Lieferengpässe

Apothekerin hängt Lauterbachs Nummer aus: So antwortet er

| Lesedauer: 4 Minuten
Bei Fragen nach fehlenden Medikamenten bitte an den Gesundheitsminister wenden: Das Plakat hat eine Duisburger Apothekerin aufgehängt.

Bei Fragen nach fehlenden Medikamenten bitte an den Gesundheitsminister wenden: Das Plakat hat eine Duisburger Apothekerin aufgehängt.

Foto: Tina Halberschmidt

Duisburg.  Viele Medikamente sind nicht lieferbar. Das führt zu Frust. Eine Apothekerin verweist ihre Kunden an Karl Lauterbach. Und der Minister reagiert.

Das Telefon steht in der Regatta-Apotheke in Duisburg-Wedau kaum noch still. „Wir könnten jemanden anstellen, der nur die Medikamenten-Anfragen am Telefon beantwortet“, sagt Inhaberin Martina Reh. Aber nicht nur die telefonischen Nachfragen müssen die Mitarbeiter täglich mehrfach beantworten: „Es fehlen aktuell rund 200 Medikamente. Wir können einfach nicht vorhersagen, welches Medikament gerade lieferbar ist. Das führt natürlich zu enormem Frust bei den Kunden und auch bei uns“, sagt Reh.

Um nicht ständig zu erklären, was hinter den fehlenden Medikamenten steckt und dass es nicht die Schuld der Apotheke ist, hat die Duisburgerin nun eine Lösung gefunden, um die Kunden zu informieren: Am Eingang klebt seit Donnerstag ein Hinweisschild an die Patienten, sich bei Nachfragen und Beschwerden an Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu wenden. Mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Bundesministeriums für Gesundheit in Berlin. Die Redaktion hat bei Karl Lauterbach direkt nachgefragt, was er von dieser Idee hält.

Duisburger Apothekerin: „Es ist einfach nur noch frustrierend“

„Es ist einfach nur noch frustrierend“, sagt die Apothekerin. „Wir telefonieren ständig den unterschiedlichsten Medikamenten hinterher, versuchen für die Kunden, einen adäquaten Ersatz zu finden.“ Es sei derzeit ein „tägliches Glücksspiel“, ob ein Medikament verfügbar ist.

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„Man kann es mittlerweile auch nicht mehr eingrenzen. Es fehlt alles. Vom Antibiotikum über Blutdruckmittel bis zu Mitteln für Diabetiker.“ Und dann noch das ständige Erklären der Hintergründe. Unzählige Mal am Tag. „Wir kommen einfach nicht mehr hinterher. Wir verwenden doch lieber unsere Zeit, ein passendes Medikament zu finden, als ständig zu erklären, warum ein Arzneimittel gerade nicht verfügbar ist“, sagt Martina Reh.

Als sie auf der Homepage der „Freien Apothekerschaft“ – eine Vertretung für Apothekerinnen und Apotheker, die Inhaber einer Apotheke sind – das Plakat mit dem Hinweis, sich doch bitte bei Karl Lauterbach zu beschweren, gesehen hat, fand sie es sehr passend. „Das Plakat erklärt doch alles und trifft genau den Nerv. Zumindest meinen.“

Karl Lauterbach: „Die Apothekerin hat Recht“

„Die Apothekerin hat Recht“, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf Nachfrage der Redaktion. „Das Problem ist gravierend und über Jahre nicht erkannt worden. Gerade arbeiten wir an einem Lieferengpassgesetz, jetzt muss nur noch darüber abgestimmt werden. Wir müssen die Ursachen dringend bekämpfen“, sagt er.

Dass seine Nummer an der Apothekentür hängt, findet er nicht schlimm. „Ich habe noch keine Informationen darüber, ob sich Patienten schon beim Ministerium beschwert haben, aber die Situation ist wirklich problematisch und ich kann die Apothekerin verstehen.“

Apotheker-Sprecher findet die Aktion großartig

Christoph Herrmann, Sprecher der Apotheker in Duisburg, findet die Aktion auf Nachfrage der Redaktion großartig. „Die Lieferengpässe werden immer schlimmer“, so Herrmann. „Und der tatsächliche Mangel ist ja noch viel höher. Ich gehe da von Tausenden Medikamenten aus. Die offiziellen Zahlen basieren ja nur auf den Angaben der Hersteller, die nur dann einen Engpass zugeben, wenn gar nichts mehr geht.“

Die Ursachen für den Arzneimittel-Notstand gehen laut Herrmann aktuell weiter auf Probleme mit der Lieferkette zurück. Die deutsche Vergabepraxis trage ebenfalls dazu bei. So habe die Festpreisregelung in Deutschland zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohnländer wie China und Indien geführt. Dort gebe es nun Lieferkettenprobleme mit Engpässen als Folge.

Ein weiteres Problem: die Rabattverträge der Krankenkassen mit den Herstellern. Dann erstatten sie nur das Medikament des jeweiligen Herstellers und bekommen dafür im Gegenzug Rabatt. Allerdings schränkt dann die Konkurrenz mit dem gleichen Medikament ihr Angebot ein. (mit dwi)

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