil im RWE-Dress abhängt.
Essens Stadtdirektor und Sozialdezernent Peter Renzel hat Mesut Özil (34) „ins Abseits gestellt“: Wie Renzel auf seiner Facebook-Seite schreibt, habe er am Dienstag (25. Juli) „spontan ein Bild eines ehemaligen Spielers in unserem Lernraum der Essener Chancen gesehen und abgehängt“. Renzel ist auch stellvertretender Vorsitzender der Essener Chancen – ein Sozialprojekt von Rot-Weiss Essen.
Als Grund nannte Peter Renzel, dass sich der ehemalige deutsche Nationalspieler Mesut Özil offenbar zu den rechtsextremen „Grauen Wölfen“ bekennt. Das legt jedenfalls ein kürzlich auf Instagram veröffentlichtes Foto nahe.
Türkischer Fitnesstrainer postet Özil-Foto auf Instagram
Dieses hatte der türkische Fitnesstrainer Alper Aksaç in dem sozialen Netzwerk geteilt. Es zeigt Aksaç und Özil mit fast vollständig entblößten Oberkörpern. Auf der Brust des ehemaligen deutschen Nationalspielers ist zu erkennen, dass er sich wohl ein Tattoo hat stechen lassen. Das Motiv: drei Halbmonde sowie ein heulender Wolf. Die Symbole der „Grauen Wölfe“, die etwa nach Angaben des NRW-Innenministeriums „eine heterogene türkisch-rechtsextremistische Bewegung“ ist. Özil selbst hat das Foto nicht geteilt.
Essens Stadtdirektor schreibt in seinem Facebook-Posting über Mesut Özil: „Damit wendet er sich meiner Einschätzung endgültig von seinem Heimatland ab – und von einer Menge Menschen, für die er einst ein Vorbild war. Für die Kinder und Jugendlichen in unseren Projekten der Essener Chancen soll er damit kein Vorbild sein.“ Für die Aktion erhält Peter Renzel unter seinem Beitrag ausschließlich positive Resonanz. Ein Nutzer schreibt: „Danke fürs Abhängen. Der Junge hat sich in den letzten Jahren zunehmend (um in der Sprache des Fußballs zu bleiben) ins Abseits gestellt. Seit dem neuesten Tattoo und seiner Bekanntmachung durch ihn darf so jemand kein Vorbild mehr für unsere Jugendspieler sein.“
Türkei-Experte Burak Copur: „Auch Silbernes Lorbeerblatt und „Integrations-Bambi“ aberkennen“
Die Entfernung des Özil-Bildes ist für den Politikwissenschaftler und Türkeiexperten Burak Copur ein „wichtiges Signal des Essener Beigeordneten“. Professor Copur leitet in Essen das Zentrum für Radikalisierungsforschung und Prävention.
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Ein Fußballstar, der sich offen zu einer rechtsextremistischen Bewegung wie den „Grauen Wölfen“ bekenne, könne nicht weiter als Vorbild gelten, insbesondere nicht für die türkischstämmigen Jugendlichen in Deutschland, findet Copur. „Mesut Özils Tattoo ist integrationsfeindlich und fördert nicht das friedliche Zusammenleben der Kulturen in diesem Land.“
Dem Bundespräsidenten legt der Essener Hochschullehrer nahe, Mesut Özil das Silberne Lorbeerblatt, die höchste sportliche Auszeichnung in Deutschland, wieder abzuerkennen. Auch der vor zehn Jahren verliehene „Integrations-Bambi“ sollte ihm entzogen werden.
Türkei-Experte Haci-Halil Uslucan: „Mesut Özil ist in der Türkei Mainstream“
Der Leiter des in Essen ansässigen Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung, Prof. Haci-Halil Uslucan, bezeichnet Mesut Özils Sympathiebekundung für die „Grauen Wölfe“ als „politisch unklug“. Zugleich sieht der Wissenschaftler darin eine Art Radikalisierung. Denn die „Grauen Wölfe“ seien nationalistisch und rechtsextremistisch.
Indem sich Özil mit dem Wolf und den drei Halbmonden zeige, richte er sich in erster Linie an die türkische Öffentlichkeit. „In der Türkei ist Mesut Özil Teil des Mainstreams, deshalb ist seine Haltung dort anders als in Deutschland überhaupt kein Skandal.“ Die den „Grauen Wölfen“ nahestehende Partei MHP sei als Koalitionspartner der AKP sogar Teil der Regierung.
Mesut Özil ist in Gelsenkirchen aufgewachsen
Uslucan begrüßt die Entfernung des Özil-Fotos bei den „Essener Chancen“ durch Peter Renzel. Einschränkend fügt er jedoch hinzu: „Wenn es von oben herab geschieht, hat es möglicherweise keine große Wirkung. Schön wäre es, wenn es eine breite Diskussion auslöst und moralische Lernprozesse anstößt.“
Uslucan bedauert Mesut Özils demonstrativen Rückzug aus Deutschland. Özil, der in Gelsenkirchen aufgewachsen ist und nun in der Türkei lebt, sei bei seiner Ankunft am Bosporus empfangen worden wie ein „Held“ und ein „verlorener Sohn“. Diese „große Umarmung“ müsse er als „Balsam für die Seele“ empfunden haben. Selbst nach 92 Länderspielen und dem Gewinn des WM-Titels werde er in Deutschland von Teilen der Gesellschaft immer noch als „Plastik-Deutscher“ wahrgenommen: als ein Türke mit deutschem Personalausweis.
Rot-Weiss Essen: Mesut Özil spielte in seiner Jugend für RWE – Club geht auf Distanz
RWE, Schalke, Real, Arsenal – an Mesut Özils ungewöhnlicher Karriere hat Rot-Weiss Essen dank der guten Ausbildung im Jugendbereich einen großen Anteil. Und RWE-Boss Marcus Uhlig weiß auch, dass der Revierclub später finanziell von Özils internationalen Transfers profitiert hat.
Gleichwohl geht RWE auf Distanz zu dem Star. Uhlig weist darauf hin, dass in dem Nachwuchsleistungszentrum, in dem das Özil-Porträt am Dienstag entfernt wurde, jede Woche 40 bis 50 junge Essener unterrichtet würden. „Wir legen hier viel Wert auf unsere gute Integrationsarbeit und sind schon der Meinung, Mesut Özil sollte sich klar von den gegen ihn gerichteten extremistischen Vorwürfen distanzieren“, sagt der RWE-Boss. Zugleich verweist er auf die RWE-Satzung, „in der fest verankert ist, dass der Club rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen sowie anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegentritt“.
Mesut Özil spielte in seiner Jugend fünf Jahre für Rot-Weiss Essen. 2005 wechselte er dann in die Jugendabteilung des FC Schalke 04, wo er Profi wurde. 2014 wurde er Fußball-Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft. 2018 hatte sich Özil zusammen mit Nationalmannschaftskollegen İlkay Gündoğan auf einem umstrittenen Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gezeigt. Es folgte eine bundesweite Debatte.
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