Neviges. Der Kabarettist ist ein Mann der leisen, wenig verletzenden und aufmunternden Töne. Jetzt trat der Künstler jetzt in der Vorburg auf.
Warum wird etwas Kleinkunst genannt, wenn die Kunst groß-art-ig ist? Das sollten sich die Veranstalter des Kabarett-Programms in der Vorburg fragen, wenn sie Dr. Martin Zingsheim mit seinem Programm „Kopfkino“ einladen. Aber eigentlich noch viele mehr. Doch was war groß-art-ig?
Zwei doppelte Expressis
Zingsheim betritt die Bühne mit einem strahlenden Lächeln. Er beginnt klassisch mit einem Heinrich Heine-Zitat an. „Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.“ Der junge Vater konzentriert sich auf das Positive und dreht die historische Sentenz im Sinne: Deutschland ist bei Tage super. Und genau das zeigt er seinem Publikum, meist mittels subtiler Ironie. Die wiederum bedarf fein ausgewählter Sprache – Kern seines Programmes.
Er erreicht das Publikum mit dem Herzen
Den Musiker als Wortakrobaten zu bezeichnen ist zu kurz gefasst. Zwar schlägt er lösungsorientiert für Rassismus alternativ „fremdenfeindlich motivierte Ehrverletzung“ vor, findet eine einfache Sprache jedoch besser. „Leichte Sprache“ sagt Zingsheim dazu, damit wir Politik und Talkshows verstehen. Kinder, betont der Familienvater, können Themen auf den Punkt bringen. Latent drückt er Wünsche und Forderungen aus. Das verbindet ihn mit seinem Publikum, erreicht er die Herzen.
Indirekt fordert er von Menschen, will sie motivieren etwas zu tun, das andere nicht (mehr) tun. Verrückt sein. Auf die Straße gehen, so wie die Studenten 1968. Demonstrieren. Obwohl, gesteht er ein, auch heute gehen Studenten auf die Straße. Sie säßen unter einem Heizpilz und bestellten „zwei doppelte Expressis“. Wieder ein Beispiel, wie Kabarettist Zingsheim positiv formuliert.
„Morgen fangen wir mit der Revolution an“
Daran anknüpfend folgt ein Lied über die Voraussetzung zur Demo. „Ich will Sozialkritik auf die man tanzen kann“, singt er und verspricht: „Morgen fangen wir mit der Revolution an, versprochen“. Und jeder weiß, dass sich niemand für die Voraussetzung verantwortlich fühlt und das Versprechen nichts wert ist. Zingsheim ist ein Wachrüttler. Folgerichtig betont er: „Alle Erkenntnis entsteht im Inneren“. Es wäre aber kein Kabarett, ohne den Gegenpol zu erwähnen: „Vorurteile bestätigen sich in der Realität“. Klar, wenn ein deutscher Urlauber auf Mallorca „zwei doppelte Expressis“ ordert.
Kinder tauchen wiederholt im Programm auf. „Einige haben Angst vor Kindern – zu Recht“, sagt er. Denn Kinder machen einem bewusst, wie wenig wir von der Welt verstehen. Traurig eigentlich, oder? Lösungsorientiert empfiehlt er dem Befragten Outsourcing, dem wissbegierigem Kind: „Frag Oma“.
Er bringt die Leute zum Lachen
Martin Zingsheim ist ein Mann der leisen, wenig verletzenden und aufmunternden Töne, trotz seiner lauten Töne am Flügel. Kinder würden ihn beschreiben: Er bringt die Leute zum Lachen. Er kann singen. Er kann verschiedene Leute nachmachen (wie Herman van Veen oder Klaus Kinski). Er kann Klavier spielen. Er kann so sprechen, dass alle ihn verstehen und so, dass keiner ihn versteht. Dann sagt er die schweren Worte.
„Kopfkino“ ist ein Programm ohne Punkt und Komma, reißt das Publikum mit und am Ende will jeder ein besserer Mensch werden. Groß-art-ig. Der Philosoph Zingsheim zeigt seinen dritten imaginären Zeigefinger, der nicht weh tut, sondern positiv wirkt – ein Geheimrezept. Vorschlag: Statt das Programm „Kopfkino“ zu nennen, hätte ich den Titel seinem running Gag gewidmet: „Zwei doppelte Expressis“.
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