5000 Menschen wollen Bochums blühende Titanenwurz sehen
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Jürgen Stahl
Tausende Besucher bestaunten und fotografierten die erblühte Titanenwurz im Botanischen Garten.
Foto: Gero Helm
Bochum. 5000 Menschen haben die blühende Titanenwurz in der Ruhr-Uni bewundert. Am Montag ging es mit der seltenen Pracht bereits wieder rapide bergab.
Sensations-Lust in Querenburg: Rund 5000 Besucher haben die Titanenwurz bestaunt, die am Abend zuvor im Botanischen Garten der Ruhr-Universität erblüht ist. Die Blüte zeigt sich nur alle drei bis fünf Jahre für maximal 48 Stunden und gilt als botanische Sensation. Entsprechend riesig war das Interesse.
„Ein derart großer Andrang dürfte in der Geschichte der Universität einmalig sein“, sagt der wissenschaftliche Leiter Dr. Wolfgang Stuppy (51), der die seltene, aus Indonesien stammende Pflanze mit seinem Team seit drei Jahren züchtet.
Amorphophallus titanum (übersetzt: „unförmiger Riesenpenis“) gönnte sich einen Tag Verspätung. Dabei schienen die Vorboten eindeutig. Der über zweieinhalb Meter hohe, grasgrüne Kolben hatte am Freitag massiv Flüssigkeit abgesondert. Der typische Aasgeruch (Stuppy: „Als wenn man die Klospülung tagelang vergessen hat“), der in der Natur die Käfer und Fliegen zur Bestäubung anlocken soll, hatte die ersten Duftnoten gesetzt.
Besucher warteten am Samstag vergeblich
„Alles sah danach aus, dass es im Laufe des Samstags soweit sein würde“, sagt Wolfgang Stuppy. Weil das auch in den sozialen Medien angekündigt wurde, war das freigeräumte Gewächshaus im Uni-Garten entsprechend voll. Doch am Samstag passierte: nichts. „Wann stinkt die denn endlich?“, quengelten müde Kinder. „Ich war kurz davor, das Land zu verlassen“, schmunzelt der Biologe. „Wir konnten uns bei den Leuten nur entschuldigen. Zum Glück hatten alle Verständnis. Es ist halt ein Naturereignis – und damit unwägbar.“
Titanenwurz erblüht im Botanischen Garten der Ruhr-Uni Bochum
Titanenwurz erblüht im Botanischen Garten der Ruhr-Uni Bochum
Es sollte bis Sonntag dauern, bis die größte Blume der Welt ihre Pracht entfaltete. Am späten Nachmittag spreizte sich der purpurfarbene Blütenkranz. Gegen 22 Uhr stand die Titanenwurz in voller Blüte – eine Premiere für die Ruhr-Uni ebenso wie für das Ruhrgebiet. „Wir alle sind überglücklich und fasziniert“, strahlte Wolfgang Stuppy – und bekam trotz durchwachter Nacht noch am Montag das Lächeln nicht aus dem Gesicht.
Titanenwurz verkümmert zu trauriger Erscheinung
Im Botanischen Garten setzte eine Massenbewegung ein. Tausende zahlten drei Euro Eintritt und nahmen das Parkchaos rund um den Uni-Garten in Kauf, um das Naturschauspiel nicht zu verpassen. Am Sonntag bis Mitternacht und ab Montagmorgen wurde die Titanenblüte eingehend begutachtet. Eile war geboten. Denn mit der Standhaftigkeit des „unförmigen Riesenpenis’“ ist es nicht allzu weit her.
Schon am Montagmittag war die Spitze abgeknickt. An der Blüte zeigte der rasante Verwelkungsprozess die ersten Spuren. Spätestens am heutigen Dienstag sei die Wurz „zu einer traurigen Erscheinung verkümmert“, so Wolfgang Stuppy.
Für die Biologen beginnt nach dem Wurz-Wahnsinn der wissenschaftliche Alltag. Die Knolle, die übrig bleibt, werde „weiter gehegt und gepflegt“, damit irgendwann zwischen 2020 und 2022 die Wurz wieder zur Höchstform aufläuft. Ein Ansturm dürfte erneut gewiss sein: Am Wochenende verabredeten sich zuvor wildfremde Besucher, sich im Gewächshaus zu treffen, wenn die Wurz wieder blüht.
>>> INFO: Biologin übt Kritik an der Ruhr-Universität
Am Umgang der Uni mit der Wurzblüte wird auch Kritik laut.
„Die Uni hat eine Chance vertan“, meint Yvonne Mölleken. Die Besucher hätten intensiver über die Pflanze und die biologischen Hintergründe informiert werden müssen. Info-Tafeln seien zu wenig, so die Biologin. Es habe zu wenige kompetente Gesprächspartner gegeben.