Tabubruch

Eklat im Dortmunder Rat: CDU-Frau unterstützt NPD-Antrag

| Lesedauer: 6 Minuten
Die CDU-Ratsfrau Regine Stephan hat in der Ratssitzung am Donnerstag vergangener Woche für einen Antrag der rechtsextremen Gruppe NPD/Die Rechte gestimmt und fünf Tage später einen Gastkommentar in der Online-Ausgabe des Magazins „Compact“ veröffentlicht, das als Sprachrohr der AfD- und Pegida-Anhänger gilt. Der CDU-Kreisverband hat Konsequenzen angekündigt.

Die CDU-Ratsfrau Regine Stephan hat in der Ratssitzung am Donnerstag vergangener Woche für einen Antrag der rechtsextremen Gruppe NPD/Die Rechte gestimmt und fünf Tage später einen Gastkommentar in der Online-Ausgabe des Magazins „Compact“ veröffentlicht, das als Sprachrohr der AfD- und Pegida-Anhänger gilt. Der CDU-Kreisverband hat Konsequenzen angekündigt.

Foto: Dieter Menne

Dortmund.  Im Dortmunder Stadtrat sitzt Regine Stephan eigentlich für die CDU. Doch zuletzt stützte sie die NPD und sorgte mit diesem Tabubruch für Wirbel.

Wolfram Frebel von den Grünen sprang bei der Ratssitzung wie von der Tarantel gestochen auf und zeigte aufgeregt auf die letzte Reihe des Saalrunds, dort, wo die CDU-Ratsfrau Regine Stephan sitzt. Die Kommunalpolitikerin hatte soeben einen Tabubruch begangen. Sie hatte für eine Resolution der rechtsextremen Gruppe aus NPD/die Rechte gestimmt. Das hat es im Dortmunder Rat noch nicht gegeben, dass Vertreter der demokratischen Parteien einem Antrag der beiden Vertreter von Rechtsaußen folgen. Ein Tabubruch, den viele Ratsmitglieder anfangs gar nicht mitgekriegt hatten.

Doch schon im Vorfeld der Ratssitzung am Donnerstag vergangener Woche war es in der CDU-Fraktion hoch her gegangen. Auslöser waren zwei Veranstaltungen, die die Dortmunder Frauenverbände gemeinsam mit dem städtischen Gleichstellungsbüro und der Evangelischen Kirche zum Thema Frauen gegen Rechtspopulismus im Dezember und im Februar im Rathaus veranstaltet hatten. Männer waren nur als Referenten, nicht als Teilnehmer zugelassen.

Fragenkatalog der AfD

Für AfD und NPD/Die Rechte handelte es sich jeweils um eine „einseitig polemisierende Anti-AfD-Veranstaltung“ und damit eine „Verletzung der staatlichen Neutralitätspflicht durch die Stadt Dortmund“, heißt es in ihren Vorschlägen zur Tagesordnung für den Rat. Die AfD will dazu einen ganzen Fragenkatalog beantwortet haben, NPD/Die Rechte wollte eine Resolution auf den Weg bringen. Der Rat sollte einseitiges Vorgehen verurteilen, „mit dem unter dem Deckmantel des ,Kampfes gegen Rechts' missliebige Parteien schikaniert werden“.

Das Einladungsfaltblatt zur ersten Veranstaltung war aufgrund einiger Formulierungen - etwa zur gleichgeschlechtlichen Ehe - auch innerhalb der CDU umstritten. Doch die Frauen der einzelnen Ratsfraktionen rückten nach der Kritik von Rechts zusammen. Sie wollten auch der städtischen Gleichstellungsbeauftragten, gegen die eine Dienstaufsichtsbeschwerde der AfD vorlag, den Rücken stärken.

Zwei Pole in der CDU

In der CDU-Fraktion gab es zwei Pole, so berichten Fraktionsmitglieder. Auf der einen Seite Justine Grollmann, die gleichzeitig Vorsitzende der Dortmunder Frauenverbände ist, und auf der anderen Seite Regine Stephan, die die Position der AfD vertrat. Laut Insidern „war fast die Hölle los“. Beiden legte die Fraktion nahe, sich in der Ratssitzung nicht zu äußern, es sei denn in Form einer persönlichen Erklärung, berichtet Fraktionschef Ulrich Monegel.

Während Vertreterinnen der anderen Fraktionen für die Veranstaltung gegen Rechtspopulismus das Wort ergriffen, schwiegen Grollmann und Stephan. Doch als die Resolution von NPD/Die Rechte zur Abstimmung aufgerufen wurde, hob Regine Stephan zustimmend die Hand. Als Fraktionskollegen sie anschließend zur Rede stellten, gab sie ihnen gegenüber an, sich vertan zu haben.

“Bisher wenig Auffälligkeiten“

Fraktionschef Ulrich Monegel hält sich zu der Sache bedeckt, will ihr aber nachgehen. Er beschreibt Regine Stephan auf Anfrage am vergangenen Mittwoch als „sehr liebenswerte, ältere Dame“, die schon mal konservative Positionen vertrete, aber „sonst sehr dezent“ sei. „Bis jetzt gab es wenig Auffälligkeiten.“

Was Monegel da noch nicht wusste: Regine Stephan hatte am vergangenen Dienstag, fünf Tage nach besagter Ratssitzung, einen Gastkommentar für die Online-Ausgabe des Compact-Magazins geschrieben. Das Monatsblatt gilt als Organ für Verschwörungstheoretiker und Sprachrohr der AfD- und Pegida-Anhänger. Dem Chefredakteur Jürgen Elsässer wird nachgesagt, unter anderem rassistische Positionen zu vertreten.

Unter der Überschrift „Der Kommunismus war nie wirklich weg, er hat sich nur versteckt“ schreibt Regine Stephan, ehemalige Geschichtslehrerin an der Gesamtschule Gartenstadt, in ihrem Gastkommentar unter anderem: „Den wenigsten Frauen heutzutage ist ja bewusst, dass ihre Anstrengungen um Gleichheit, Freiheit und Selbstverwirklichung nur geschickt getarnte kommunistische Parolen sind, um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören“. So habe sie „vor gar nicht langer Zeit“ einer Veranstaltung beigewohnt, „wo ahnungslose CDU-Frauen knallharte marxistische Redner gar nicht in Frage stellten, sondern artig beklatschten!!“

In der Fraktion „extrem umstritten“

Es ist naheliegend, dass sie die jüngste Veranstaltung der Frauenverbände meinte, bei der unter anderem der Philosoph und Autor Daniel Pascal Zorn über den „Umgang mit Rechtspopulisten“ gesprochen hatte.

Schon länger gelte Stephan parteiintern als „extrem umstritten“, heißt es innerhalb der CDU. Sie sei schon länger „auf dem falschen Trip“. Für den Dortmunder CDU-Kreisvorsitzenden Steffen Kanitz, der auch erst am Mittwoch von dem Gastkommentar bei Compact erfahren hatte, ist „eine Grenze überschritten“. Noch habe er mit Regine Stephan nicht sprechen können, um sie zu fragen, ob ihr klar gewesen sei, welches Medium sie für ihren Gastkommentar gewählt habe.

Doch selbstverständlich dürfe „eine Zeitschrift, die als Sprachrohr von AfD und Pegida gilt, niemals ein Refugium für CDU-Mitglieder sein. Das werden wir nicht tolerieren“, sagte Kanitz. Man könne über Stephans Haltung diskutieren, doch er bedauere ihre Wahl des Mediums, das nicht als sachlich bekannt sei, sondern als sehr einseitig. Die CDU-Spitze werde „sehr kurzfristig“ und „sehr ernsthaft“ das Gespräch mit Regine Stephan suchen und im Nachgang - auch ihres Abstimmungsverhaltens im Rat - Konsequenzen ziehen. Wie die aussehen werden, ließ Kanitz offen.

Entsetzen anderen Ratsfraktionen

Auch bei den anderen Ratsfraktionen hat ihr Verhalten Entsetzen ausgelöst. „Ich war erschüttert, als sie mit der NPD gestimmt hat“, sagt Martina Stackelbeck (Grüne), „man kann durchaus konservative Positionen vertreten, doch sie hat mit ihrem Verhalten erstmals eine Brücke geschlagen zwischen den demokratischen Fraktionen und der NPD.“ Stephan habe zudem ein nicht so geschmeidiges Frauenthema genutzt, „um Aufruhe in die einzelnen Parteien zu bringen.“

Ursula Pulpanek-Seidel (SPD) hat Regine Stephans Abstimmungsverhalten selbst nicht mitbekommen. Doch bisher habe niemand aus den Ratsfraktionen, selbst aus der AfD nicht, für die NPD/Die Rechte gestimmt: „Das ist absolut der Hammer, dass eine CDU-Frau das gemacht hat.“

Die Redaktion hätte Regine Stephan gern nach ihren Beweggründen gefragt, doch sie war trotz mehrfacher Versuche der Kontaktaufnahme über verschiedene Kommunikationswege nicht zu erreichen.