Essen-Westviertel. Abschleppunternehmer sagt: „Job ist abwechslungsreichste, was man erleben kann.“ In Essen werden täglich Autos abgeschleppt. So funktioniert das.
Einen Parkplatz zu finden, kann in dicht besiedelten Essener Stadtteilen schwierig sein. Es gibt legale Parkplätze, doch wer einen solchen nicht ergattern kann, weicht gerne auf weniger legale Lösungen aus. Wer das übertreibt, muss sein Auto unter Umständen beim Straßendienst Meister abholen. Dort oder beim Unternehmen Ermes an der Stoppenberger Straße parken Fahrzeuge, die abgeschleppt wurden. Im vergangenen Jahr waren das nach Angaben der Stadt insgesamt 6082, durchschnittlich also 16 Fahrzeuge am Tag.
Abschleppdienst in Essen arbeitet mit Ordnungsamt zusammen
Das Stadtgebiet ist unter den beiden Betrieben aufgeteilt, der Osten und Norden gehört der Meister-Flotte im Westviertel. Mehrmals am Tag wird das Team am Westendhof vom Essener Ordnungsamt beauftragt. Parken auf Behindertenparkplätzen, an Schulbushaltestellen, im Kreuzungsbereich oder zu bestimmten Uhrzeiten auf Marktplätzen ist keine gute Idee, wenn man später von dort wieder losfahren möchte.
„Das Ordnungsamt ruft uns an und gibt Marke und Kennzeichen durch“, erklärt Daniel Ellermann, Geschäftsführer beim Straßendienst Meister. Spätestens eine halbe Stunde später sei sein Team dann meist vor Ort und mache zunächst Fotos von der Situation und vom Fahrzeug. Die Kollegen und Kolleginnen vom Ordnungsamt hätten in der Zwischenzeit bereits gecheckt, ob beispielsweise noch ein Kind oder Hund im Auto sitzt, die sollen schließlich nicht mit abgeschleppt werden.
Abschleppdienst nimmt Fahrzeughalter unter Umständen mit
Dann fangen die handwerklichen Arbeiten an. Hat das Auto Heckantrieb, ist die Handbremse angezogen, kann es angehängt und hinterhergerollt oder muss es mit einem Kran aufgeladen werden? „Meistens brauchen wir nicht mehr als 15 Minuten vor Ort“, so Ellermann, der weiß, dass der Besitzer manchmal genau in dieser Zeitspanne auftaucht – meistens nicht allzu gut gelaunt.
„Wenn das Fahrzeug noch nicht auf der Ladefläche ist, lassen wir es da“, sagt der 39-Jährige. Ist es schon drauf, könne der Besitzer im Abschleppwagen mitfahren – „wenn er sich benimmt“, betont Ellermann. Es komme auch vor, dass die Autofahrer im Angesicht des Abschleppwagens wütend und dann ausfallend werden. Meistens dauere es eine gute Stunde, bis das abgeschleppte Auto auf dem Meister-Hof wieder abgeladen wird. „Dann rufen wir die Polizei an und melden Vollzug“, so der Geschäftsführer, denn dort rufen die Essener und Essenerinnen an, wenn sie zurück zu ihrem Auto wollen und es nicht mehr dort vorfinden, wo sie es geparkt hatten. Dann könne es eigentlich nur geklaut oder abgeschleppt sein: „In beiden Fällen macht es Sinn, die Polizei zu rufen.“
Zweimal an einem Tag in Essen abgeschleppt
Ab dann dauere es wenige Stunden bis zu mehreren Jahren, bis es im Westendhof wieder abgeholt werde. Jahre? Ellermann gibt ein Beispiel: Jemand Alleinstehendes parkt vor seiner Haustür, kommt ins Krankenhaus und stirbt dort. Irgendwann wird beispielsweise wegen eines Umzugs ein Halteverbot vor seiner Haustür eingerichtet, an das sich der Verstorbene naturgemäß nicht halten kann. Die Mannschaft vom Straßendienst Meister schleppe das Auto dann vorschriftsgemäß ab und parke es im Westendhof. Es könne dann aber lange dauern, bis die Erben – falls es überhaupt welche gibt – dort auftauchen.
Das sei aber die Ausnahme: „Die meisten kommen innerhalb von drei Stunden.“ Thomas Ellermann, der den Betrieb zusammen mit seinem Neffen führt, erinnert sich an ein Ehepaar, das das abgeschleppte Auto der Frau wieder abholen wollte. „Der Mann hat die Frau die ganze Zeit beschimpft, wie man nur so blöd sein könne, sich abschleppen zu lassen.“ Noch am gleichen Tag sei er dann selbst abgeschleppt worden und musste wieder vorstellig werden – dieses Mal deutlich kleinlauter.
„Geistiges Sackhüpfen“ nennt der 66-Jährige seinen Job. Jede Situation sei anders. Viele Einsätze sind spontan, manche planbar – etwa Rosenmontagszüge. Sein Job sei das abwechslungsreichste, was man erleben könne. Auch jeder Kunde sei anders sagt Ellermann, der auch schon Autos aus dem Baldeneysee geborgen hat und jenem Mann zur Hilfe gesprungen ist, der seinen Mercedes im Parkhaus des Rhein-Ruhr-Zentrums ins Treppenhaus manövriert hatte. Ellermann sieht sich als Mobilitätsdienstleister.
Team vom Essener Straßenbetrieb Meister fährt rund 100 Mal am Tag raus
Das Abschleppen von falsch geparkten Autos bilde nur einen Bruchteil der Leistungen. Das Team fahre etwa 100 Mal am Tag raus, leiste Pannenhilfe und fahre zu Unfällen – auch auf der A40 – um nicht mehr fahrbereite Fahrzeuge abzuschleppen. 80 Prozent seien sogenannte Liegenbleiber, die den ADAC anrufen, in dessen Auftrag der Straßendienst arbeitet. Auch die Polizei melde sich regelmäßig bei Meister, um sichergestellte Autos dort unterzubringen, an denen die Spurensicherung noch aktiv werden muss. „Wir sind Problemlöser“, sagt Ellermann.
Verkehrsteilnehmer, die ihr Auto bei ihm abholen, weil es abgeschleppt wurde, sehen das eventuell anders. Denn diese Dienstleistung ist im Vergleich zu einem ordinären Knöllchen relativ teuer. Abschleppleistung, Bußgeld und städtische Verwaltungsgebühr summieren sich schnell auf über 300 Euro – wenn das Auto zeitnah beim Straßendienst wieder abgeholt wird. Jeder Tag kostet extra Standgebühr. Da kann die Laune schonmal im Keller sein, wenn die Autofahrer die Bürotür vom Straßendienst Meister am Westendhof öffnen.
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