Geschichte

Stolpersteine erinnern in Homberg an Johanna und Karl Gerson

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Diese frisch verlegten Stolpersteine vor dem Haus Moerser Straße 89 erinnern in Homberg nun an Johanna und Karl Gerson. Das Ehepaar führte hier ein Haushaltswarengeschäft und wurde von den Nazis ermordet. Foto:Udo Gottschalk

Diese frisch verlegten Stolpersteine vor dem Haus Moerser Straße 89 erinnern in Homberg nun an Johanna und Karl Gerson. Das Ehepaar führte hier ein Haushaltswarengeschäft und wurde von den Nazis ermordet. Foto:Udo Gottschalk

Duisburg-HOmberg.   Schüler der Erich-Kästner Gesamtschule haben die tragische Geschichte des Homberger Ehepaars aufgearbeitet. Enkel der Gersons bedanken sich.

Für alle, die dabei waren, war das Gedenken an Karl und Johanna Gerson in Alt Homberg ein sichtlich bewegender Moment: Auf dem Bürgersteig vor dem Haus Moerser Straße 89, in dem das jüdische Ehepaar bis 1941 lebte und lange ein Haushaltswarengeschäft betrieb, wurden zwei Stolpersteine verlegt für das Ehepaar, das die Nazis 1941 in das Getto Riga verschleppten. Drei Enkel der ermordeten Eheleute, David Schneider, Ron und Ken Gerson waren aus London, Chicago und New Jersey angereist, um ihrer Vorfahren zu gedenken. Im Vorfeld hatte sich der Geschichts-Leistungskurs der Erich-Kästner-Gesamtschule zwei Jahre mit der Geschichte des Nationalsozialismus und des dritten Reichs beschäftigt, und besonders die Geschichte des Ehepaars Gerson aufgearbeitet, die so tragisch endete.

Aus dem Tagebuch eines Offiziers

Akribisch forschten die Schüler und ihre Geschichtslehrerinnen Silvia Pfeil und Saskia Billeb in Zusammenarbeit mit dem Duisburger Zentrum für Erinnerungskultur nach dem Schicksal von Karl und Johanna Gerson, oft auch in ihrer Freizeit. So fanden sie heraus, dass das jüdische Ehepaar um 1900 aus Rheinberg nach Alt-Homberg gekommen war und drei Kinder hatte, die den Holocaust glücklicherweise überlebten.

Nachdem die Familie jahrzehntelang weitgehend unbehelligt unter den Homberger Bürgern lebte und arbeitete, wurde das Leben der Gersons nach der Machtergreifung durch die Nazis zusehends bedrohlicher. So wurden im November 1938 in der so genannten „Reichskristallnacht“ die Fensterscheiben ihres Geschäfts im Erdgeschoss ihres Wohnhauses eingeschlagen, das Geschäft verwüstet. „Damit war ihnen die Existenzgrundlage genommen, sie mussten später hausieren gehen“, so Geschichtslehrerin Saskia Billeb.

Deportation nach Riga – über Moers und Düsseldorf

Rund drei Jahre später folgte die Deportation nach Riga, über die Stationen Moers, Krefeld und Düsseldorf. „Dort wurden ihnen alle Wertsachen abgenommen. Danach ging ihre Tortur weiter, mit der Deportation ins Rigaer Getto, bei einer tagelangen Zugfahrt.“

Diese Informationen erhielten Schüler und Lehrer aus dem Tagebuch eines NS-Offiziers, der die Etappen der Verschleppung von Karl und Johanna Gerson genau aufgelistet hatte. Das Paar muss damals zwischen 50 und 60 Jahre alt gewesen sein. Karl Gerson wurde im Rigaer Getto ermordet, seine Ehefrau Johanna wahrscheinlich auch, eine Spur führt allerdings in das KZ Stutthof bei Danzig. Die Kinder Walter, Kurt und Hildegard konnten nach England und in die USA flüchten

„Das werden wir nie vergessen“

Bei der Gedenkstunde zeigten sich die Enkel ergriffen und gerührt. Ron Gerson (61) aus Chicago, der mit Ehefrau Barbara nach Duisburg gekommen war, bedankte sich sichtbar bewegt bei den Schülern für ihre Recherchen: „Ihr habt uns die Geschichte unserer Großeltern gebracht. Das ist ein sehr emotionaler Moment für uns.“ Die Nachfahren schätzten die Arbeit der Schüler und Lehrer sehr. „Sie haben uns Informationen gebracht, die wir nicht wussten. Das werden wir nie vergessen“. Und Ken Gerson (64), der mit Sohn Michael erstmals in Deutschland ist: „Wir haben von den Schülern die fehlenden Puzzlesteine für unsere Familiengeschichte erhalten. Einen großen Dank dafür.“

Alte Ängste durch neuen Antisemitismus

„Die Beschäftigung mit dem Thema war für uns auch emotional, betonte Lehrerin Saskia Billeb. „Gerade weil wir mit Angehörigen der Gersons Kontakt haben, hat uns diese Geschichte viel mehr berührt. Dadurch wurde das Thema greifbar, regional und Personen bezogen. Wir haben jetzt auch Gesichter zu der Geschichte.“

Schülerin Juana (18): „Diese Geschichte beeinflusst das Leben der Enkel bis heute. Sie haben gemerkt, dass ihre Eltern durch das Schicksal der Großeltern psychische Wunden erlitten hatten. Uns hat diese Geschichte gezeigt, was für grausame Schicksale es gibt, dass die Familie auseinander gerissen wurde und dass sich so etwas nicht wiederholen darf.“ Auch Muriel (18) ist im Kurs der Jahrgangsstufe 13 und macht im Frühjahr Abitur: „Man darf nicht vergessen, dass diese Geschichte das Leben der Nachfahren beeinflusst, es ist für sie ein Trauma. Wenn in Europa wieder Rechtspopulismus und Antisemitismus auftaucht, werden ihre alten Ängste wach.“

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