Zivilcourage

17-Jährige verhinderte Mord durch Messerstecher

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Mutig ging Saskia Jürgens gegen Messerstecher vor. Die Dortmunder Polizei dankte der 17-Jährigen und weiteren Bürgern für deren Zivilcourage als Zeugen.

Mutig ging Saskia Jürgens gegen Messerstecher vor. Die Dortmunder Polizei dankte der 17-Jährigen und weiteren Bürgern für deren Zivilcourage als Zeugen.

Foto: Peter Bandermann

Dortmund.  Mit Messern bewaffnete Männer haben auf bereits am Boden liegende Opfer eingestochen. Die Tat ereignete sich bereits im Februar 2017. Jetzt wurde bekannt: Eine mutige 17-Jährige ging dazwischen und rettete den Schwerverletzten das Leben. Andere Zeugen unternahmen nichts.

Auf den Mund gefallen ist Saskia Jürgens nicht: Als ihr am 26. Februar 2017 in Mengede zehn aggressive junge Männer entgegen kamen, sie anpöbelten und dann mit Messern auf am Boden liegende Opfer einstachen, sahen mehrere Zeugen tatenlos zu. Die 17-Jährige ging beherzt dazwischen und zerrte die Messerstecher zurück. Die Jugendliche ist ein Beispiel für Zivilcourage.

Saskia war auf dem Weg zu einer Haltestelle, als ihr die Männer entgegen kamen. "Die waren aggressiv zu mir und wollten wissen, wo irgendwelche Leute sind. Aber ich wusste von nichts und bin weiter gegangen." Dann rannten die späteren Täter weg. Wenige Sekunden später entdeckte die 17-jährige Waltroperin zwei am Boden liegende blutende Opfer, auf die weiter eingestochen wurde.

Die Messerstecher angeschrien

Statt wegzusehen oder davon zu laufen, ging Saskia Jürgens dazwischen, schrie die Messerstecher an und zerrt sie weg von den Schwerverletzten. Der Notarzt sagte später, dass die Opfer nach weiteren Messerstichen hätten sterben können. Angeschrien hatte Saskia nicht nur die Täter, sondern weitere Zeugen, die sie vergeblich aufgefordert hatte, ihr zu helfen: "Was seid ihr nur für Menschen?", rief sie ihnen zu. Vergeblich.

Aktenzeichen XY berichtet

Dank erhielt die mutige Jugendliche am Dienstag von Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange: "Sie haben zwei Menschenleben gerettet, einen Mord verhindert und als Zeugin an der Aufklärung einer schweren Straftat mitgewirkt." Die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" berichtete über diesen Fall von Zivilcourage am Mittwochabend. Nicht auszuschließen, dass die Waltroperin für ihren Einsatz in Dortmund einen weiteren Preis erhält. Dann auf Bundes-Ebene. Wie Saskia Jürgens den Vorfall erlebte, schildert sie hier:

Neben Saskia Jürgens zeichnete Polizeipräsident weitere mutige Bürger aus. Hier ihre Geschichten:

  • Clara Walsemann (22) und Laura Schreiter (22) verhinderten am 24. Mai 2017 auf einer Brücke über der Bundesstraße 54 einen Suizid. Auf dem Weg zu einer Party entdeckten sie einen Lebensmüden und verständigten sofort die Polizei. Der Mann wurde gerettet.
  • Nikolai Hering (25) verließ am 25. April 217 die Reinoldikirche in Dortmund und beobachtete drei Jugendliche, die "auf Verwüstungstour durch die Innenstadt" waren: Mit Messern zerschlitzten sie Fahrradsättel und Konzerthaus-Nashörner, sie warfen Schirme um und beschädigten weitere Gegenstände. Der 25-Jährige wählte den Notruf 110, hatte mehrere Minuten Kontakt zur Polizei und ermöglichte die Festnahme der Randalierer, die für 20 Sachbeschädigungen verantwortlich sind.
  • Davut Uygun (40) und Metin Özkaya (42) entdeckten in Lünen eine am Boden liegende Frau und sahen einen davonrennenden Mann. Ihn verfolgten sie über mehrere hundert Meter - und überwältigten den Räuber. Was sie störte: "Alle anderen standen nur herum, niemand hat geholfen." Die Polizei nahm den Handtaschen-Räuber fest.
  • Yvonne Bode (26) aus Dortmund und Anna vom Heede (23) aus Halver beobachteten am 20. Januar 2017 auf der Autobahn 46 in Richtung Hagen einen in Schlangenlinien fahrenden LKW-Fahrer. Der LKW stoppte. Die Frauen stiegen aus, kletterten ins Führerhaus, kontrollierten den Puls und stellten Lebensgefahr fest - ein medizinischer Notfall. Dann die Wiederbelebung. Polizeipräsident Gregor Lange: "Vielen Dank. Der Fahrer lebt."
  • Manuela Reinhardt (54) aus Köln und Andreas Pundt (44) aus Hilden kehrten am 6. Mai 2017 aus dem Urlaub zurück und machten eine kurz Rast auf der Autobahn 2. Auf der Auffahrt zur Autobahn torkelte ein Betrunkener umher, der die Fahrbahn überqueren wollte. Sie stoppten ihn (was nicht einfach war) und retten sein Leben, weil er sonst überfahren worden wäre.
  • Die Brüder Tim (6), Dominik (8) und Maurice (9) Poguntke aus Hörde beobachteten am 11. Juli 2017 einen Ladendieb, informierten das Personal, wurden ignorant weggeschickt, verfolgten den Dieb in Richtung Phoenix-See und gingen zur Polizei an der Faßstraße - "dann wurde der Mann geschnappt", sagte Tim. "Macht mal weiter so", lobte der Polizeipräsident.
  • Davide di Luma und Anton Zizek beobachteten am 18. Juni 2017 im Hauptbahnhof eine Schlägerei. Zwei Polizisten hatten alle Hände voll zu tun und mussten sich selbst verteidigen. Die beiden Sicherheitskräfte der Bahn gingen dazwischen und unterstützten die Polizisten, bis Verstärkung eintraf.
  • Birgit Wischhöfer (45) und ihre Tochter Alida (16) retteten am 1. Dezember 2016 an der Stadtbahn-Haltestelle Schulte-Rödding in Eving einer Sehbehinderten das Leben. Mit ihrem Stock tastete sich die Frau an der Bahn entlang, um die offene Tür zu finden. Als der Stock ins Leere traf, glaubte die sehbehinderte Frau, vor dem Eingang zur Bahn zu stehen, machte einen Schritt voraus - und stürzte hinab zwischen zwei aneinandergekoppelte Wagen. Mutter und Tochter zogen die Frau hoch, da fuhr die Bahn an und klemmte an der Bahnsteigkante ein Bein der verunglückten Frau ein. Die Retterinnen riefen um Hilfe, ein Passagier zog die Notbremse - im Polizeibericht steht: "Die Frauen haben den Tod verhindert."
  • Ünal Taylan (37) sprach am 5. Mai 2016 auf einer Brücke über der Autobahn 40 in Lütgendortmund einen Mann an, der hinunter springen wollte - weil er seine Frau und seinen Arbeitsplatz verloren hatte. "Das ist kein Grund", sagte Ünal Taylan und konnten den Mann im letzten Moment halten. Gregor Lange: "Auch Sie haben ein Leben gerettet."

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange überreichte den ausgezeichneten Bürgern am Dienstag eine Urkunde und ein kleines Geschenk. "Sie haben ihren Impulsen freien Lauf gelassen und Situationen erlebt, in denen man sagt: Da gucken wir nicht weg. Auf diese Menschen kommt es in unserer Gesellschaft an.