Essen-Steele. Warum Kinder und Jugendliche des Kinderheims in Essen-Steele demnächst im Rampenlicht stehen. Und wieso auch die dortigen Erzieher Zirkus machen.
Eine Woche lang richtig Zirkus machen: Am Dienstag nach Pfingsten lautet in der Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung in Steele das Motto wieder „Manege frei!“. Zum dritten Mal setzt das Kinderheim mit dem Zirkusbetrieb Gerd Sperlich ein gemeinsames Projekt um. Premiere und Galavorstellung Anfang Juni sind öffentlich. Jasmin, Luna und Florian (Namen geändert) erklären, was das Tolle am „Zirkus ohne Grenzen“ ist – und warum auch Erzieher einfach mal albern sein sollten.
Tatsächlich ist Jasmin beinahe schon so etwas wie ein alter Hase im Zirkusgeschäft: 2019 zum 250. Bestehen der Stiftung stand die heute 16-Jährige als Clown und Hip-Hop-Tänzerin in der Manege. Erfahrungen, die sie jetzt wiederholen will, „einfach, um auch zu gucken, ob ich das jetzt anders oder besser mache, und weil es wirklich lustig war“.
Kinder und Mitarbeiter der Steeler FFC-Stiftung engagieren sich gemeinsam
Beinahe alle der rund 100 Kinder und Jugendlichen des Kinderheims sind bei der Zirkuswoche der FFC-Stiftung dabei, ebenso zahlreiche Erzieher und Mitarbeiter. Letztere absolvieren einen dreistündigen Schnellkurs und präsentieren den Kindern dann, welche Möglichkeiten es gibt, um in der Manege dabei zu sein – als Clowns, Seiltänzer, Schwarzlicht-Jongleure, Akrobaten, Trapezkünstler oder Fakire. Für den pädagogischen Leiter der Stiftung, Martin Engler, ein perfektes Verfahren, um den Kindern die freie Wahl zu lassen. Für die Mädels und Jungs die einmalige Gelegenheit, die Erwachsenen von einer komplett anderen Seite kennenzulernen. Jasmin: „Die sind dann eben nicht mehr normale Erzieher oder so, sondern Clowns oder sogar Akrobaten, das ist schon wirklich cool.“
Viel Zeit für die Proben allerdings bleibt nicht; bereits am 2. Juni findet die Premiere statt. „Das reicht locker“, versichert Jasmin. „Die Zirkusleute sind supernett, aber die sagen auch immer: Gebt Vollgas! Die wollen schon, dass wir das richtig gut machen.“ Und offenbar scheint selbst eine Menschenpyramide innerhalb von wenigen Stunden erlernbar. Luna allerdings hat den Bereich Zirkusakrobatik schon bei einem Schulprojekt ausprobiert und will es diesmal lieber als Clown versuchen. „Als Clown kann man eigentlich nichts falsch machen, egal, was sie tun, sie sind witzig.“
Die Rolle als Heimkind mit der des Clowns oder Jongleurs tauschen
Für Florian kommt hingegen nur die Schwarzlicht-Jonglage in Frage: „Weil man mich dann nicht sieht.“ Sechs Worte, die kaum deutlicher zeigen könnten, dass ein Zirkusprojekt in einem Kinderheim vielleicht noch einmal eine etwas andere Tragweite hat als anderswo. Engler: „Viele unserer Kinder haben durchaus das ein oder andere Päckchen zu tragen. Und richtig schwer wird es für sie, wenn nicht klar ist, ob die Eltern oder Angehörigen tatsächlich zur Vorstellung kommen werden. Zwar ist das meistens der Fall, aber nun einmal nicht immer.“
Das Stigma Heimkind ablegen, die eigene Rolle mit der des Clowns oder des Jongleurs tauschen, Selbstvertrauen finden und den Applaus genießen – auch und vielleicht gerade darum geht es bei diesem Projekt. „Deshalb laden wir auch die Schulklassen zu einer Aufführung ein: Wir geben unseren Kindern so die Möglichkeit, sich einfach mal komplett anders zu präsentieren. Sie können zeigen, was in ihnen steckt, beweisen, dass sie ihre Aufgabe in der Manege durchziehen – und zwar richtig gut, auch wenn sie vielleicht ansonsten etwas schüchtern sind“, fasst Engler zusammen. Dazu gehöre auch, dass zuvor alle beim Aufbau des Zirkuszeltes im Innenhof helfen. „Wir realisieren dieses Projekt von Anfang bis Ende gemeinschaftlich.“ Dass sich auch das diesjährige Ergebnis wird sehen lassen können, steht für Jasmin dabei außer Frage: „Also wir Kinder haben es echt verdient, dass das Zirkuszelt rappelvoll wird. Wer nicht kommt, der hat echt was verpasst.“
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