Gemeinsames Lernen

Dortmund liegt bei der Inklusion weit vorn

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Die Zahl der Kinder mit Förderbedarf, die eine Regelschule besuchen, ist hoch.

Die Zahl der Kinder mit Förderbedarf, die eine Regelschule besuchen, ist hoch.

Dortmund.  In Dortmund besuchen 45 Prozent der Kinder mit Behinderung eine Regelschule, mehr als im Landesdurchschnitt (42 Prozent). "Dortmund lag da schon immer weit vorn", sagt Schuldezernentin Daniela Schneckenburger. Doch es gibt noch einiges zu tun beim Thema Inklusion.

2336 Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf lernen in einer Regelschule, davon 1722 in der Sekundarstufe I. Nur noch 1711 Schüler gehen auf eine der 13 Förderschulen, die auf 16 Standorte verteilt sind. Seit dem Schuljahr 2014/15 haben behinderte Kinder das Recht auf gemeinsamen Unterricht. Das 9. Schulrechtsänderungsgesetz hat den Eltern die Wahlmöglichkeit eröffnet und ihr Recht gestärkt zu entscheiden, welches der beste Förderort für ihr Kind ist.

Und die Eltern in Dortmund, so Schuldezernentin Daniela Schneckenburger, entscheiden "wohlüberlegt": "Die Eltern prüfen sehr genau, welches die richtige Schule für ihr Kind ist. Sie tun das seit der Gesetzesänderung nicht mehr als Bittsteller mit dem Risiko, abgewiesen zu werden, sondern aus einer gestärkten Rechtsposition heraus." Ein inklusiver Schulplatz könne nun nicht mehr deswegen verweigert werden, weil die sächliche Ausstattung nicht zur Verfügung stünde.

Förderschulen nicht obsolet

Für Schneckenburger ist es kein Zufall, dass vor allem Förderschulen für Kinder mit Lernbehinderung leergelaufen sind. Dieses System lasse sich am ehesten mit dem der Regelschulen zusammenführen. Bei anderen Förderbedarfen sei das oft schwieriger. Es gebe jedoch umgekehrt keinen Automatismus, Förderschulen zu schließen. "Die Förderschule kann für manche Kinder der bessere Ort sein. Das wissen auch die Eltern", so Schneckenburger.

Dennoch halten Kritiker die Inklusion wegen ihrer teils mangelhaften Umsetzung für gescheitert. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) empfinden 41 Prozent der befragten Lehrer in NRW die Umsetzung der Inklusion als größte Belastung im Schulalltag - noch vor dem Lehrermangel (28 Prozent). Fehlen auch die Schulbegleiter? Oder das Geld dafür?

Um den finanziellen Rahmen auch für die Schulbegleitung zu sichern, habe das Land das Inklusionsfördergesetz verabschiedet, so die Schuldezernentin. Das stelle 25 Millionen Euro für bauliche Maßnahmen und zehn Millionen Euro für Schulbegleitung für ganz NRW bereit. Nach Ansicht der Kommunen reiche das aber nicht aus.

Kostendeckende Schulbegleitung

Mit dem Land, so Schneckenburger, sei deshalb durch die kommunalen Spitzenverbände vereinbart worden, mit wissenschaftlicher Begleitung des Wuppertaler Instituts für bildungsökonomische Forschung die Kostenentwicklung zu überprüfen. Die Schuldezernentin: "Wir sind jetzt im dritten Evaluationsjahr. Und Dortmund ist eine von sieben Referenzstädten." Der Prozess sei immens kompliziert und habe bisher zu dem Ergebnis geführt, dass das Geld für die baulichen Anpassungen ausreichend sei.

Allerdings stiegen die Kosten bei den Schulbegleitern, so Schneckenburger. Besonders an den Grundschulen wachse der Bedarf. "Das ist eine Finanzierungsaufgabe für die Kommunen, doch es zeichnet sich jetzt schon ab, dass das Geld an dieser Stelle nicht ausreicht." Man müsse, so Schneckenburger, mit der Landesregierung darüber verhandeln, die Schulbegleitung kostendeckend auszustatten.

Neue Konzepte gesucht

Gleichzeitig müsse die Stadt Konzepte finden, mit denen sich die Schulbegleitung finanziell im Rahmen halten lasse und die vor allem das Unterrichten mit zusätzlichen Personen im Klassenzimmer möglich machten. Vier Integrationskinder, für jedes ein Schulbegleiter in der Klasse und vorn die Lehrkraft, das könne zu schwierigen Situationen führen, meint die Schuldezernentin: "Daraus muss konzeptionell auch ein Ganzes geformt werden." In Dortmund habe man dafür eine Lösung: die Poolbildung. Also eine Inklusionsbegleitung für zwei, drei Kinder.

Dafür gebe es nun nach einer Gesetzesänderung eine gesicherte rechtliche Basis. Dortmund praktiziere diese Lösung bereits, sagt Schneckenburger. Solche Schulbegleiter müssten lernen, eine Gruppe von Kindern zu unterstützen und das System dadurch besser abzusichern. Schneckenburger: "Daran wird zurzeit gearbeitet." Es gelte, die geforderte Fachlichkeit zu definieren, Vertretungsregelungen zu organisieren und die Zusammenarbeit zwischen Schulbegleitung und Lehrenden abzustimmen, "damit nicht zwei Systeme nebeneinander stehen". Darum werde an einem fachlichen Rahmen für Schulbegleitung gearbeitet, ein Ergebnis sei bald zu erwarten.

Lernen, was Vielfalt bedeutet

Ziel sei ein Handlungsrahmen, bei dem sich Lehrkräfte und Schulbegleitung nicht nur ergänzen, sondern befruchten. Zudem müssten die Schulbegleiter zu einer Arbeitseinheit mit der sonderpädagogischen Unterstützung verschmelzen, die es stundenweise in den Klassen gebe.

"Wie das konzeptionell geht und wie die Finanzierungslücken geschlossen werden, - darüber muss das Land eine Einigung mit den Städten herbeiführen", fordert Schneckenburger.
Trotz kritischer Rückmeldung aus den Schulen zur Inklusion funktioniere sie an vielen Stellen "wirklich gut", sagt die Schuldezernentin. "Kinder unterstützen sich gegenseitig und lernen, was Vielfalt bedeutet."

Beim Unterrichtsausfall-Check ermittelt die Ruhr Nachrichten mit dem Recherchezentrum Correctiv die Zahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden an Dortmunder Schulen. Der Check, bei dem Lehrer, Schüler und Eltern mitmachen, geht den ganzen März weiter. Anmeldungen sind weiter möglich.