Marl. Seit 21 Jahren trägt Marl den Titel fahrradfreundliche Stadt. Zweimal wurde die Auszeichnung erneuert, in diesem Jahr steht die nächste Verlängerung an. Doch die Stadt läuft Gefahr, Ehre und Plakette zu verlieren.
Denn die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte, die den Titel vergibt, wird den ADFC anhören. Und der Fahrradclub will zurzeit kein positives Votum für Marl abgeben.
Die Radwege in der Stadt sind marode - und niemand kümmert sich darum, kritisiert ADFC-Sprecher und Ehrenvorsitzender Rudolf Brindöpke. Außerdem sollten die Radrouten durch die Stadt besser ausgeschildert werden.
Nach Ansicht des Fahrradclubs tut nicht nur die Stadtverwaltung zu wenig, sondern auch die Politik: Von keiner Fraktion habe er vor der Kommunalwahl etwas über das Thema "Radverkehr und Nahmobilität" gelesen, ergänzt Rudolf Brindöpke.
Johannes Westermann von der Wählergemeinschaft Die Grünenhat ADFC-Sprecher Rudolf Brindöpke daraufhin zur Sitzung seiner Fraktion eingeladen. Er betont, dass "Fahrradfreundlichkeit" ein wichtiger Bestandteil des Kurzprogramms der Wählergemeinschaft ist.
Wahlprüfsteine aufgestellt
Wie bei der letzten Wahl stellt der ADFC auch 2014 wieder Wahlprüfsteine auf: "Wir sind politisch neutral, aber nicht unpolitisch", sagt der ADFC-Sprecher. Wer in Marl eine fahrradfreundliche Infrastruktur haben möchte, sollte die Programme der Parteien an den ADFC-Leitlinien messen.
Fahrradfreundlich sei eine Stadt oder Partei, die politische Grundsatzentscheidungen für den Radverkehr treffe, den Radverkehrsplan fortschreibt, mit Verbänden zusammenarbeitet, Bürgerinformationen und Veranstaltungen zum Thema anbietet. Verwaltung und Politik müssten sich dafür einsetzen, Unfallschwerpunkte zu entschärfen, Radwege zu sanieren, den Verkehr mit Tempo 30 zu beruhigen und Radwanderwege anzubieten.
Allen Bürgermeisterkandidaten und Ratsfraktionen hat der ADFC einen Brief geschrieben und sie gebeten, sich stärker mit dem Thema Radverkehr auseinanderzusetzen. Vielleicht bewegt sich ja doch noch etwas - auch im Hinblick auf eine fahrradfreundliche Stadt. Brindöpke betont: Der ADFC wolle nicht gegen Verwaltung und Politik arbeiten, sondern mit ihnen zusammen.
Frage auch bei Lesern strittig
Auch viele unserer Leser melden sich zu Wort: "Eine fahrradfreundliche Stadt zeichnet sich dadurch aus, dass man jedes Ziel bequem mit dem Rad erreichen kann. Wie bei uns in Marl", schreibt Thomas Pooschke.
Dagegen schreibt Martin Heith aus Alt-Marl: "Kurz und knapp! Die Frage darf nicht lauten ›Verliert Marl den Titel fahrradfreundliche Stadt?‹, sondern ›Warum trägt Marl diesen Titel seit 21 Jahren?‹"