Gelsenkirchen. Seine Tante und ihre Kinder (5-12) sind vor der italienischen Küste ertrunken. Nun muss ein Gelsenkirchener alleine für die Bestattung aufkommen.
Das Sterben im Mittelmeer findet kein Ende. Immer wieder verunglücken Flüchtlinge und Migranten tödlich bei dem Versuch, die europäische Küste zu erreichen. Mindestens 72 tote Menschen waren es alleine am 26. Februar 2022 in Süditalien, an einem der besonders düsteren Tage der jüngsten Migrationsgeschichte. Unter den Verunglückten waren auch Munika, ihre Kinder Marwa (12), Hadija (8) und Tajib (5). Es sind die Verwandten des Gelsenkircheners Alauddin Mohibzada.
Mit Trauer erfüllt, gebeugt über einem der Holzsärge, welche nach der Tragödie nahe der italienischen Gemeinde Crotone in einer Turnhalle aufgestellt wurden, sah man den gebürtigen Afghanen gemeinsam mit seinem Onkel auf Fotos, die um die Welt gingen, die von der Tagesschau und internationalen Medien aufgegriffen wurden. Als er von dem Unglück erfuhr, sei er sofort per Auto nach Italien aufgebrochen, berichtete er.
Gelsenkirchener trauert um seine Familie: Nur sein Onkel und ältester Cousin überlebten
Dort sollte Alauddin Mohibzada, der es 2015 nach Deutschland schaffte, hier eine Erzieherausbildung absolvierte und sich ehrenamtlich im DGB-Haus der Jugend engagiert, seine Tante, seinen Onkel und seine Cousins und Cousinen endlich willkommen heißen können. „Sie hatten gehofft, in Europa Schutz zu finden, den es in Afghanistan nicht gibt“, sagte er. Auf Mohibzada aber konnten nur noch sein Onkel und der älteste Sohn Mustafa (14) warten. Sie hatten das Unglück als Einzige aus der Familie überlebt.
Das Boot ist vor der süditalienischen Küste vermutlich bei heftigem Seegang gegen einen Felsen geprallt. Genau aber weiß man es nicht. „Als die erste Welle kam, dachten sie, dass das Boot explodiert. Und dann ist Wasser reingekommen. Alle sind in Panik geraten und wollten raus. Dann ist die zweite Welle gekommen und hat das Schiff in 100 Teile gerissen“, erzählt Mohibzada unter Tränen in einem Interview mit „WDRforyou“, einem öffentlich-rechtlichen Angebot für Geflüchtete.
Spendenkampagne für Bestattung seiner Verwandten: Gelsenkirchener hofft auf Unterstützung
In einem Interview mit der WAZ Gelsenkirchen möchte Mohibzada die schwer belastenden Erlebnisse nicht noch einmal rekapitulieren. Die „Presse-Arbeit“ hat jetzt seine Bekannte Franziska Killisch übernommen – mit einem besonderen Anliegen.
„Alauddin hat viel geschafft, aber er ist 23 Jahre alt und fast alleine hier in Deutschland. Und jetzt muss er sich um die Beerdigung kümmern, steht alleine vor so einer großen Aufgabe“, erzählt die Gelsenkirchenerin. Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ unterstützte ihren Freund zwar dabei, die Leichen nach Deutschland zu überführen. Die letztendlichen Bestattungskosten müsse er aber selbst leisten. „Und so viel Geld hat er nicht!“
Unterstützung für ihren trauernden Bekannten erhofft sich Franziska Killisch durch eine Spendenkampagne auf dem Portal „Betterplace.me“ mit dem Titel „Ertrunkene Flüchtlinge: Beerdigung in Deutschland“. 11.000 Euro für die Bestattungen der drei Kinder und ihrer Mutter sollen so zustande kommen, knapp 5200 Euro sind es bislang. Mittlerweile sei Alauddin Mohibzada wieder in Gelsenkirchen, während die Särge weiterhin in Italien am Küstenort verharren. Auch sein Onkel sei aktuell noch dort, erzählt Killisch, und warte auf eine Rückmeldung, ob er nach Deutschland einreisen dürfe.
„Eine unglaublich schwierige Situation ist das“, sagt die Gelsenkirchenerin. „Man mag sich nicht vorstellen, wie es wäre, wenn es um die eigene Familie gehen würde.“
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