Gedenken

39 Jahre später: Gedenktafel erinnert an Brand-Katastrophe

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Mit einer Gedenktafel wird künftig an die Opfer des Brandanschlags vor 39 Jahren in Duisburg-Wanheimerort gedacht. Überlebende wünschen sich, dass eine Straße den Namen ihrer Familie trägt.

Mit einer Gedenktafel wird künftig an die Opfer des Brandanschlags vor 39 Jahren in Duisburg-Wanheimerort gedacht. Überlebende wünschen sich, dass eine Straße den Namen ihrer Familie trägt.

Foto: Lars fröhlich / FFS

Duisburg.  An die Opfer eines Brandanschlags erinnert in Duisburg-Wanheimerort nun eine Gedenktafel. Warum sie mahnt, dass man über Rassismus sprechen muss.

Mit einer Gedenktafel wird künftig der Verletzten und Verstorbenen gedacht, die an der Wanheimer Straße 301 in Duisburg ums Leben kamen. Zum 39. Jahrestag des Brandanschlags bekommen die sieben Mitglieder der Familien Satır und Turhan einen öffentlich sichtbaren Platz in der Gesellschaft.

Das Haus wurde durch das Feuer am 26. August 1984 weitgehend zerstört. In dem Nachfolgebau an gleicher Stelle residieren heute eine türkische Ditib-Gemeinde, ein Bäcker, eine Trinkhalle. Ein goldenes Schild nennt es „Türkevi - Türkisches Haus -1908“. Gemeint ist der damals moderne Baustil, in dem Haus wohnte einst sogar Oberbürgermeister Karl Jarres.

Die Fassade wurde gerade erst aufgehübscht, auf dem zarten Rosa prangt jetzt die von der Künstlerin Cana Yilmaz gestaltete schlichte Tafel, „die an das Leben und den Tod dieser schönen Menschen erinnern will“:

Ferdane Satır (40), Çiğdem Satır (7), Ümit Satır (5), Songül Satır (4), Zeliha Turhan (18), Rasim Turhan (18) und Tarık Turhan (52 Tage)

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Auf der Tafel ist auch ein Foto von Ramazan Satir, der Frau, Kinder, Enkel verlor und von der Katastrophe schwer traumatisiert war. Knapp ein Jahr später starb er bei einem Unfall. Sie alle sind „Immer in unseren Herzen“.

Gedenktafel feierlich in Duisburg-Wanheimerort enthüllt

Über 200 Gäste folgten der Einladung zur feierlichen Enthüllung am Samstag. Aynur Satır, die das Feuer durch einen Sprung aus dem Fenster schwer verletzt überlebte, erklärte sichtlich bewegt, dass an dieser Stelle in Duisburg-Wanheimerort das Leben ihrer ganzen Familie endete. „Meine Mama Ferdane und vier Geschwister verloren ihr Leben. Ich überlebte mit meiner Schwester. Wir waren ganz allein mit unserer Angst, unseren körperlichen Verletzungen.“

In 35 Jahren sei niemand gekommen, um ihr Hilfe anzubieten, ihr ein Beileid auszusprechen. Am Tag nach dem schrecklichen Feuer kamen der damalige Oberbürgermeister Josef Krings und Innenminister Schnoor zwar zum Tatort. Persönlich aufgesucht hätten sie aber nur die deutsche Nachbarsfamilie, die in der Nacht geholfen habe. Dass diese in Folge rassistische Drohbriefe bekam, ist für die Hinterbliebenen und Überlebenden nur eines von vielen Indizien, dass der Brandanschlag rassistisch motiviert gewesen ist. „Ich sage das ganz bewusst“, betont Satır.

Rassistische Beweggründe sollen bei Ermittlung keine Rolle gespielt haben

Verurteilt wurde zehn Jahre nach der Feuerkatastrophe eine psychisch kranke Pyromanin, nachdem sie gestand, den im Flur stehenden Sperrmüll angezündet zu haben. Nach Ansicht des urteilenden Gerichts war der Ort der Katastrophe eher zufällig gewählt. Nach Ansicht der Angehörigen und der Initiative Duisburg 1984, die ehrenamtlich den Gedenk-Prozess vorantreibt, entsprach die Tat dem damaligen fremdenfeindlichen Zeitgeist. Er sei weder von den Ermittelnden, noch von den Richtern gebührend berücksichtigt worden.

Das Gerichtsurteil selbst konnte Satır erst vor wenigen Monaten mit therapeutischer Unterstützung lesen. Geschockt habe sie, dass darin Kindheit, Schulbildung, beruflicher Lebensweg und familiärer Hintergrund der Täterin auf vielen Seiten ausgebreitet wird, sie selbst aber nicht einmal gefragt wurde. Selbst heute, wo das LKA im Rahmen einer erneuten Überprüfung rassistischer Verdachtsfälle auch den Duisburger Fall betrachten soll, sei man nicht auf sie zugekommen.

„Wir trauern heute, aber wir sind nicht mehr so verloren“, sagt Aynur Satır, die dankbar über die Solidarität ist, die ihr inzwischen begegnet. Bürgermeisterin Edeltraud Klabuhn versicherte, dass man ihr den Schmerz über den Verlust ihrer Angehörigen nicht nehmen könne, „aber wir stehen an ihrer Seite und wir klären Hintergründe auf“.

Auf der Tafel steht deshalb: „Rassismus als Tatmotiv wurde damals nicht konsequent überprüft, weshalb es bis heute keine hinreichende Aufklärung und Gerechtigkeit gibt. Zur Mahnung muss deshalb heute über Rassismus gesprochen und an die Opfer erinnert werden.“

>>INITIATIVE DUISBURG 1984 SETZT AUF VERNETZUNG MIT BETROFFENEN

Die Initiative Duisburg 1984 hat gemeinsam mit den Angehörigen die Katastrophe wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Seit Ende 2018 kämpfen sie für ein angemessenes Gedenken. Inzwischen sind sie gut vernetzt in Deutschland, halten Kontakt zu anderen Opfern fremdenfeindlicher Gewalt.

Bei der Enthüllung sprach etwa eine der Überlebenden des Nagelbombenanschlags auf Bewohner der Keupstraße in Köln.

Zu Gast war auch Özlem Genç. Sie ist die Enkelin von Mevlüde Genç, die bei einem Brandanschlag in Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor. „Ihre unerschütterliche Stärke soll uns Mahnung sein“, sagte die junge Frau, die einen Großteil ihrer Familie nie kennenlernen durfte. „Hass bringt den Tod, lasst uns Freunde sein“, rief sie und schloss damit an die Arbeit ihrer Oma an, die bundesweite Anerkennung für ihre Arbeit als Friedensbotschafterin bekam.

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