duisburger akzente

Starkes Stück um das schöne Biest Stella Goldschlag

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Frederike Haas spielt Stella, das umschwärmte, skrupellose „Gespenst vom Kurfürstendamm“.

Frederike Haas spielt Stella, das umschwärmte, skrupellose „Gespenst vom Kurfürstendamm“.

Foto: Matthias Heyde

Duisburg.   Mit dem Musical „Stella - das blonde Gespenst vom Kurfürstendamm“ kommt zum Auftakt der Akzente harter Stoff ins Festivalzelt

In den Vorjahren waren es der Landschaftspark, das Stadttheater oder der Burgplatz – und jetzt ist es das Zelt gegenüber, dort wo das Mercatorquartier entstehen soll: Mit seinen Eröffnungsveranstaltungen zieht das Festival Akzente durch die Stadt. Auch Form und Inhalt wechseln. Zuletzt waren es Eigenproduktionen, zum Auftakt der 38. Akzente mit dem weit gefassten Thema „Umbrüche“ hatten die Festivalmacher die Neuköllner Oper mit einer Produktion eingeladen, die im Juni 2016 in Berlin uraufgeführt und mit dem Deutschen Musical-Preis ausgezeichnet wurde.

Eine deutsche Karriere

Zur Recht, denn „Stella – das blonde Gespenst vom Kurfürstendamm“ erzählt deutsche Geschichte entlang einer brisanten Biografie unterhaltsam und packend. Peter Lund (Text) und Wolfgang Böhmer (Musik) hatten den Mut, den harten Stoff in ein „Singspiel“ zu fassen, das in der Inszenierung von Martin G. Berger mit viel Action und Tempo auf die Bühne kommt. Wie „Cabaret“ spielt es in der Nazi-Zeit, aber auch nach dem Krieg. Stella Goldschlag hat mit dem Judentum nichts am Hut. „Ich bin keine Jüdin, ich bin Deutsche“, sagt sie. Die schöne, talentierte, blonde und ehrgeizige junge Frau hat nur ein Ziel: Star zu werden. Wenn das in Hitler-Deutschland nicht geht, dann eben in Amerika. Doch die Familie erhält kein Ausreisevisum, Stella muss den verhassten Judenstern tragen. Auch um ihre Eltern zu retten, kollaboriert sie mit der Gestapo und hilft als „Greiferin“, versteckte Juden zu finden. Tatsächlich soll sie 300 Menschen auf dem Gewissen haben, inszeniert sich nach dem Krieg als Opfer, bekommt zehn Jahre sowjetische Lagerhaft. Sie leugnet ihre Taten, bekennt sich als Antisemitin und begeht 1994 Selbstmord.

Die komplexe Geschichte spielt auf einer zweigeteilten, sehr flexiblen Bühne, unten hat der Kasten spiegelnde Glastüren, oben bieten Schiebewänden auch Fläche für Projektionen. Hier tritt der seltene Fall ein, dass Video-Kameras dem Geschehen tatsächlich eine weitere Perspektive geben: die von oben. So erlebt das Publikum diese junge, lebenslustige, nach Bewunderung gierende Frau mal als tanzende Revuesängerin, dann wie das Märchenkind Sterntaler, in dessen Hemd Judensterne rieseln. Stella ist sexy und skrupellos, liebenswert und böse, ängstlich und dreist. Frederike Haas in der Hauptrolle und das fünfköpfige Männer-Ensemble wirbeln lustvolle singend und tanzend, treppauf und treppab über die Bühne. Oft machen die Figuren Schaudern. Wenn etwa ein vor Pflichterfüllung berstender Adolf Eichmann seinem Führer ein Liebeslied singt oder wenn die schmissige Moritat vom Möbelwagen erklingt, also wieder eine Familie aus Berlin deportiert worden ist.

Ein großartiges, unsentimentales Stück, in dem Schuld Schuld bleibt, das sich aber kein Urteil anmaßt.

Am Dienstag geht mit dem „Heymatabend“ weiter

Die Eröffnungsrede hielt Kulturdezernent Thomas Krützberg für OB Sören Link, der allerdings pünktlich vor Beginn des Stücks eintraf. Beim Empfang spielte das Klezmer-Quartett der Philharmoniker, dessen Musik leider in der Gesprächsatmosphäre unterging.

Am Montag macht das Festival eine Pause, am Dienstag wird das Theatertreffen fortgesetzt mit Lessing „Nathan der Weise“ als Gastspiel des Münchner Volkstheaters. Beginn ist (auch am Mittwoch, 15. März) jeweils um 19.30 Uhr im Stadttheater.

Im Festivalzelt geht es ebenfalls am Dienstag um 20 Uhr weiter mit „Heymatabend 3“. Zum dritten Mal treffen sich bei den Akzenten der Kabarettist Kai Magnus Sting und der Musiker Jupp Götz zu einem Hauskonzert. Diesmal ist die Bigband der Musikschule dabei.

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