Lokalgeschichte

Lindens große Bühne

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Der "Wienkopp" in Linden war in den 1930er Jahren eine Freilichtbühne, wie diese historische Postkarte zeigt.

Der "Wienkopp" in Linden war in den 1930er Jahren eine Freilichtbühne, wie diese historische Postkarte zeigt.

Foto: WAZ Bochum

Linden/Sundern.  Der Wienkopp – heute denkt man an das Restaurant. Anfang der 1930er begann die Geschichte des Wienkopps als Erhebung und Freilichtbühne.

Wenn man heute vom Wienkopp spricht, der am Ende der Blankensteiner Straße auf der Obernbaakstraße liegt, dann wird man an den Namen eines Restaurants und an das „Kap Kaminski“ erinnert. Aber der Wienkopp hat seine besondere Geschichte, die Anfang der 1930er Jahre zu finden ist.

Sie wurde geprägt von Heinrich Ostermann, der von von 1929 bis 1967 in der Lindener Liebfrauenpfarrei als Pfarrer tätig war. Er engagierte sich in besonderer Weise in dem damals aktiven „Kreuzbund“, der den Verzicht auf den Alkohol in sein Programm geschrieben hatte. In seinen Aufzeichnungen, die man jetzt neu entdeckt hat, spricht er von den großen Gefahren „dieser Droge“ sowohl für den Körper als auch für die Seele. Er wies auf die „Hauer“ auf den Zechen hin, die einen guten Tropfen durchaus zu schätzen wussten, sich selbst und ihren Familien oftmals aber großen Schaden zufügten. Deshalb gründete er den „Kreuzbund“, dessen Mitglieder man einerseits belächelte, die aber andererseits viel für die Familien und Kinder in den notleidenden Familien taten.

Seine Gemeinschaft ging hinaus in die Natur und erkundete auch die bislang unentdeckten Orte in der Heimat. Man entdeckte bei diesen Wanderungen auch den Wienkopp, „dessen Höhen 90 Meter aus dem Ruhrtal aufsteigen“, wie er schreibt. Seine weiteren Nachforschungen ergaben: „Hier ist ein historisches Fleckchen Erde, wo unsere heidnischen Vorfahren ihren Göttern opferten. Die Übersetzung heißt „geweihter Kopp“. Jahrhunderte lag der Wienkopp still und unbekannt. Mit seinen inzwischen vielen Freunden im „Kreuzbund“ beschloss er, hier wegen der wunderbaren Lage und der ausgezeichneten Akustik eine Freilichtbühne zu erreichten. 1930 übernahm der „Kreuzbund“ das Gelände.

Durch einen Vertrag mit der Stadt bekam er die Verfügung über circa 30 Morgen. Im Frühjahr 1931 wurde mit dem Bau einer Freilichtbühne begonnen. Aus ganz Westfalen und auch aus dem Rheinland kamen die Helfer, um das Werk zu vollenden. 6 000 Sitzplätze konnte die Anlage fassen. Im ersten Jahr wurde Parsifal in der Bearbeitung von Macholin gespielt. 30 000 Besucher kamen. Die „Freilichtbühne Wienkopp“ wurde weit über Bochum hinaus bekannt, zumal sich Schauspieler aus den umliegenden Theatern bereit fanden, kostenlos mitzuwirken.

Das zweite Jahr brachte die „Passion“. Das war aus der Sicht der Veranstalter zunächst ein Wagnis. Aber Heinrich Ostermann wollte diesen Versuch. Und er gelang über alle Maßen gut. 80 000 Besucher wohnten den Aufführungen bei. Im dritten Jahr , zum „Jedermannspiel“ nach Professor Niessen aus Köln geboten, waren es 70 000.

Pfarrer Ostermann, der inzwischen die „Kreuzbundbewegung“ in der damaligen Erzdiözese Paderborn bekannt und ansässig gemacht hatte, erfuhr das Lob hoher geistlicher Würdenträger. Es wurden Pläne entwickelt, am Wienkopp eine Anlage entstehen zu lassen, die vor allem im Hinblick auf die Passionsspiele einen besonderen Charakter erhalten sollte. Aber dann kam im Jahr 1933 die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Ostermann schreibt: „Die hatten sofort erkannt, wie man eine solche Anlage für die eigenen Zwecke nutzen konnte.“ Aber man konnte den Pachtvertrag nicht so ohne weiteres auflösen.

Die Nazis diskreditierten Ostermann. Schließlich hob die Gestapo am 12. Dezember 1935 die „Freilichtbühne Wienkopp e.V.“ auf. Wegen einer Predigt im Juli 1943 sollte Ostermann vor Freislers Volksgerichtshof in Berlin. Auf der Fahrt dorthin gelang ihm die Flucht. Ein Versteck fand er in Völlinghausen bei Soest – bis zur Befreiung 1945.

Er kehrte nach Linden zurück. Nicht nur die Gemeinde wollte er wieder aufbauen, sondern auch den Wienkopp. Sein Aufruf, die demolierte Anlage wieder zu restaurieren, ging an alle KAB-Gemeinschaften der Umgebung. Es gelang. Anfang 1949 wurde vor dem Deutschen Katholikentag in Bochum die „Große Volkspassion“ aufgeführt. Dann ließ sich der Wienkopp aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiterführen.

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