Herne. Die für benachteiligte Menschen auf dem Arbeitsmarkt tätige Stadttochter GBH hat eine neue Chefin. Warum sie mit Vorurteilen nach Herne kam.
Als „unsexy“, aber herausfordernd und von großer Bedeutung für benachteiligte Gruppen des Arbeitsmarkts beschreibt Sozialdezernentin Stephanie Jordan die Befassung mit Fördersystematiken und -anträgen, denen sich Birgit Westphal und Ira von Borczyskowski nun schon seit Jahrzehnten beruflich widmen. Bei der Stadttochter Gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft Herne (GBH) vollziehen die beiden derzeit einen fliegenden Wechsel, wie die Stadt am Dienstag im Rathaus Wanne verkündet.
Geschäftsführerin Westphal (65) arbeitet seit dem 1. Mai ihre Nachfolgerin von Borczyskowski (57) ein, um dann zum 1. September in den Ruhestand zu gehen. Die offene Personalfrage ist durch diese vom Rat bestätigte Entscheidung des GBH-Aufsichtsrats geklärt, der künftige Kurs jedoch nach wie vor unklar. Denn: Im Raum steht der von der Stadt im September 2022 vorgelegte und in der Politik umstrittene Vorschlag, dass die GBH aus finanziellen Gründen bei der Wewole (früher: Werkstatt für Behinderte) eingegliedert werden soll.
Einen entsprechenden Prüfauftrag hat der Rat im Herbst beschlossen. Bis Ende März sollte das Ergebnis vorliegen. Eigentlich. „Wir brauchen noch etwas Zeit“, sagt Jordan. Die offenen Fragen bei der künftigen Ausrichtung seien aber nicht der Grund dafür, dass von Borczyskowskis Vertrag nach einer Änderung des Gesellschaftsvertrags „nur“ über drei Jahre statt wie bisher üblich über fünf Jahre läuft. Man stelle ja häufig erst nach einiger Zeit fest, ob es passe oder nicht: „Von daher ist ein Boxenstopp nach drei Jahren schon ganz gut“, erklärt die Sozialdezernentin, die am 18. April die Nachfolge von Johannes Chudziak antrat.
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Bei der GBH tritt von Borczyskowski nach Jordans Einschätzung in sehr große Fußstapfen. Birgit Westphal sei „Herz und Kopf“ der 1990 ins Leben gerufenen städtischen Gesellschaft gewesen, lobt sie. Die GBH richte ihre Arbeit „passgenau“ an den Bedarfen in Herne aus und nehme dabei insbesondere Alleinerziehende, Jugendliche und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in den Fokus.
Knapp 400 Menschen sind derzeit in Projekten, Maßnahmen und Programmen; zum Stammpersonal zählen rund 80 Mitarbeitende. Birgit Westphal ist bereits seit 1992 bei der GBH beschäftigt, über viele Jahre als Prokuristin und seit Mai 2020 als Geschäftsführerin. Ihre Bilanz fällt positiv aus: „Wir waren für besondere Zielgruppen des Arbeitsmarkts sehr erfolgreich. Wir waren immer breit aufgestellt, konnten viele Förderketten erschließen und haben für benachteiligte Personen eine Menge bewegen können.“
Ein Beispiel: Eine Frau habe über diverse Fördermaßnahmen bei der GBH inzwischen eine feste Stelle beim Kommunalen Ordnungsdienst der Stadt gefunden. „Das ist ein Bilderbuchverlauf, von denen es aber mehrere gibt“, sagt Westphal. Zu verdanken sei dies auch den guten Kontakten, die durchs Netzwerken entstanden seien. Doch auch das „supergute Betriebsklima“ und zahlreiche engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trügen zu den Erfolgen der GBH bei, sagt sie.
Und was sagt die Neue? Die führt sich beim Pressegespräch im Wanner Rathaus gleich mal mit einem Geständnis ein. „Meine Grundeinstellung zum Ruhrgebiet war nicht die beste. Ich dachte: Ruhrgebietsstädte - da kann man nicht wirklich leben“, bekennt sie. Herne sei jedoch eine „andere Stadt“ und habe sie von Anfang überzeugt: „Meine Tochter würde sagen: Diese Stadt hat ganz tolle Vibes.“ Das sei wichtig, weil sie nicht nur in Herne arbeite, sondern - wie von ihrem neuen Arbeitgeber verlangt - auch hier lebe, konkret: in Wanne. Die Hotelphasen habe sie inzwischen überwunden und am Dienstag die erste Nacht in ihrer neuen Wohnung verbracht.
Auch beruflich passe es. „Was die GBH macht, ist das, was ich seit vielen Jahrzehnten gemacht habe“, erzählt sie. Von 1995 bis Ende 2020 habe sie bei der gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft „Chance“ in Gronau gearbeitet. Ihr Vertrag als Geschäftsführerin sei in beiderseitigem Einvernehmen aufgehoben worden. Bei der GBH setze sie auf Kontinuität und wolle an die Arbeit ihrer Vorgängerin anknüpfen.
>>> Stellenbesetzung im Hau-Ruck-Verfahren
Der Ruhestand kommt immer so plötzlich ...: Obwohl stets bekannt war, wann Birgit Westphal die Altersgrenze erreichen wird, wurde das Verfahren von der Stadt am Ende fast schon im Hau-Ruck-Stil durchgezogen.
Die laut Stadt gegebene „Eilbedürftigkeit“ führte dazu, dass nach dem Besetzungsverfahren und vor dem finalen Beschluss über die neue Geschäftsführerin im Rat der Stadt am 25. April die (übliche) Vorberatung der Personalie im Ausschuss für Finanzen, Personal und Beteiligungen gestrichen werden musste.
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