Bochum. Zwei Bochumerinnen leisten wertvolle Hilfe in Afrika. Der jüngste Militärputsch im Niger bereitet Sorgen. Was den Frauen dennoch Mut gibt.
„Wir machen weiter. Die Frauen haben es bitter nötig.“ Dr. Ingrid Farzin (75) und Regine Hellwig-Raub (68) verfolgen mit Sorge die dramatische Entwicklung im Niger. Seit zwölf Jahren finanzieren sie in dem westafrikanischen Land eine Selbsthilfegruppe für HIV-positive Frauen. Der jüngste Militärputsch, der etliche Todesopfer gefordert hat, werde sie in ihrer Arbeit nicht aufhalten, versichern die Bochumerinnen im WAZ-Gespräch.
Bochumer Hilfe im Niger: Hilfskampaagne begann mit Arztbesuch
Es begann mit einem Arztbesuch. 2008 ließ sich Dagmar Saschewag bei ihrer Hausärztin Dr. Ingrid Farzin durchchecken. Die Langendreererin erzählte von ihrem Beruf als Entwicklungshelferin in Afrika. „Ich war davon sehr angetan“, erinnert sich die Allgemeinmedizinerin. So sehr, dass sie auf einen Teil der Behandlungskosten verzichtete. „Das Geld sollte Frau Saschewag für ihre Arbeit in Afrika verwenden.“
Es dauerte drei Jahre, bis sich die Patientin wieder meldete: aus dem Niger, wo sie inzwischen für die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Einsatz war. Dagmar Saschewag berichtete der Ärztin von einem Verein namens AFAS, in dem HIV-positive Frauen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, medizinische Versorgung organisieren und sich um Aids-Waisen kümmern.
Monatlich 200 Euro helfen HIV-positiven Frauen und ihren Kindern
Hilfe zur Selbsthilfe sei in diesem bitterarmen Land überlebenswichtig, weiß Regina Hellwig-Raub, Ex-Patientin und langjährige Freundin von Ingrid Farzin: „Frauen mit HIV sind sozial geächtet, sogar innerhalb der eigenen Familie. Vielfach müssen sie sich mit ihren Kindern als Nomaden durchschlagen.“
Ingrid Farzin und Regina Hellwig-Raub beschlossen: „Wir müssen etwas tun.“ 2011 riefen sie eine Unterstützergruppe für AFAS ins Leben. Mit nachhaltigem Erfolg. Aus Spendengeldern und dem Erlös von Benefiz-Aktionen – etwa Flohmärkte, Musikveranstaltungen und Lesungen – werden seit zwölf Jahren monatlich 200 Euro für die Frauen im Niger bereitgestellt: bisher insgesamt fast 30.000 Euro. Bei der Organisation und Spenden-Abwicklung leistet die Bochumer Aktion Canchanabury, die sich gleichfalls in Afrika engagiert, logistische Hilfe.
Mikrokredite bedeuten für Frauen den Start in eine berufliche Existenz
2019 kam ein weiteres Projekt hinzu. Gleichfalls aus Spenden und Erlösen stellten die Bochumerinnen ein Mikrokredit-Programm auf die Beine. „Aktuell laufen 28 Verträge“, schildert Regina Hellwig-Raub. Die Kredithöhe von 100 Euro hört sich gering an. Doch den Frauen gelinge es damit, sich etwa mit einer Garküche oder Verkaufsständen eine Existenz aufzubauen.
Der Militärputsch vor einigen Wochen hat Ingrid Farzin, Regine Hellwig-Raub und ihre Mitstreiterinnen aufgeschreckt. Der gewaltsame Sturz des gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum hat den vom Westen als demokratischen Hoffnungsträger geförderten Niger in die Hände einer Militärjunta zurückgeworfen. Deutschland hat die Entwicklungshilfe eingestellt; die EU will Sanktionen gegen die neuen Machthaber auf den Weg bringen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) warnt vor wachsender Not im von islamistischer Gewalt destabilisierten Südwesten des Landes.
Kontaktmann: Frauen im Niger geht es „den Umständen entsprechend gut“
„Die politische Lage ist alarmierend. Wir sind inzwischen dennoch etwas beruhigt“, sagt Ingrid Farzin. Thomas Büttner, ein langjähriger Kontaktmann der Bochumerinnen im Niger, hat auf WAZ-Anfrage einen aktuellen Situationsbericht aus der Hauptstadt Niamey gemailt. Wichtigste Nachricht: Den mehr als 80 AFAS-Frauen gehe es „den Umständen entsprechend gut“. Der Alltag sei beschwerlicher geworden, protestierende Jugendliche machten die Straßen unsicher. Aber: Die Arbeit der Frauengruppe und der Mikrokredit-Unternehmerinnen funktioniere weitgehend „wie in normalen Zeiten“.
„Das gibt uns Mut und Zuversicht“, sagt Regine Hellwig-Raub. Die Hilfe geht weiter.
Infos auf www.canchanabury.de und per Mail an ingrid-farzin@mailbox.org
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