In den hiesigen Entsorgungsanlagen werden immer mehr gefährliche Abfälle behandelt.Umweltschützer sehen Gefahren für Mensch und Natur, für das Aussehen und die Außenwirkung der Stadt
Herne ist fahrradfreundlich, hundefreundlich und fit. Und Herne ist müllfreundlich. Diesen Eindruck erhält zumindest, wer den ersten Bericht über die Überwachung betrieblicher Abfälle in der Stadt und die Abfallmengen in Herner Entsorgungsanlagen liest.
164 000 Tonnen gefährliche Abfälle wurden im Jahr 2006 in Herne entsorgt. Das sind fast 14 000 Tonnen mehr als im Jahr 2005, 34 000 mehr als 2004. Hinzu kommen die nicht gefährlichen Abfälle (151 100 t) und die privaten Abfälle, die in dem Bericht jedoch nicht auftauchen. In Herne werde deutlich mehr gewerblicher als privater Abfall entsorgt, teilte der Fachbereich Umwelt auf Anfrage mit.
Interessant sind auch die Ströme der betrieblichen Abfälle der Herner Erzeuger. 13 400 Tonnen gefährliche Abfälle erzeugten Herner Unternehmen in 2006. Die Entsorgung erfolgt zu großen Teilen (12 600 Tonnen) außerhalb der Stadt, nur 1700 Tonnen landen in Herner Entsorgungsanlagen. Der Herner Müll werde wegen der Spezialisierung der Entsorgungsanlagen außerhalb entsorgt, teilte der Fachbereich Umwelt auf WAZ-Anfrage außerdem mit.
Ähnlich sieht es bei den nicht gefährlichen Abfällen aus. Der Abfall hiesiger Unternehmen macht nur ein Drittel der Auslastung Herner Entsorgungsanlagen aus. Der Großteil der in Herne erzeugten gewerblichen Abfälle verlässt die Stadt.
"Ursache des enormen Abfallaufkommens an gefährlichen Abfällen in Herne ist die Tatsache, dass hier drei Abfallentsorgungsanlagen mit großen Annahmekapazitäten existieren und Abfälle aus dem gesamten Bundesgebiet nach Herne importiert werden", heißt es in dem Bericht (Drucksache 2008/0015), der im Umweltausschuss vorgestellt wurde. Die Menge des behandelten Abfalls zeigen einen "deutlich positiven Trend". Der Bericht soll gewerbliche Abfallströme darstellen und zeigen, wie kompliziert deren Überwachung ist.
"Ich war ganz baff", beschreibt Hiltrud Buddemeier, Vorsitzende des BUND Herne, ihre erste Reaktion auf den Bericht. "Ich hätte nicht erwartet, dass solche Mengen an gefährlichem Müll in Herne verarbeitet werden." Und: "Ich sehe das nicht als positive Entwicklung der Stadt."
Probleme sieht die Umweltschützerin unter anderem für die Luftreinhaltung - der Müll wird per Lkw angeliefert und teilweise auf "offener Fläche" weiterverarbeitet - aber auch für die Außenwirkung und das Aussehen der Stadt. "Es ist ein Trauerspiel zu sehen, was wir mal hatten und was da heute ist", sagt sie etwa über die Entwicklung an der Heerstraße. Dort hatte bis Mitte der 90er Jahre die Firma Overesch ihren Sitz, verkaufte Fliesen und Sanitäreinrichtung. Nach Schließung des Unternehmens siedelte sich ein Entsorger an. In der Folge gab das benachbarte Autohaus den Standort auf. "Neben Schrotthaufen kann man nicht die neuesten Opel verkaufen", sagt Buddemeier.
Auch gesundheitliche Folgen für die Nachbarn von Abfallentsorgern seien zu befürchten. Eine Bürgerinitiative in Recklinghausen-Süd, wo Remondis eine Anlage hat, bringt den Entsorger in Verbindung mit Auftreten von Bronchialerkrankungen. Und aus der Nachbarschaft der Bodenreinigungsanlage SITA an der Südstraße gebe es "Belastungen durch Geruch" und die Bürger hätten das Gefühl, "dass ihnen die Luft auf die Bronchien schlage". SITA habe eine Marktlücke entdeckt: "stark belastete Böden".
Buddemeiers Fazit: "In Herne nimmt man für wenige Arbeitsplätze alles in Kauf." Aus Sicht des BUND seien Abfall, Logistik und Kraftwerke Wirtschaftsfelder, die nicht gut für die Region seien und nur wenige Arbeitsplätze schafften.
Die Fraktionen von CDU und SPD im Umweltausschuss hatte während dessen Sitzung keinen Diskussionsbedarf über den vorgelegten Bericht. Der Ausschuss-Vorsitzende Dirk Gleba (Grüne) ließ sich zum Ende der kurzen Aussprache zu einer emotionalen Äußerung hinreißen. Er sagte: "Wir importieren gefährliche Stoffe und exportieren Arbeitsplätze".
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