Essen-Werden. „Speed-Dating“ mit Senioren für die Acht- und Neuntklässler des Gymnasiums Werden. Wie die Schüler Geschichte auf ganz lebendige Weise erfahren.
Am Gymnasium Werden mit seiner langen Tradition darf ein Blick in die reiche Historie nicht fehlen. Geschichtslehrer Christopher Wodopia möchte seiner Klasse 8 F ermöglichen, ins „Früher“ einzutauchen: „Unsere Schüler sollen Geschichte nicht als Verstaubtes aus alten Büchern, sondern als von Menschen Gelebtes erleben können.“
Gelebtes? Davon haben die weißhaarigen Gäste am Donnerstag Vormittag so einiges im Gepäck. Pfarrer Klaus Baltes begleitet drei ältere Damen. In einer Art Speed-Dating wird in Gruppen gefragt, diskutiert, gestaunt, gelacht. Die Referendare Isabel Hendricks und Hendrik Slevogt legen mit ihren Fächern Erdkunde, Geschichte und Religion genau den Fokus auf die Themen dieses ungewöhnlichen Interviews. Zeitzeugen berichten über längst Vergangenes. Ob Familie, Kirche, Beruf oder der ganz normale Alltag, Dorothea Mertens, Ruth Potthoff und Jutta Reinhardt geben geduldig Auskunft.
Kaputte Schuhe wurden nicht weggeworfen
Oft sind es gar nicht die weltbewegenden, sondern die kleinen Dinge, die bei den jungen Leuten perplexes Erstaunen hervorrufen. Die kaputten Schuhe, die natürlich nicht weggeworfen wurden, für deren Reparatur der Vater seinen letzten Ledergürtel opferte.
Überhaupt das Verhältnis zu den Eltern, die Mutter das beschützende Element, die Väter oft nur als strafende Instanz wahrgenommen. Diese Strenge in der Erziehung wurde in der Schule fortgeführt: „Ich hatte eine traurige Schulzeit, da gab es nichts zu lachen.“ Früher alles schlechter? Oder besser? Schwierig zu beantworten: „Es war schon ein Teil schöner früher. Ich habe jetzt noch Kontakt zu vielen meiner Klassenkameradinnen“, erzählt Ruth Potthoff.
Höchst interessiert haken die Schüler nach: Wie haben die Zeitzeugen das Aufkommen der Computer erlebt? Ganz besonders heikel für die Generation WhatsApp und Co: „Wie lief das mit der Kommunikation?“ Die Rentnerinnen haben überhaupt kein Problem damit, hier als Exoten wahrgenommen zu werden.
Die Jugendlichen kleben den Seniorinnen an den Lippen. Entspanntes Gelächter hier, ein verblüfftes „Ach“ am Nachbartisch. Der Vormittag endet viel zu schnell. Es gäbe noch so einiges zu fragen, zu erzählen. „Ein anderes Mal, versprochen.“
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