Essen. Die Weihnachts-Predigt von Bischof Franz-Josef Overbeck: Wut, Hass, Ideologie – Die Kommunikation braucht heute ein neues Niveau.
Ein erlösendes Wort in explosiver Diskussion ist ein Segen – Nähe kann entstehen. Distanz dagegen herrscht, wenn Worte verleumden, verletzen und verführen, wenn sie den Redenden selbst verklären und den anderen verketzern. Während ein erlösendes Wort Gemeinschaft wiederherstellt, zerstört ein scharfes, herabsetzendes Wort das Gespräch.
Wir leben in schwierigen Zeiten. Niederträchtige Kommentare bis hinein in die Abkürzungen der Einträge bei Twitter und Facebook oder das oft so gefährlich benutzte Wort „Lügenpresse“ zeigen: Kommunikation braucht ein neues Niveau. Viele Menschen befürchten, niemandem mehr glauben und vertrauen zu können – seien es die Medien, die Politik, der Profi-Sport oder die Kirchen.
Die Menschen müssen sich vertrauen
Doch ohne Vertrauen können Menschen sich nicht austauschen und miteinander leben. Das gilt erst recht für den Überbringer schlechter Nachrichten. Wer schlimme und widerwärtige Zustände öffentlich machen muss, hat diese Zustände nicht verursacht, wird sie nicht heilen können und ist doch Teil dieser Vertrauenskrise. Die Krise zu überwinden, ist gemeinsame Aufgabe aller, die am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Mich persönlich erschreckt es zutiefst, mit welchem Ausmaß an Wut und Hass ideologisch aufgeheizte Meinungen verbreitet werden. Selbst für die krudesten Überzeugungen und das inhaltsloseste Gerede lassen sich mit Leichtigkeit Anhänger finden, wenn der Wortführer selbstgefällig genug auftritt und die passende Stimmung trifft.
Zwischen Fakten und Meinungen unterscheiden
Natürlich ist es für alle Menschen schwieriger geworden, aus den vielen Informationen, Worten und Kommunikationsmöglichkeiten auszuwählen und sich zu entscheiden. Populistische Vereinfachungen und bedeutungsschwangere Halbwahrheiten helfen aber nicht dabei, zwischen Fakten und Meinungen zu unterscheiden.
Ein gutes Rezept, um mit der komplexen Wirklichkeit zurechtzukommen: Sorgfältig die Grenze einhalten zwischen Berichten, Kommentieren, Aufklären und Belehren – und das sowohl im persönlichen Gespräch als auch in der öffentlichen Wortmeldung.
„Und das Wort ist Fleisch geworden.“
Ein geniales Wort hält die Bibel bereit, um das Geheimnis von Weihnachten zusammenzufassen: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Johannes-Evangelium 1,14). Gott wird in Jesus Mensch unter uns, um uns mit seinem Wort ganz nah zu kommen. Es geht Gott schlicht um das Wort, das heilt und erlöst aus allen unheilvollen Verstrickungen dieser Welt. Diese Sprache verstehen alle.
Wo wir Christen aus diesem Wort heraus leben und eine solche Sprache sprechen, können wir einen wichtigen Beitrag leisten für die Gesprächskultur unserer Gesellschaft. Als Religion gehören wir in die Öffentlichkeit mit unserer christlichen Lebenssicht in einer komplizierten, sich rasant weiterentwickelnden Welt.
Die Kirche bietet einen Gegenentwurf
Sicherlich verändert unsere Kirche gerade ihre eigene Gestalt und Funktion innerhalb unserer Gesellschaft. Davon unberührt bleibt aber unsere Kompetenz, einer Gesellschaftsordnung, in der ökonomische Ziele immer mehr zum Selbstzweck werden, einen Gegenentwurf anzubieten zugunsten der Rechte und der Achtung aller Menschen und damit auch für die Freiheit, besonders aber die Religionsfreiheit aller.
Das braucht einen langen Atem, viel Überzeugung, einen guten Willen und vor allem einen guten Blick auf alle Menschen, kurz: Es geht um unsere Lebenshaltung und Lebenseinstellung.
>> CHRISTMETTE MIT BISCHOF OVERBECK
Bischof Franz-Josef Overbeck wurde 1964 in Marl geboren. Er studierte Philosophie und Theologie zunächst in Münster und schloss dieses Studium an der Päpstlichen Universität Georgiana in Rom ab. Im Oktober 2009 wurde er zum Bischof von Essen ernannt, seit 2011 ist er Militärbischof der Bundeswehr.
Er wird am Heiligabend, 24. Dezember 2016, um 22 Uhr, die Christmette im Essener Dom leiten, u.a. mit Chorälen aus dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach.
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