„Platzhirsch“ ist das Festival für Entdecker am Dellplatz
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Thomas Becker
Die Musikerinnen der Band„Jerboah " aus Amsterdam waren im vergangenen Jahr schon einmal in anderer Formation zu Gast. Sie lockten viele Besucher auf den Dellplatz.
Foto: Stephan Eickershoff
Duisburg. „Platzhirsch“ lockt noch bis Sonntagabend mit besonderen Konzerten Performances und Ausstellungen rund um den Dellplatz. Organisatoren zufrieden.
Die Macher vom Platzhirsch hatten mit Blick auf die Wetter-App das Schlimmste befürchtet. Dabei war es tatsächlich das erste Mal seit Jahren, dass das gemeinsame Frühstück auf dem Dellplatz bei strahlendem Sonnenschein stattfinden konnte. Dem einen oder anderen Musiker oder Künstler hätte man ein bisschen mehr (zahlendes) Publikum gewünscht, dennoch waren die Veranstalter zufrieden. „Im fünften Jahr läuft es richtig harmonisch, mit weniger Stress.“ Sogar die Nachbarn, die sich in den vergangenen Jahren über den Lärm beklagt hatten, waren zufrieden. Die Bands spielten diesmal messbar leiser, aber dennoch genauso gut. Auf und um den Dellplatz herum war die Stimmung gut. Es gab rund 120 Programmpunkte.
Die Bands Pel und Rodrigo Tobár y banda brachten Urlaubsatmosphäre in die Kneipe vom Grammatikoff. Waren letztere mit ihren südamerikanischen Salsa- und Cumbia-Rhythmen eher schwungvoll unterwegs, hatten die kurdisch gesungenen Lieder von „Pel“ etwas melancholisches. Die drei syrischen Kurden haben sich auf der Flucht aus dem Irak getroffen, um den Kontakt zu ihren Traditionen zu bewahren. Dann wurden sie wieder getrennt, trafen sich allerdings im vergangenen Jahr in Deutschland wieder. Neben selbstgeschriebenen Geschichten singen sie auch eine kurdische Version von „Bella Ciao“ – und begeistern damit ihr Publikum.
Ein einzigartiges Erlebnis sind die Konzerte von Ralf Kaupenjohann und Markus Zaja. Die beiden spielen im Keller der Kirche am Dellplatz. Zutritt hat immer eine Person, die in einem Sessel Platz nimmt. Das Konzert dauert eine Minute und ist auf jeden Zuhörer individuell abgestimmt. Schöne Idee.
Konzerte mitJazzern, Rockmusikern und Künstlern jenseits des Mainstreams gehören zur DNA der Platzhirsch-Festivals. Dazu gehörten bereits am Freitagabend in der Kirche Steve Beresfords „Soundtrips“ mit elektronischen Experimentalklängen oder auch die sehr ansprechende Show „Königspudel mögen keinen Jazz“ des Trios Alio Loco mit originellen Texten, rockig-bluesiger Gitarre und groovigem Keyboard-Spiel von Klaus Grospietsch, Holger Schörken und Dirk Schirok im Hotel Loewe.
Und zu später Stunde erfreute dann der energiegeladene Trompeter John Dennis Renken, der am Samstag mit seinem musikalisch urgewaltigen Zodiak-Trio und der australischen Posaunistin Shannon Barnett auf dem Dellplatz zu erleben war, die Jazzfans mit verhangenen Sounds im engen Studio des Grammatikoffs. Selbstverständlich ganz ohne Popmusik, dafür aber mit viel Beifall des trotz kühlerer Temperaturen wieder zahlreichen Publikums, das mit dem Pianisten Kai Schumacher in der Joseph-Kirche einen noch jungen Virtuosen zwischen Klassik und Avantgarde begrüßen konnte. Dieser stellte mit seiner hoch entwickelten Spieltechnik noch einmal seine neue CD „Insomnia“ vor.
Zur meditativen Musik gab es an diesem Wochenende in der Kirche auch eine originelle Installation der Duisburger Materialkünstlerin Claudia Sper zu sehen. Unter dem schönen Titel „Der Geist weht wo er will“ hat die Künstlerin ein meditatives Schauobjekt aus Plastikfundstücken vom Rheinufer gestaltet. Hinter drei lichtgefluteten Schaufenstern sind die zarten und verwischten Konturen sich anmutig bewegender Objekte erkennbar. Eine ästhetisch hochkarätige künstlerische Trilogie, die hier von den kunstsinnigen Besuchern sehr gelobt wurde.
Und ganz in der weltmusikalischen Tradition des verschwundenen Traumzeit-Festivals war das Kirchen-Konzert mit den Sephardics, die um den Cellisten Ludger Schmidt die alten jüdischen Lieder Spaniens in modernem Gewand wiederzubeleben wussten. Viel Beifall für ein großartiges Ensemble.