Dortmund. Fast jedes Wochenende räumen die "City Cleaners" in Dortmund auf. Am Sonntag war ein Obdachlosen-Camp an der Brackeler Straße das Ziel.
"Danke, dass ihr das macht. Echt." Christina hockt am sonnigen Sonntagmittag vor ihrem Schlafplatz auf dem Waldboden und beobachtet die ehrenamtlichen Müllsammler. Ihr Nachbar Dennis sitzt neben ihr. "Mein Mann macht gerade Mittagsschlaf", sagt sie und zeigt auf ein Zelt. Nur sein Fuß guckt raus. Alle drei sind obdachlos. Dennis lebt seit sechs Jahren hier im Wäldchen zwischen Bahngleisen und Brackeler Straße – Christina und ihr Mann kamen vor ein paar Monaten aus dem Saarlandviertel dazu. Irgendwo müssen sie ja wohnen. Hier stören sie niemanden, und niemand stört sie.
Nur der Müll, der stört. Aber die drei Dortmunder sind daran nicht ganz unschuldig: Es ist auch ihr Müll. Sie und ein paar andere (ständig wechselnde) Obdachlose haben ihn über die Jahre angehäuft. Aber es soll nicht noch mehr werden, beteuert Christina: "Wirklich! Wir haben uns Müllsäcke von der Stadt geholt. Da hinten ist unsere Müllgrube, das füllen wir dann um." Der gute Wille ist da, immerhin. "Aber ich finde das echt gut, dass ihr das wegräumt", sagt Christina nochmal und gönnt sich zwei Schluck. Erst Wodka, dann Orangenlimo.
"Essensreste sind viel schlimmer. Das stinkt bestialisch."
"Ihr" – das sind Heiko Jäger und seine Mitstreiter der "City Cleaners Germany, Ruhrgebiet Ost". Der große Müllhaufen im Wald neben der Schnellstraße sei ihm schon lange ein Dorn im Auge gewesen, sagt der 41-Jährige. Der Müll verteilt sich auf mindestens 100 Quadratmetern. Flaschen, Dosen, Wurstpackungen – und viele kleine Kuscheltiere. Direkt hinter der Leitplanke liegt noch ein Haufen. "Die Säcke wurden wohl nachts vom Hänger gekippt", vermutet er.
Mit Arbeitshandschuhen, Greifzangen und rollenweise Müllsäcken rücken sie der illegalen Halde zu Leibe. "Der Müll ist zumindest trocken und relativ sauber", meint Heiko. Heißt: Hier vergammeln keine Lebensmittel, sondern überwiegend Verpackungen. "Essensreste sind viel schlimmer. Das stinkt bestialisch." Bei einer Müllkippen-Aktion im August in Scharnhorst musste das Team ein paar Säcke im Wald lassen. "Das war so übel, da kam sofort der Brechreiz."
"Irgendjemand muss es ja machen."
Die meisten anderen Dortmunder haben diesen sonnigen Sonntag sicher anders verbracht. Im Freibad, im Zoo, im Kleingarten. Aber Heiko Jäger konnte für die Aufräum-Aktion am Rande der Nordstadt vier Helferinnen und Helfer aktivieren: Manuel (44) ist fast immer dabei, Diana (43) kam per Zufall über Facebook dazu, und Jägers Kollegin Julia (36) wurde auf der Arbeit gekapert und hat ihren Freund Dennis (33) mitgebracht. Sie sind zum ersten Mal dabei. "Irgendjemand muss es ja machen", meint Julia. Am Ende packen die Waldbewohner Christina und Dennis auch mit an und schleppen Säcke.
Fast jedes Wochenende räumen die City Cleaners in Dortmund auf, manchmal auch in umliegenden Städten. "Aber in Dortmund ist es am allerschlimmsten", meint Heiko. "Was hier alles rumliegt! In anderen Städten ist das mit Abstand nicht so viel." Woran das liegt weiß er nicht. Er weiß nur: "Wenn wir es nicht wegräumen, macht es niemand."
EDG: Ehrenamtliche ergänzen Arbeit des Entsorgungsbetriebs
Und die EDG? Wäre das nicht ihr Job? Specherin Petra Hartmann erklärt: "In diesem Fall wäre die Bahn verantwortlich, sofern es ihr Grundstück ist. Auch sonst sind die Zuständigkeiten oft nicht einfach zu klären." Denn auch auf städtischem Grund sei die EDG laut Satzung nicht automatisch zur Abfuhr verpflichtet. Mitunter sei das Ordnungsamt zuständig. "Es ist ja nicht so, dass wir keine illegalen Müllkippen entsorgen. Das tun wir wirklich oft genug."
Immerhin: Die EDG sponsert den "City Cleaners" die Utensilien. Das Team ist offizieller Müllpate der EDG – genauso wie 382 weitere Einzelpersonen, Vereine und Kitas in ganz Dortmund. Einige seien nur einmal im Jahr aktiv, andere räumen an bestimmten Orten jede Woche auf. Das stärke das ehrenamtliche Engagement und (gerade bei Kindern) das Bewusstsein fürs Thema Müll. "Unsere CleanKeeper ergänzen uns nur, ersetzen uns aber nicht. Sie bekommen Greifzangen, Müllsäcke und Handschuhe", erklärt Hartmann. Auch Aufkleber gibt's dazu, um gepackte Säcke am Straßenrand mit "...werden von der EDG abgeholt" zu markieren.
Auch am Sonntag stehen wieder Dutzende Säcke am Rand der Brackeler Straße, dazu ein Haufen Sperrmüll, den die Ehrenamtlichen zufällig gefunden und gleich mit entsorgt haben. "Die Sammelaktion war angemeldet, die EDG weiß, wo sie den Müll abholen muss", erklärt Heiko Jäger.
Jede Aktion der City Cleaners dokumentiert der "Feind des Mülls" auf Facebook und Instagram. Aber warum tut er sich das fast jedes Wochenende an? Hobby? Langeweile? Liebe zur Natur? "Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit", sagt der Dortmunder.
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