Bochum-Wattenscheid. Ein Bochumer Gasthaus feiert seinen 125. Geburtstag. Das Geschäft läuft, auch Probleme mit Personalmangel gibt es nicht. Das habe einen Grund.
Das ist einfach mehr als die kleine Eck-Kneipe an der Straße. Das Alte Gasthaus Kampmann an der Gelsenkirchener Straße gehört zum Bild des Stadtteils und zum gesellschaftlichen Leben hier tief im Westen der Stadt. Seit 125 Jahren besteht das Lokal nun und präsentiert sich alles andere als altbacken oder verstaubt. „Wir können zeigen, dass es eben auch Gaststätten gibt, die sich länger als 50 Jahre halten“, meint Wirt Peter Sossong mit berechtigtem Stolz.
Mit Ehefrau Inge (beide 63) muss er einen Moment überlegen, um keinen Club oder Verein bei der Aufzählung zu vergessen. Hier treffen sich Rot-Weiß Leithe, die Günnigfelder Karnevals-Gesellschaft GüKaGe, die Karnevalsfreunde Bochum-Hattingen, ein Kicker-Verein und gleich drei Darts-Clubs, zwei mit Steel-, einer mit E-Darts und noch andere. Vor allem aber ist hier Schauplatz für die Events zu „Kultur in Leithe“ mit Konzerten bei immer wieder vollem Haus.
Auch die Kegelbahn ist gut frequentiert. „Ein freier Samstagstermin, sonst alles dicht“, macht Sossong klar. Neben dem „Saal“ für die Vereine und die Konzerte steht außerdem noch die „Leither Ecke“ für Treffen zur Verfügung.
Gesucht haben die Sossongs ein Clubheim im Bochumer Westen
Hier wird Fußball geguckt und gequatscht, denn das Lohrheidestadion ist nicht weit, der Platz von Rot-Weiß Leithe ist sogar noch näher, und auch die Gelsenkirchener Grenze fast zu sehen. Seit acht Jahren betreiben die Wirtsleute das Geschäft, „obwohl wir beide ursprünglich ja aus dem Handel kommen“. Peter Sossong ist aber vor allem ein gebürtiger Wattenscheider, und auch Präsident des NRW-Dartsverbandes.
„Eine der Trendsportarten“, kann er feststellen, weshalb im Juni 2024 auch im Ruhr-Congress die „German Masters“ stattfinden sollen. Zunächst aber suchte das Paar eigentlich nur ein Clubheim für seinen Darts-Verein, und sah sich daher auch ein paar Kneipen an. Und stellte sich dabei bald die Kardinalfrage: „Wenn doch so viele Kneipen überall hier zumachen, könnte das nicht was für uns sein?“
Erst war es das inzwischen geschlossene Haus Hohenstein an der Steeler Straße, dann bekamen sie von den Gästen dort den Tipp, dass eben das Alte Gasthaus Kampmann einen neuen Betreiber suchte. „Zweieinhalb Stunden lang haben wir dann telefoniert“, erinnert sich Peter Sossong, „denn die Familie Kampmann wollte vernünftige Leute hinter dem Tresen und hatte schon eine Reihe Interessenten abgelehnt“.
Vier Monate lang war das Gasthaus dann Baustelle, „da hing zum Beispiel alles an einem einzigen, winzigen Sicherungskasten“, meint der Wirt grinsend, „heute haben wir drei. Damals standen Kerzen und Taschenlampen vor den Fenstern, denn es gab öfter mal einen Stromausfall“.
Ein Teil der Gemeinschaft in Bochum-Wattenscheid
„Leithe ist ein Dorf“, beschreibt er überzeugt und im besten Sinn, „hier tickt alles vielleicht ein bisschen anders“. Aber die Sossongs wissen das, und haben deshalb auch ganz selbstverständlich mitgemacht und mit organisiert, als es um den Leither Bürgertreff an der St. Johannes-Kirche ging.
Die Bänke und Tische, die „Vesperecke“, der Bücherschrank und vor allem der Grilltreff dort, dazu die vierteljährlichen Veranstaltungen von „Kultur in Leithe“ mit den Aktiven der (Kirchen-)Gemeinde und des dortigen Fördervereins, dann auch das Stadtteilfest „Leithe kunterbunt“, haben viel zur Gemeinschaft und zur wachsenden Identität in der engen Nachbarschaft beigetragen.
Auch die Corona-Zeit in Bochum haben sie gut überstanden
„Im Herbst gibt’s wieder ein Grillfest, vielleicht auch ein Wintergrillen“, machen die Sossongs neugierig. Die Einnahmen sind jeweils wieder für die nächste Veranstaltung bestimmt. „Auf die Art kann man das Gemeindeleben auffrischen“, sind sie sicher, „und wir haben schnell richtig viele Unterstützer gefunden, auch bei den Geschäftsleuten“.
Über die Corona-Zeit ist das Alte Gasthaus auch gut hinweg gekommen, außerdem können sich die Wirtsleute auf einen Stamm von rund elf Aushilfen verlassen, „und eine fest angestellte Putzfrau, das ist das Wichtigste“, sagen sie deutlich. „Halten konnten wir die Leute schon allein dadurch, dass wir vernünftig bezahlen“, erklärt Peter Sossong schlicht.
„Die sind auch nach Corona einfach motiviert gewesen, weiter zu machen“, ergänzt Gattin Inge, „wir haben immer eine Reserve, die einspringt, wenn große Veranstaltungen sind. Für die Sparkastenleerung brauche ich nur anzurufen.“
Schwarz, weil durch die Zechen in der direkten Nachbarschaft geprägt, ist daher zwar die Vergangenheit des Stadtteils. Nicht umsonst hängen und stehen dafür überall im Gasthaus Grubentelefone, Pannschüppen, Arschleder, historische Bilder und Hinweisschilder aus den umliegenden Zechen. Aus halbierten Grubenwagen sind sogar Stehtische geworden.
Tief im Westen Bochums soll einiges passieren
Die Wattenscheider Bergwerke sind als Mosaike „mit Beleuchtung“ rund um die Theke festgehalten. Schwarz sehen aber die Sossongs und andere im Stadtteil keineswegs die Zukunft des Viertels am westlichen Zipfel der Stadt. Denn mit dem Projekt der Bürgerkirche und der Bebauung rund um St. Johannes, vor allem aber dem, was mit dem neuen Lohrheidestadion entsteht, herrsche eine Aufbruchsstimmung in Leithe. „Und viele werden zurückkommen“, ist Peter auch sicher.
Aber er meint damit die Kicker, die während der Bauzeit bei Rot-Weiß Leithe abgewandert sind.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wattenscheid