Tischtennis

TTC Vöde: In „Zum Bohrhammer“-Hinterzimmern fing alles an

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Eine Spielszene vom Benefizspiel des TTC Herne-Vöde mit „Special guests“ zugunsten der Ukrainie im April 2022: Vöde-Spieler Maxim Manevich (vorn) in einem Doppel mit Katharina Michajlova.

Eine Spielszene vom Benefizspiel des TTC Herne-Vöde mit „Special guests“ zugunsten der Ukrainie im April 2022: Vöde-Spieler Maxim Manevich (vorn) in einem Doppel mit Katharina Michajlova.

Foto: Bastian Haumann / FUNKE Foto Services

Herne.  Der TTC Herne-Vöde feiert am 23. September seinen 75. Geburtstag. Ein Rückblick mit Holzschlägern, Platten mit Gefälle und einer Buttercremetorte.

1948. Die Folgen des II. Weltkrieges sind überall noch zu spüren. Auch im Sport. Alles fehlte, von der Vereinsstruktur bis hin zu Plätzen, Hallen oder kleinen und großen Bällen. Doch Not machte erfinderisch.

So nutzten einige junge Männer in Vöde – in Herne eine Straße, ein Gebiet, fast schon ein kleiner Ortsteil – eine alte Holzplatte aus einer ehemaligen Flakstellung an der oberen Vödestraße, um an ihr Tischtennis zu spielen. Holz passte, denn auch die Schläger waren aus diesem Material, ohne dämmenden Schwamm oder Kunststoff, in der Luxusversion maximal mit aufgeklebten Noppen.

TTC Herne-Vöde: 1948 aus der Taufe gehoben

Eine andere Gruppe spielte zu dieser Zeit im Gesellschaftszimmer der Gaststätte „Zum Bohrhammer“ an der Ecke Flottmann-/Vödestraße. Schnell rauften sich beide Gruppen zusammen, um ihre gemeinsame Idee zu verwirklichen: die Gründung eines Tischtennisvereins. Der britische Stadtkommandant prüfte die politische Gesinnung der sieben jungen Männer und gab bedenkenlos grünes Licht. Am 23. September 1948 wurde der TTC Herne-Vöde aus der Taufe gehoben. Ein Verein, der bis heute den rasanten Sport mit den kleinen Bällen in Herne wesentlich mitgeprägt hat.

Ein Gründungsmitglied ist bis heute dabei

Ein Mann hat diese Ära mitgestaltet. Bis heute! Franz Kania gehörte zu den Gründungsmitgliedern und ist weiterhin gerngesehener Gast bei Spielen oder Vereinsfeiern. Mehr als eine Randnotiz: Der heutige 1. Vorsitzende des TTC, Matthias Köhn, zeichnete Franz Kania bei der Jubiläumsfeier im Juni mit einer Ehrenurkunde für 75-jährige Mitgliedschaft aus – selbst Vorsitzender war der heute 95-Jährige aber nie. 1948, zur Gründung, hätte er es werden können, doch da war er noch keine 21 Jahre alt und damit nicht volljährig, damals Voraussetzung für einen Vereinsvorstand.

Doch zurück zu den Anfängen: Die ersten Bälle flogen durch die Hinterzimmer der Gaststätte „Zum Bohrhammer“. Dort feierte der TTC auch sein Gründungsfest, bei dem, so steht es in den Vereinsannalen, „wir durch den Verkauf von 216 Eintrittskarten und die Verlosung einer Buttercremetorte ein halbes Jahr nach der Währungsreform den beachtlichen Überschuss von 131,50 D-Mark erwirtschafteten“.

Erst 1960 ging es in eine Sporthalle

Schnell wurde es dem wachsenden Verein dort aber zu klein. 1952 wechselte er ins „Haus Möller-Nobbe“ an der Vödestraße 84, wo die Gegner vor allem die „Platten mit Gefälle“ fürchteten. Erst 1960/61 zogen die Zelluloid-Künstler in eine Turnhalle in Bochum-Hiltrop um, 1968 dann weiter in den Gymnastikraum des ehemaligen Hallenbades am Berliner Platz (dort steht heute das Stadtwerke-Haus). Es begann eine Blütezeit des TTC Herne-Vöde: Die Mitgliederzahl wuchs, an den Platten standen Herren-, Damen- und Jugendmannschaften, und 1971 richtete der Club in Herne die Westdeutschen Meisterschaften aus – mit TT-Legenden wie Eberhard Schöler oder Wilfried Lieck.

1979 packte der Verein erneut seine Platten zusammen und zog in die neuerbaute Turnhalle an der Schillerstraße um. Dort wurde die Jugendarbeit forciert, erste Erfolge stellten sich ein. So vertrat 1986 Heike Neuhaus die Vöder Farben bei einer Deutschen Meisterschaft.

Auch im Seniorenbereich ging es steil nach oben: 1987 stiegen die Herren erstmals in die Verbandsliga auf, an den Platten standen über die Herner Stadtgrenzen hinaus bekannte Spieler wie Werner Kluger, Wolfgang Stachowiak, Kai Isensee oder Bernhard „Bernie“ Reckmeier. Es folgten Ab- und Aufstiege, 1997 gehörte die Vöder Sechs wieder der Verbandsliga an, 2003 gelang sogar der Aufstieg in die Oberliga, in der die Vöder vier Jahr mitmischen konnten. „Auch damals schon wurde den Spielern kein Geld aus der Vereinskasse bezahlt“, erinnert sich Reckmeier, „das war unsere Vereinsphilosophie. Und das ist sie auch heute noch. Wir zahlen nix“.

Bernie Reckmeier hat jetzt alle Mannschaften „durch“

„Heute noch“ ist auch Bernie Reckmeier dabei. Mit 70 Jahren hat er den Schläger noch nicht aus der Hand gelegt und unterstützt zurzeit die 6. Mannschaft in der 1. Bezirksklasse. „Damit habe ich jetzt alle Mannschaften in meinem Verein durch“, lacht der TT-Senior. „Ganz nebenbei“ führt er seit 39 Jahren (!) die Geschäfte des Clubs und kümmert sich um – „einfach alles“. Unterstützt wird er in seiner ehrenamtlichen Arbeit von vielen weiteren Mitgliedern, dadurch steht der TTC Herne-Vöde im Jubiläumsjahr auf gesunden Füßen. 110 Mitglieder zahlen ihre Beiträge, sechs Herren- und zwei Jugendmannschaften kämpfen um die Punkte. Anfang des Jahres 2023 wurde erstmals eine Hobbygruppe ins Leben gerufen.

Zurzeit die Nummer 1 im Herner TT-Sport

Gespielt wird mittlerweile in der Turnhalle am Jürgens Hof, zum großen Jubiläumsturnier wich der Verein in die Sporthalle der Wanner Gesamtschule aus. Auch sportlich stimmt es zum Geburtstag: Gleich vier Mannschaften feierten in der Saison 2022/23 Aufstiege, damit sind die Vöder zurzeit die Nummer 1 im TT-Sport in Herne und Wanne-Eickel.

Die gerade gestartete neue Saison begann für die „Erste“ in der Verbandsliga mit zwei Siegen. Ziel der Vöder ist die NRW-Liga – „aber weiterhin ohne finanzielle Zuwendungen“, verspricht Bernie Reckmeier. Dafür punktet der TTC mit einem außergewöhnlich großen Zusammenhalt zwischen den einzelnen Mannschaften, was für ein intaktes Vereinsklima sorgt. Mehr Informationen: ttc-herne-voede.de

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