Haushalt 2023

Gelsenkirchen: Harte Vorwürfe, harmonische Zukunftsszenarien

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Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat den Haushalt 2023 verabschiedet (Archivbild).

Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat den Haushalt 2023 verabschiedet (Archivbild).

Foto: Ingo Otto / FUNKE Foto Services

Gelsenkirchen.  Gelsenkirchens Stadtrat hat den Haushalt 2023 verabschiedet. Wann die Sitzung hitzig wurde und wo eine harmonische Zukunft aufgezeigt wurde.

Einige Male konnte sich Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) dann doch nicht verkneifen, bei den diesjährigen Haushaltsreden ihr Wort zu ergreifen. Zunächst stellte sie AfD-Fraktionschef Jan Preuß das Mikrofon ab, als ihr dieser mit Blick auf ihre „scherzhafte“ Reaktion auf Bastian Bielendorfs polarisierende Gelsenkirchen-Kritik vorwarf, ein „Auftrittsverbot“ ausgesprochen zu haben. „Falsche Tatsachenbehauptung“, wehrte sich Welge. Aber auch als Ali-Riza Akyol (WIN) anführte, die Stadt habe möglicherweise „Insolvenzverschleppung“ durch „falsche bilanzielle Erfassung“ begangen, machte Welge klar: „Das geht so gar nicht!“ Der Haushalt sei sauber und entsprechend genehmigt worden, von Bilanzfälschung zu sprechen gehe in die Richtung von Verschwörungstheorien.

Wesentlich harmonischer ging es bei der Ratssitzung zur Verabschiedung des 1,3 Milliarden Euro schweren Stadthaushalts dagegen bei den Reden von SPD, CDU, Grünen und FDP zu. Neben der GroKo hatten auch die beiden Oppositionsparteien vorab angekündigt, dem Haushalt zuzustimmen und damit erneut eine breite Kompromissbereitschaft unter den Stadtratsfraktionen signalisiert.

SPD Gelsenkirchen will „kein Kind zurücklassen“, CDU malt „kleines Szenario“ der Zukunft

Lukas Günther, haushaltspolitischer Sprecher der SPD, machte darauf aufmerksam, dass in Gelsenkirchen durchschnittlich acht Kinder pro Tag geboren werden. Diese Zahl drücke vor allem eines aus, „nämlich dass mit jedem Tag unsere Verantwortung um acht Lebensperspektiven wächst, dass wir kein Kind zurücklassen und unser Bestmögliches zum Erfolg eines jedes Kindes beitragen“. Gelingen soll das unter anderem, indem die Stadt beim Schulneubau durch die Gründung einer neuen Gesellschaft schneller vorankommt. Als weitere zentrale Anliegen der SPD stellte Günther das Programm gegen Vermüllung oder das Zukunftskonzept für die Kaue vor.

CDU-Fraktionsgeschäftsführer Julian Siempelkamp (ehemals Pfeiffers) konnte sich zwar Kritik an die frühere Führungsriege seines Koalitionspartners nicht verkneifen und sprach davon, dass früher der „Mut gefehlt“ habe, bestimmte Projekte umzusetzen. Gemeinsam mit der SPD sei es aber gelungen, „Zukunftsmusik anzustimmen“. Siempelkamp skizzierte „ein kleines Szenario“, bei dem Gelsenkirchener in der City die „schattenspendenden mobilen Gärten“ genießen, ihr E-Auto auf „einem der unzähligen Elektro-Parkplätze“ parken und heimkehren zu einem Haus, das von einer geförderten Photovoltaik-Anlage versorgt wird – alles Vorstellungen, die auf Haushaltsanträgen aus diesem Jahr fußen.

Grüne betonen Bekenntnis zum Klimaschutz, AfD hält bald ganz Gelsenkirchen für „No-go-Area"

Die Grünen betonten mit Blick auf derartige Ideen, dass das „deutliche Bekenntnis zum Klimaschutz“ für sie die Grundbedingung gewesen sei, dem Haushalt zuzustimmen. Fraktionschef Peter Tertocha erinnerte an OB Welges Appell, den „Weg zur klimaneutralen Stadt mutig beschreiten“ zu wollen. „An dieser Messlatte werden wir Grünen uns in den nächsten Jahren orientieren“, so Tertocha.

„Fast sprachlos bei so viel Schönfärberei“ zeigte sich dagegen AfD-Fraktionschef Jan Preuß, der zahlreiche Negativ-Nachrichten und -Statistiken aus Gelsenkirchen aus der jüngsten Vergangenheit aufzählte. Ganz Gelsenkirchen entwickle sich zu einer No-go-Area, so Preuß. „Es mangelt Gelsenkirchen an allem, nur nicht an Problemen.“

Christoph Klug von der FDP fokussierte seine Haushaltsrede auf die mittlerweile über die Stadtgrenzen hinaus bekanntgewordene Forderung nach einer urbanen Seilbahn. „Ich weiß, dass viele von Ihnen immer noch der Meinung sind, das wäre eine ,Schnapsidee‘“, sagte Klug gegenüber den Stadtverordneten und Zuschauern. „Aber ich erinnere Sie auch daran, dass ebenso viele noch vor zwei Jahrzehnten daran dachten, dass nun wirklich nie ein Auto elektrisch betrieben werden könne.“

Kritik für die Seilbahn-Machbarkeitsstudie, die nun kommen soll, kam von Linken-Fraktionschef Martin Gatzemeier, der in seiner Rede forderte, stattdessen mehr Straßensanierungen voranzubringen. Die Linke sowie die AfD und AUF-Einzelmandatsträger Jan Specht haben den Haushalt abgelehnt. Dafür stimmten SPD, CDU, Grüne, FDP, „Tierschutz hier!“. „Die PARTEI“ enthielt sich.

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