Bergbau-Erinnerungen

„Hau rein!“: Ein Buch über den Alltag im Ruhrgebiet

| Lesedauer: 3 Minuten
Schon 1976 wurde die Verschmutzung der Luft aus einem Messwagen heraus gemessen.

Schon 1976 wurde die Verschmutzung der Luft aus einem Messwagen heraus gemessen.

Foto: Manfred Scholz

Essen.   Erinnerungen an Arbeit, Alltag und Leben im Ruhrgebiet: 78 Menschen aus der Region erzählen in einem Buch von ihren persönlichen Erlebnissen. 

Hau rein! – das ist im Ruhrgebiet die aufmunternde Aufforderung, sein Ding durchzuziehen. Oder sich am gedeckten Tisch den Bauch so richtig vollzuhauen. Oder als Verabschiedung: ein „Tschüss“, das noch aus dem Bergbau stammt und das es so wohl nur hier gibt.

Hau rein! – das ist auch der Titel eines Buches, in dem 78 Menschen aus der Region ihre Erfahrungen von ihrem Alltag in Zechen-Zeiten erzählen. Es ist das Ergebnis des siebten Geschichtswettbewerbs im Ruhrgebiet, für den 323 Teilnehmer ihre Erinnerungen eingeschickt haben. Das Netzwerk Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e.V. hat sie zum Nachlesen zusammengefasst. Denn was bis heute Gegenwart war, ist schon bald Geschichte. Woran die Menschen sich erinnern, klingt zum Beispiel so:

Die Kohle war das Wichtigste

„Nächtens bei Gewitter gab es kein Pardon: raus aus den Betten, eine Kerze auf den Tisch, damit der Blitz nicht in die elektrische Leitung einschlagen konnte, und ausdauerndes Gebet. ,Herr, verschone dieses Haus!’“

„Die Kohle war das Wichtigste, was wir hatten. Damit wurde im Winter geheizt und das ganze Jahr über gekocht. [...] Und noch heute bewundere ich die Frauen und Mütter, wie sie ohne Elektroherd oder Mikrowelle für uns „aus nichts“ das leckerste Essen auf den Tisch brachten.“

„Hauer Hannes zum Berglehrling: ,Wenne schon nich schüppen kannst, dann versuchet mal mit rappeln.’ Ich jagte den Abbauhammer in den Stoß [...]. Es kam nicht mal ein schäbiger Krümel.“

„Kleidung war in Kategorien eingeteilt: „für gut“, „für jeden Tag“, „für draußen“ und „für nachts übern Hof“.

„Wir mussten uns unter einen Höhensonnestrahler legen, denn der schwarze Himmel über dem Ruhrgebiet ließ wenig Sonne durch. Meine Mutter putzte in der Woche ein paar Mal die schwarzen Fenster.“

„Gegenüber von Omma und Oppa wohnte Frau Schulte. [...] Die kam jeden Sonntag um die gleiche Uhrzeit aus ihrem Haus heraus. Dann saßen Oppa, Omma und ich am Frühstückstisch und blickten durch die luftige Gardine auf die Tomsonstraße in Rotthausen. „Oh, feingemacht, braunet Kostüm, und Hut mit Feder dran“, moserte Opa. „Und anne Füße Schuhe wie Kohlenbriketts“ lästerte Omma.

„Eigentlich war ich seit 1963 nur im Streckenvertrieb, es war richtig hart! Meine Bronchien sind zu. Meine Arme schmerzen von den Fingern bis zu Schulter.“

„Der Duft von Kohle [...], Schwefel, Benzol und Teer bleibt nicht nur in den Haaren und den Fasern der Kleidung, sondern auch im Herz.“

„1986 wurde mir der Vorschlag gemacht, zu kündigen. Fünf Jahre ging ich zum Arbeitsamt stempeln. Heute bin ich schon lange Rentner, doch immer noch Bergmann, und das wird auch so bleiben. ,Glück auf’.“

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