Soziales

Männer bleiben draußen: Frauentag im Essener Bezirk VII

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Am Wochenende findet im Julius-Leber-Haus der zweite Frauentag im Bezirk VII statt: Daniela Hansen, Kristin Heinrichs, Maryam Alizadeh, Lea Schaffeld, Tatiana Bedarev, Angelika Sethe, Anna Freis und Kausar Abdul Latif (v.l.n.r.) gehören zum Organisationsteam.

Am Wochenende findet im Julius-Leber-Haus der zweite Frauentag im Bezirk VII statt: Daniela Hansen, Kristin Heinrichs, Maryam Alizadeh, Lea Schaffeld, Tatiana Bedarev, Angelika Sethe, Anna Freis und Kausar Abdul Latif (v.l.n.r.) gehören zum Organisationsteam.

Foto: André Hirtz / FUNKE Foto Services

Essen-Kray/Leithe.  Warum Männer im Julius-Leber-Haus in Essen-Kray zeitweise keinen Zutritt haben. Und warum Achtsamkeit und Selbstverteidigung gut zusammenpassen.

Es geht um Achtsamkeit. Um Wertschätzung. Aber auch um einen sicheren Rückzugsort, eine Atempause und um Ablenkung vom Alltag: Am Samstag, 26. August, findet im Julius-Leber-Haus an der Meistersingerstraße von 10 bis 15 Uhr der zweite Frauentag im Bezirk VII statt. Die Premiere im vergangenen Jahr hatte mit gut 300 Teilnehmerinnen aus Kray, Leithe, Steele, Horst und Freisenbruch alle Erwartungen des Organisationsteams übertroffen. Ein Erfolg, an den die aktuelle Auflage anknüpfen will. Die findet übrigens ganz bewusst nicht am Internationalen Frauentag am 8. März statt – hat aber genau hier ihre Wurzeln.

Maryam Alizadeh, Leiterin der Stadtteilbibliothek Kray, erinnert sich: „Damals hat die Schauspielerin Marjam Azemoun in einer szenischen Lesung im Diakoniezentrum Kray die Rolle starker Frauen in der Geschichte aufgearbeitet. Und aus dem Pool an Besucherinnen hat sich dann ein Organisationsteam für den ersten Frauentag im Bezirk herauskristallisiert.“ Dass der nicht auch im März stattfindet, sei beabsichtigt, „da es uns nicht vorrangig um einen politischen Auftrag verbunden mit entsprechenden Forderungen geht, sondern um gegenseitige Stärkung, um Begegnung“. Was indes nicht bedeute, dass nicht auch ernste Frauenthemen wie etwa die Unterdrückung in der eigenen Familie zur Sprache kämen.

Programm des Frauentags im Bezirk VII: Achtsamkeit und Selbstverteidigung

In diesem Jahr haben 16 Frauen das Veranstaltungsprogramm erarbeitet, das für die Teilnehmerinnen komplett kostenlos ist. Das Angebot überwiegend lokaler Akteurinnen aus dem Bezirk setzt vor allem auf Vielfalt und eben jene Aspekte, die auch Alizadeh hervorgehoben hat: Es geht um Achtsamkeitsübungen ebenso wie um Klangschalen-Entspannung, das Malen mit Acrylfarben, das Basteln von Ketten und Armbändern, um gemeinsames Kochen, Leseförderung, die Vorstellung von Naturkosmetik – und ja: auch um Selbstverteidigung.

Lea Schaffeld, Sozialarbeiterin im Stab Integration im Stadtbezirk VII: „Wir möchten, dass Frauen aus unterschiedlichen Kulturen miteinander ins Gespräch kommen, sich austauschen können. Es geht um eine Begegnung der Kulturen und um Wertevermittlung. Ganz ohne Zwang – nichts muss, alles kann.“

Frauen aus der Ukraine kochen mit Frauen aus Syrien

Unterschiedliche Sprachen, das hat sich im vergangenen Jahr bereits gezeigt, sind da in der Regel gar kein Hindernis. Tatiana Bedarev vom Begegnungszentrum Kraysel: „Beim ersten Frauentag haben ukrainische Frauen ganz selbstverständlich gemeinsam mit syrischen Frauen gekocht. Das hat perfekt funktioniert. Was mir aber im Anschluss sehr oft gesagt wurde: Dass dieser Tag für viele Frauen aus der Ukraine seit langer Zeit der erste Tag war, an dem ihre Gedanken nicht beim Krieg waren, an dem sie einfach entspannt sein durften. Das ist enorm wichtig.“ Und damit sich die Frauen auch diesmal ganz auf sich konzentrieren, sich ausprobieren können, wird das Workshop-Angebot um ein Kinderprogramm und ein Betreuungsangebot ergänzt.

Und mehr noch. Kristin Heinrichs vom Caritas-SKF-Essen: „Wir schaffen an diesem Tag im Julius-Leber-Haus einen geschützten Raum. Männer werden keinen Zutritt haben.“ Auch Informationsangebote etwa des Jugendamtes oder der Hebammenzentrale sollen nur „unaufdringlich“ einfließen – „hier bleibt es jeder Frau freigestellt, ob sie Angebot annimmt oder nicht“, ergänzt Schaffeld.

Eingeladen sind alle Frauen aus Kray, Leithe, Steele, Horst und Freisenbruch

Eingeladen, darauf weist Heinrichs noch einmal hin, seien alle Frauen im Bezirk; jene mit Flucht- oder Migrationshintergrund ebenso wie Frauen, „die in Kray, Steele oder Horst aufgewachsen sind“. Der „Mehrwert“ einer solchen Veranstaltung, sagt Kausar Abdul Latif, Leiterin des Krayer Flüchtlingsheims, sei jedoch gerade für Geflüchtete enorm: „Für die Frauen in unserer Einrichtung ist es sehr schwierig in direkten Kontakt mit Menschen im Stadtteil zu kommen. Über den Frauentag wird ihnen eine Möglichkeit geboten, Kontakte in den Ort hinein zu knüpfen. Ich habe heute den Termin kommuniziert, und es gab strahlende Gesichter im Raum.“

Als besonders wertvoll habe sich dabei im vergangenen Jahr gerade das Selbstverteidigungsangebot erwiesen, „das die Frauen, von denen viele allein unterwegs sind, wirklich dankbar angenommen haben, weil es ihnen zumindest ein wenig Sicherheit und Stärke zurückgibt“.

Sollte auch dieser zweite Frauentag gut angenommen werden, ist für Lea Schaffeld eine Fortsetzung und Verstetigung des Angebots keinesfalls ausgeschlossen – vielleicht sogar im Rahmen größerer Veranstaltungen wie dem Essener Frauen-Gesundheitstag.

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