Landpartie

Familie Bird hat auf ihrem Hof ein großes Herz für Hähne

| Lesedauer: 6 Minuten

Der Hahn riskiert einen Blick aus dem Hühnermobil, mit dem der Bauer die gefiederten Tiere von Wiese zu Wiese zieht.

Foto: Lars Heidrich

Kamp-Lintfort.   Auf dem Hof Frohnenbruch in Kamp-Lintfort gibt es Bio-Eier und -Fleisch von eigenen Tieren. Und die Brüder der Legehennen werden leben gelassen.

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War etwa der Habicht da? Nein, zum Glück sind es nur die Überreste einer Poreestange und nicht die einer Henne, was da zwischen der gefiederten Schar liegt. Die Hühner können bei der Familie Bird auf einem eingezäunten Stück Wiese unter freiem Himmel Würmchen picken. Nur wenn sie den Schatten suchen oder ein Ei legen, hüpfen sie ins Hühnermobil – eine Art Wohnwagen, mit dem der Bauer sie alle paar Tage von einem Pickplatz zum nächsten fährt.

Seit 16 Jahren Bio-Landwirtschaft

Der Habicht ist der Preis für diese Freiheit. Aber einer, bei dem das Sprichwort passt: Da lachen ja die Hühner! – vergleicht man ihr Leben mit dem einer Henne in einer Legebatterie. Der Hof Frohnenbruch in Kamp-Lintfort hat 2002 komplett auf Bio-Landwirtschaft umgestellt. Aber selbst, wenn Bio draufsteht, muss nicht alles ganz natürlich zugehen. Die Kunden fragten früher bange: „Tötet Ihr etwa auch die männlichen Eintagsküken?“

Klaus Bird musste diese Frage damals leider bejahen. „Auch wir sind ein wirtschaftlicher Betrieb“, so der 52-Jährige. Die Brüder der Hennen legen eben keine Eier. Und sie sind schwach auf der Brust. Aber es muss doch eine andere Lösung geben?

Was wäre, wenn die Schwestern quasi das Leben der Brüder mitfinanzierten? Die Birds ließen die männlichen Küken leben und erhöhten den Preis für die Eier um je 8 Cent. Schon zuvor war der Preis nicht mit dem niedrigen im Discounter zu vergleichen. Aber die Kunden haben eben die Wahl. Und immer mehr entschieden sich für die Eier mit der Karton-Aufschrift: „Garantierte Aufzucht des Bruderhahns!“

Auch der kommt natürlich irgendwann in den Topf. Aber zuvor hat er ein Leben. Und dass er kleiner ist als ein normales Suppenhuhn, ist nicht unbedingt ein Nachteil. Denn während ein Fleischhähnchen die ganze Familie satt macht, ist der Bruder der Legehenne ideal für zwei Personen.

„Es ist ein Erfolgserlebnis, als Frau ein Rind zu zerlegen.“

„Morgen Michael!“, grüßt Bärbel Bird einen Kunden in ihrem Hofladen, in dem sie neben Obst, Gemüse und den Grundnahrungsmitteln anderer Bio-Anbieter auch das hofeigene Fleisch verkauft. Nicht nur vom Geflügel, sondern auch vom Rind. Bärbel Bird ist Metzgermeisterin. Das war nicht immer ihr Traumberuf. Aber heute macht die 49-Jährige ihre Arbeit sehr gern, wenn das Tier vom Schlachthof zu ihnen zurückkommt: „Es ist ein Erfolgserlebnis, als Frau ein Rind zu zerlegen.“

Tochter Eva steckt ihren Kopf durch die Hofladen-Tür und fragt: „Soll ich noch ein paar Koteletts rausschneiden?“ Während sich ihr Bruder Paul (20) auf Schweine spezialisieren möchte, war die 23-Jährige ein Jahr lang Vegetarierin und sah sich eher in der Bio-Gemüseecke. Heute ist sie stolz auf die Arbeit ihrer Eltern: „Ich finde es klasse, dass ich sagen kann: ,Das Fleisch ist von uns.’ Ich weiß genau, was ich da verkaufe.“ Sie berät den Kunden und erklärt ihm, dass es nicht immer Filet sein muss.

Kochbücher nennen nur Edelprodukte

Ein Thema, das die ganze Familie bewegt, während sie zur Pause am Holztisch im Innenhof der ehemaligen Wasserburg sitzt. In der sechsten Generation leben die Birds auf dem alten Rittergut. Vater Klaus rechnet vor: „Von 200 Kilogramm Rindfleisch sind nur drei Kilogramm Filet. Die Frage ist: Was machen wir mit den übrigen 197 Kilo?“ Er ärgert sich, dass in Kochbüchern oft nur die Edelprodukte als Zutaten genannt werden. Aber wenn ein Tier schon sterben muss, dann sollte auch so viel wie möglich von ihm auf dem Teller landen. Sein Tipp: Einfach mal ein anderes Stück Fleisch probieren. Gibt es ein besonders unterschätztes? Bärbel Bird: „Das Rindernackenfleisch ist auch butterzart, wenn man es ordentlich zubereitet.“

Die Birds haben sich für die Rasse Limousin entschieden, weil die Kühe besonders gut alleine kalben. Rund 230 Rinder grasen im Sommer auf den Weiden der Birds, die Kälbchen tollen neben den Kühen im Gras. Ein männliches Kalb wird erst nach etwa eineinhalb Jahren geschlachtet. „Dann ist es aber schon ein Jungrind“, betont Klaus Bird. „Es wiegt gut 400 Kilogramm.“

Nur im Winter stehen die Rinder im Stall

Nur im Winter stehen die Rinder im Stall, der keine Außenwände, sondern nur ein Dach hat. Nicht, um sie vor Schnee zu schützen, sondern um den Wiesen wieder Zeit zum Wachsen zu lassen. Das Futter kommt trotzdem auch in der kalten Jahreszeit komplett vom eigenen Hof. Wäre es nicht umweltfreundlicher, wenn sie auf dem Feld Gemüse anbauten? „Es sind tiefliegende Weideflächen, ich kann keinen Acker daraus machen“, sagt Klaus Bird. Bei dem Torfboden käme er mit den Maschinen nicht sehr weit.

Wenn es dämmert, suchen die Hühner Schutz im Mobil. Denn der Habicht ist nur einer ihrer Feinde. In der Nacht, wenn sie auf ihren Stangen schlafen, schleichen Fuchs und Marder über die Wiesen. Sobald wieder die ersten Sonnenstrahlen zu sehen sind, kräht nicht nur der Hahn. Dann öffnet auch das Mobil seine Pforten automatisch. Bärbel Bird: „Photovoltaik lässt grüßen.“

>>Landpartie: Infos zum Biolandhof Frohnenbruch

Besichtigung des Biolandhofs auf Anfrage: 02842-41000; frohnenbruch.de

Der Hofladen, Schloßallee 81, Kamp-Lintfort, öffnet Donnerstag 15 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr.

In der Nähe: Kloster Kamp, ehemalige Abtei mit Museum und schönen Gärten, Abteiplatz 13, Kamp-Lintfort. kloster-kamp.eu; 02842 / 4062

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