Bochum. Menschenraub, Geiselnahme, Lösegeld und Gewalt rund um einen Rockerclub: Das wird zwei Männern vor dem Landgericht Bochum vorgeworfen.
Dieser Bochumer Rocker-Prozess vor dem Landgericht Bochum ist besonders gesichert. Besucher müssen von Wachtmeistern ihren Ausweis fotokopieren lassen. Rocker-Abzeichen und Kutten sind verboten. Es geht um erpresserischen Menschenraub, Geiselnahme, äußerst brutale Gewalt, ein Lösegeld von 30.000 Euro und eine halsbrecherische Flucht aus einem fahrenden Auto.
Auf der Anklagebank sitzen ein 20-jähriger Duisburger und ein 40-jähriger Niederländer. Seit dem 5. Mai sitzen sie in U-Haft. Damals hatte die Polizei die beiden nachts in einem Peugeot in Bochum festgenommen, nachdem eine Geldübergabe zur Freilassung einer übel zugerichteten Geisel (29) gescheitert war.
Der Bochumer wurde brutal verprügelt und bedroht
Der Bochumer, ein Mann mit breitem Kreuz und kahlrasiertem Kopf, hatte seit Anfang dieses Jahres Kontakt zu einem Rockerclub im niederländischen Sittard, der auch eine Niederlassung (Chapter) in Duisburg haben soll. „Aus reiner Sympathie“, wie er den Richtern am Montag sagte, sei er mit einem Freund etwa zehnmal dorthin gefahren, um Spaß zu haben, Party zu machen. Die Sache endete ganz böse.
Experte- Rocker werden in NRW wieder stärker sichtbarLaut Anklage soll er am Abend des 4. Mai von zahlreichen Rockern sowie dem 20-jährigen Angeklagten vor dem Vereinssitz des Clubs minutenlang mit Schlägen gegen den Kopf misshandelt worden sein. „Ich wurde hochgradig bombardiert. Und gewürgt. Mir wurde schwarz. Dann wurde ich an den Beinen ins Haus gezogen.“ Dort sei er mit einer Pistole bedroht worden. „Patronen wurden vor meinen Augen auf den Tisch gekloppt.“
Bushaltestelle in Wattenscheid sollte der Übergabeort des Lösegeldes und der Geisel sein
Die angeblich kräftig gebauten Rocker sollen von dem stark blutenden Opfer, dessen Augen zugeschwollen waren, 30.000 Euro gefordert haben. Sonst würden sie ihn nicht gehen lassen. Im Prozess ist noch unklar, ob es um Schulden wegen Drogengeschäften (Marihuana oder Kokain in Ölform) oder wegen Sachbeschädigungen ging. Um das Geld aufzubringen, wurde laut Anklage gegen 22 Uhr der Bruder der Geisel in Wattenscheid angerufen; er solle das Lösegeld auftreiben, sofort. Die Summe soll dann auf 10.000 Euro runtergehandelt worden sein. Als Übergabeort wurde die Haltestelle Hohensteinstraße an der Steeler Straße in Wattenscheid-Leithe vereinbart.
Beifahrer fuchtelte mit einem Messer auf dem Beifahrersitz herum
Die Geisel wurde in Sittard auf den Rücksitz eines Peugeots gesetzt, um sie knapp 150 Kilometer weit nach Bochum zu fahren. Neben ihm saß der 20-jährige Angeklagte, als Bewacher, am Steuer der 40-jährige Angeklagte. Auf dem Beifahrersitz befand sich ein bis heute nicht ermittelter Mann mit einem Butterflymesser, dessen Klinge er bedrohlich auf- und zugeklappt haben soll.
An der Bushaltestelle erschien der Bruder aber nicht. Deshalb brauste der Peugeot mit der Geisel gegen 3.30 Uhr wieder davon. Nach wenigen Metern befreite sich der 29-Jährige, indem er von hinten nach vorne kletternd die Beifahrertür aufriss und rausspringen wollte. „Nicht anhalten! Gib Gas, Gas, Gas!“, soll der 20-jährige Angeklagte gerufen haben. Einige hundert Meter lang hing die Geisel, sich krampfhaft festhaltend, an der Außenkarosserie und verlor ihre Schuhe. Erst als das Auto langsamer wurde, sprang der Bochumer ab. Beide Fußsohlen waren schwer verletzt. „Ich stand barfuß auf dem Asphalt“, sagte er den Richtern. Außerdem erlitt er ein Schädelhirntrauma.
Einer der Angeklagten war Probemitglied im Rockerclub
Bereits um 1.30 Uhr war durch eine dritte Person aus Wattenscheid, die von der Erpressung erfahren hatte, die Polizei informiert worden. Diese nahm die jetzt Angeklagten an der Berliner Straße im Tatfahrzeug fest.
Beide Angeklagte erklären, an der Misshandlung der Geisel nicht beteiligt gewesen zu sein und auch nur unter Druck der Rocker ins Auto gestiegen zu sein. Der 20-Jährige war eigenen Angaben zufolge „Prospect“ in dem Club, ein Probemitglied. Der Prozess ist bis 10. September terminiert.
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