Essen. NRW-Bauwirtschaft begrüßt Streichung höherer Energiestandards und Absage an Zwangssanierung. Bei Grunderwerbsteuer sieht Experte nun Land am Zug.
Die Immobilienwirtschaft in NRW sieht nach dem Berliner Wohnungsgipfel wenig neue Spielräume für mehr Neubau, dafür umso willkommenere Entlastungen für Bestandshäuser. Die Branche sieht zudem nun die Landesregierung am Zug, die Grunderwerbsteuer zu senken. Denn der Bund will die vor allem aus NRW seit Jahren geforderten Freiräume für die Länder zur Senkung schaffen – die schwarz-grüne Koalition in Düsseldorf gibt laut Steuerzahlerbund bisher aber keine Signale, sie zu nutzen.
Der von Boykotten großer Verbände und Unternehmen begleitete Gipfel im Kanzleramt war dann doch keine reine Schauveranstaltung, wie im Vorhinein etwa vom Eigentümerverband Haus & Grund kritisiert. Auch der Verband der Wohnungswirtschaft (VdW) schlug die Einladung von Olaf Scholz und Klara Geywitz (beide SPD) aus. Sein NRW-Landeschef Alexander Rychter sieht nach wie vor keine Impulse dafür, den Neubau wieder in Gang zu bringen. „Insbesondere für bezahlbares Wohnen bleiben die Baukosten einfach zu hoch“, sagte er unserer Redaktion, „daran ändert die Bundesregierung nichts.“
Vonovia lobt Aussetzung des Energiestandards EH-40
Der Bochumer Wohnungsriese Vonovia klingt etwas positiver: Die Ergebnisse gingen in die richtige Richtung, erklärte das Dax-Unternehmen. Und: „Alles, was den Neubau wieder in Schwung bringt, begrüßen wir.“ Damit meint Vonovia vor allem die Aussetzung neuer Energievorschriften: Der so genannte Energieeffizienzstandard EH-40, der laut Koalitionsvertrag der Ampel ab 2025 gelten sollte, wird auf Eis gelegt. „Dadurch können Baukosten in Höhe von bis zu zehn Prozent vermieden werden“, schätzt Vonovia.
Verbandschef Rychter begrüßt die Aussetzung der höheren Standards für energetisches Bauen ebenfalls, betont aber, dass dadurch die Kosten lediglich nicht noch weiter steigen. Ein Quadratmeter koste Bauherren aktuell rund 5000 Euro. Um das refinanzieren zu können, müsse man Mieten von 18 bis 20 Euro je Quadratmeter nehmen, was kaum jemand bezahlen könne. „Deshalb sind viele unserer Mitgliedsunternehmen aus dem Neubau ausgestiegen.“ Der VdW spricht für rund 480 Wohnungsgenossenschaften und -unternehmen, darunter kommunale, öffentliche, kirchliche und private.
Auch Branchenprimus Vonovia, der seine Neubautätigkeiten weitgehend eingestellt hat, betont, nach wie vor entscheidend seien die hohen Baukosten und Zinsen. „Die möglichen Einsparungen werden also nicht dazu führen, dass wir jetzt wieder wie gewohnt bauen können“, so der Dax-Konzern, der noch 60.000 neue Wohnungen in Planung hat, die erst einmal nicht gebaut werden. „Der große Wumms beim Wohnungsgipfel ist ausgeblieben“, sagte Vivawest-Chef Uwe Eichner unserer Redaktion. Denn: „Viele der Maßnahmen haben für Wohnungsunternehmen wie Vivawest keine Auswirkungen. Das gilt insbesondere für konkrete Maßnahmen zur Förderung des Neubaus von bezahlbaren Wohnungen.“
Der Bund der Steuerzahler sieht vor allem die neue Bereitschaft des Bundes positiv, dass die Länder eigenständiger über die Höhe ihrer Grunderwerbsteuer bestimmen können sollen. Zum einen sollen sie niedrigere Sätze beschließen können, ohne den Bund um Erlaubnis bitten zu müssen, sagte Rik Steinheuer unserer Redaktion, NRW-Chef des Steuerzahlerbundes. Auch sollen sie die Möglichkeit erhalten, Freigrenzen einzuziehen und für privat genutztes Eigentum niedrigere Sätze anzulegen.
Laschet-Initiative für Grunderwerbsteuer-Senkung
Er erinnert daran, dass es der damalige Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) war, der solche Öffnungsklauseln vor sechs Jahren über den Bundesrat gefordert hatte. Auch die aktuelle schwarz-grüne Regierung habe in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, derlei Möglichkeiten nutzen zu wollen. Schließlich hat NRW mit 6,5 Prozent den bundesweit höchsten Satz. Wer ein Haus für 450.000 Euro kaufen will, muss fast 30.000 Euro nur für die Grunderwerbsteuer drauflegen. Aber: „Ausgerechnet jetzt, wo auf Bundesebene endlich die Bereitschaft besteht, die von Nordrhein-Westfalen seit Jahren geforderte Öffnungsklausel einzuführen, tritt unsere Landesregierung auf die Bremse“, schimpft Steinheuer – und fordert Düsseldorf auf, das zu ändern.
Das zuständige NRW-Finanzministerium wehrt sich. Denn noch gebe es aus Christian Lindners (FDP) Bundesfinanzministerium keine konkreten, belastbaren Entwürfe. Derzeit existiere auf Bundesebene kein entsprechendes Gesetzesvorhaben, erklärte Landesfinanzminister Marcus Optendrenk unlängst im Finanzausschuss dazu. Bemühungen dafür auf Bundesebene werde man unterstützen.
Kein Sanierungszwang – Branche erleichtert
Die greifbarsten Ergebnisse brachte der Wohnungsgipfel aus Sicht der NRW-Immobilienbranche für Bestandsbauten. Berlin will auf EU-Ebene den dortigen Plan zum „Sanierungszwang“ schlecht gedämmter Gebäude nicht mittragen. Im Raum steht, dass bis 2030 alle Gebäude mindestens die Effizienzklasse „E“ haben, ab 2033 „D“. Die Ziele teilt die Ampel, spricht sich aber gegen einen Zwang zur Sanierung aus.
Für Immobilienbesitzer, die ihre Häuser nicht selbst bewohnen, sondern vermieten, hat der Gipfel zudem eine deutlich höhere Förderung für den Austausch alter Heizungen gebracht. Der sogenannte Speed-Bonus, der gewährt wird, wenn Heizungen frühzeitig klimafreundlich ersetzt werden, steigt für 2024 und 2025 von 20 auf 25 Prozent und soll nicht wie bisher geplant Eigenheimbesitzern vorbehalten sein, sondern auch für Wohnungsunternehmen und Vermieter gelten.
Speedbonus für neue Heizungen auch für Vermieter
Das war eine zentrale Forderung der Immobilienkonzerne, die davor warnten, dass sonst vor allem Mieterinnen und Mieter mit geringen Einkünften unter steigenden Mieten leiden würden.„Die bislang angedachte Praxis, nur Eigenheimbesitzer finanziell zu unterstützen, war ungerecht und keineswegs sozial. Die möglichen Einsparungen, die die Pläne der Ampelkoalition bewirken können, eröffnen eine neue Perspektive“, erklärte Vonovia. „Eine echte Verbesserung“, lobte auch VdW-Direktor Rychter. Eichner, Chef des Gelsenkirchener Wohnungsunternehmens Vivawest, geht das nicht weit genug. Denn der Sozialbonus, der die Förderung für Eigenheimbesitzer mit geringen Einkünften auf bis zu 75 Prozent erhöhen kann, gilt nach wie vor nicht für Vermieter. „Warum gerade die Mieter nicht vom Sozialbonus profitieren, erschließt sich mir nicht“, sagte Eichner.
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