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Schach: Warum dieses Spiel in Gelsenkirchen derzeit so boomt

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Schachspielen boomt in Gelsenkirchen: Die neunjährige Helena hat sichtlich Spaß. Jung und Alt spielen beim Schachverein Horst-Emscher gemeinsam – wie Trainer Jürgen Göldenboog und der sechsjährige Manuel im Hintergrund zeigen.

Schachspielen boomt in Gelsenkirchen: Die neunjährige Helena hat sichtlich Spaß. Jung und Alt spielen beim Schachverein Horst-Emscher gemeinsam – wie Trainer Jürgen Göldenboog und der sechsjährige Manuel im Hintergrund zeigen.

Foto: Michael Korte / FUNKE Foto Services

Gelsenkirchen.  Schach boomt: Während der Pandemie war es der beliebteste E-Sport. Warum das Spiel auch in Gelsenkirchen so populär ist – gerade bei Jüngeren.

„Es gibt Körperarbeiter und es gibt Kopfarbeiter“, sagt Marco Kolmasüß. Das gelte auch für die Freizeit. Erstere tummeln sich vielleicht eher auf Bolzplätzen. Letztere finden schon mal den Weg zum Schachverein Horst-Emscher 1931. In letzter Zeit sogar vermehrt. Denn: „Schach war während der Pandemie der beliebteste E-Sport. Jetzt liegt es an den Vereinen, dieses Interesse in die reale Welt zu holen.“

Gelsenkirchen: Schachspielen boomt und ist sehr beliebt – vor allem bei Jüngeren

Dem Schachverein Horst-Emscher 1931, einem der einzigen beiden verbliebenen Schachvereine in der Stadt, gelingt das. „Das liegt an unserem Engagement. Wir zeigen uns – real und virtuell.“ Von den 105 Mitgliedern sind 31 im Alter unter 25 Jahren, 14 von ihnen sind Mädchen und junge Frauen. Sie alle lernen hier das Spiel, das Hochleistungssport ist für den Kopf und landläufig als Intellektuellen-Spiel und hochkomplex gilt.

Umso erstaunlicher ist, wie viele kleine Kinder hier am Brett Platz nehmen. „Wenn man die Züge kann, und das hat meine Tochter mit vier Jahren gelernt, kann man spielen. Wenn man dann bereit ist, weiterzulernen, sind dem Spiel keine Grenzen gesetzt.“ Die Grundzüge übrigens könne ein Erwachsener in einer halben Stunde lernen.

Gelsenkirchen: Schachspielen hilft gegen Demenz und ADHS

Im Verein, der ein eigenes Vereinslokal an der Turfstraße unterhält, spielen kleine Kinder ebenso wie Menschen deutlich über 80 Jahre. „Unserer Erfahrung nach beugt Schachspielen einer Demenz vor.“ Der zweite Vereinsvorsitzende weiß mit noch mehr zu beeindrucken. „Schach ist zudem eine anerkannte Therapieform gegen ADHS. Auch solche Kinder haben wir hier bei uns. Und wir erleben gute Erfolge. Sie werden sichtbar ruhiger und konzentrierter.“

Aus welchen Gründen auch immer, das Schachspiel werde immer beliebter. Auch weil die Stars der Szene heute erfolgreiche Präsenzen haben in den Sozialen Medien. „Dadurch haben sie viele Fans, auch unter den jungen Leuten.“ Dennoch rät Marco Kolmasüß, nicht am PC das Spiel zu erlernen, sondern im Verein. „Hier lernt man es richtig. Und man hat die soziale Komponente.“ Besonders Kinder und Jugendliche mit Handicap, die man auch in den eigenen Reihen habe, würden hier Anschluss finden und Freunde.

Schach in Gelsenkirchen: „Kommt niemals der Punkt, an dem man das ganze Spiel begreift“

Dass Schach kinderleicht ist, findet auch die sechsjährige Pia Kolmasüß. „Ich wurde im Verein angemeldet, als ich geboren wurde“, erzählt sie. Mit vier Jahren lernt sie das Schachspielen. „Weil es mir Spaß macht und es hier so viele andere Spieler gibt.“ Ob sie in ihrer Kita die einzige ist mit diesem ungewöhnlichen Hobby? Da schüttelt die junge Dame den Kopf und zeigt auf einen anderen Jungen am Schachbrett. Er sei mit ihr im Kindergarten – und im Verein. Was die anderen Freundinnen zu ihrem ungewöhnlichen Hobby sagen? „Gar nichts.“

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Im vorderen Raum der einstigen Gaststätte spielen sich Tim und Ramin warm. Sie nehmen gleich im großen Saal an einem Turnier teil. Warum sie hier sind und nicht beim Kicken? „Fußball kann man doch trotzdem spielen“, sagt der 15-jährige Ramin. Und der 13-jährige Tim ergänzt: „Beim Schach geht es nicht um Glück, wie bei anderen Sportarten. Es ist deine eigene Schuld, wenn du verlierst.“ Also doch kompliziert? „Die Regeln kann man lernen. Aber man kann sich immer verbessern. Und es kommt niemals ein Punkt, an dem man das ganze Spiel begreift“, sagt Ramin. Ob das nicht frustrierend ist? „Nein. Man muss ja nicht alles begreifen. Man kann auch so viel Spaß haben.“

Immer mehr junge Menschen kommen in das Lokal. Sie alle nehmen an dem Turnier teil. Solche finden oftmals hier statt. „Hier können bis zu achtzig Spieler Platz finden.“ Das könnten nur wenige Vereine. Schon geht es los. Das Lokal ist gut gefüllt. Hinten findet das Turnier statt, vorne trainieren die Kleinsten oder spielen die Erwachsenen. Es ist ein gutes Miteinander. Für Marco Kolmasüß ist das Alltag: „Das zeigt, Schach ist ein absoluter Breitensport geworden.“

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