Schloss Dyck

Das Ende der Bibliothek von Schloss Dyck

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Schloss Dyck in Jüchen. Rund um das Barockschloss gibt es auf 70 Hektar verschiedene Gärten zu sehen. Hier ein Blick auf das Schloss aus dem englischen Garten.

Schloss Dyck in Jüchen. Rund um das Barockschloss gibt es auf 70 Hektar verschiedene Gärten zu sehen. Hier ein Blick auf das Schloss aus dem englischen Garten.

Foto: Joachim Kleine-Büning

Jüchen.   Die Bestände der adeligen Sammlung von Schloss Dyck waren ein einmaliger Kulturschatz. Inzwischen ist der wertvollste Teil verloren.

Am 13. Juni 1958 verstarb Franz Josef, Fürst und Altgraf von Salm-Reifferscheidt, Herr auf Schloss Dyk. Das Ableben des Altgrafes markierte über das persönliche Schicksal hinaus das Ende einer langen Ära. Seit 1394, mithin über ein halbes Jahrhundert hinweg, hatte die Familie des Fürsten aus dem hause Reifferscheidt in wechselnden Linien, aber in ununterbrochener männlicher Folge die Schlossherren von Dyck gestellt.

Am 11. März folgte ihm seine von der Bevölkerung liebe- und respektvoll „Fürstin Cecilie“ genannte Gattin in den Tod. Damit wurde die Frage des Erbes akut. Über ihren letzten Willen hatte Altgräfin Cecilie Außenstehende stets im Unklaren gelassen.

Mit dem Tod von Fürstin Cecilie ging auch der wichtigste Teil des Kulturschatzes von Schloss Dyck verloren

Ende des Jahres 1991 kursierten erstmals vage Gerüchte über eine mögliche Veräußerung der Waffensammlung, die materiell zweifellos den wertvollsten Teil des Schlossinventars darstellte. Aber erst am 7. Januar 1992 erfuhr das Kultusministerium des Landes Nordrehin-Westfalen auf Nachfrage von dem mit der Erbschaftsregelung beauftragten Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Flehinghaus, dass die Waffensammlung bereits in aller Stille außer Landes nach London zum Versteigerungshaus Christie’s gebracht worden sei.

Kreisdirektor und Kulturdezernent Dieter Patt erbat nun am 10. Februar von Dr. Flehinghaus nähere Details zur geplanten Versteigerung der Waffensammlung. Eher beiläufig beendet er sein Schreiben: „Ebenso bitte ich um Mitteilung, falls eine Veräußerung weiterer Einrichtungen von Schloss Dyck (z.B. Bibliothek) geplant sind.“

Die Antwort vom 19. Februar war ernüchternd, ja niederschmetternd. Für die Versteigerung der Waffensammlung war bereits unwiderruflich ein Auktionstermin für den 15. April anberaumt. Was die Bibliothek angehe, so habe das Kölner Auktionshaus Venator & Hanstein am 10., 11. und 17. Januar eine „vertrauliche“ Besichtigung und Bewertung vorgenommnen. Nach ihrer Schätzung belaufe sich der Umfang auf circa 10000 Bände, die bei einer Versteigerung „wenigstens eine Million Deutsche Mark“ erbringen sollten.

Eine mittelalterliche Handschrift wurde an die Universitätsbibliothek Münster verkauft

Allerdings war das wertvollste Einzelstück, eine Handschrift des mittelalterlichen Epos „Reineke Voss“ , schon für über eine Million D-Mark an die Universitätsbibliothek Münster verkauft worden.

Gravierender noch war das Ultimatum: Wenn der Kreis die Bibliothek geschlossen erwerben wolle, so müsse ein verbindliches Angebot bis zum 20. März 1992 eingehen; danach ziehe die vertraglich vereinbarte Option von Venator & Hanstein.

Auf diese Mitteilung setzte eine rege, teilweise hektische Betriebsamkeit der Kreisverwaltung ein, um das fast Unmögliche möglich zu machen, nämlich die Bibliothek für den Kreis Neuss zu erhalten. Angesichts des engen Zeitfensters und der fehlenden Kreismittel eigentlich eine Utopie, doch Kreisdirektor Patt als Motor ließ nichts unversucht.

Der Kreisarchivar suchte zu bewahren, was möglich war

Zunächst beauftragte er den Kreisarchivar mit einer persönlichen Autopsie der Bestände, die am 24. Februar erfolgte. Sie zeigte, dass der wertvollste Teil der Bibliothek sehr sachgemäß in drei Sälen des Südflügels gelagert war. Ein weiteres Drittel befand sich im so genannten Stallhof der inneren Vorburg. In seinem Gutachten taxierte der Kreisarchivar den Umfang auf deutlich über 10.000 Werke und betonte den enzyklopädischen Charakter des Gesamtbestandes.

Das Fazit ist noch heute gültig und sei deshalb noch einmal wiederholt: „Bedeutender (als die bibliophilen Kostbarkeiten) erscheint mir allerdings der kulturgeschichtliche Wert der Schlossbibliothek Dyck. Über rund ein halbes Jahrtausend ist das Schloss in Besitz derselben Familie geblieben. In dieser langen Zeit ist die Bibliothek organisch gewachsen und nahezu komplett erhalten geblieben. An ihrem Beispiel lassen sich deshalb musterhaft der geistige Horizont sowie die Bildungs- und Erziehungsideale einer Familie des rheinischen Hochadels ablesen.“

Der Kreis konnte die finanziellen Mittel für die Schlossbibiliothek nicht aufbringen

Auf Basis des positiven Gesamturteils des Gutachtens hat Kreisdirektor Patt energische Bemühungen zur Finanzierung gestartet. Zunächst ist es ihm geglückt, die Erbengemeinschaft zur Reduzierung ihrer Preisvorstellung von ursprünglich 1,4 Millionen auf 950.000 D-Mark zu bewegen.

Aber auch die Summe von 95.0000 DM war ohne die Erbringung erheblicher Drittmittel illusorisch. Genauso utopisch war es, genügende Fremdmittel innerhalb der verbleibenden Frist von 14 Tagen zu requirieren.

Immerhin: Einige bedeutende Werke zur Landesgeschichte konnten doch auf Schloss Dyck bleiben

Am Ende des Tages stand jedenfalls das bedauerliche Fazit, dass die Schlossbibliothek für den Kreis verloren war. Bereits Ende März begann der Abtransport der Werke nach Köln zu Venator & Hansein. Das „alle Erwartungen übertreffende“ Interesse an der Bibliothek riss nun die Kulturverantwortlichen im Kreis aus ihrer zwischenzeitlichen Lethargie. Wieder war es Kreisdirektor Patt, der sich energisch bemühte, jetzt zumindest für die Versteigerung der zweiten Tranche der Bibliothek nennenswerte Drittmittel zu akquirieren.

Sie wurden gezielt schwerpunktmäßig eingesetzt zur Ersteigerung von Werken der rheinischen Landeskunde und Standardwerken der allgemeinen Kulturgeschichte. Zusammen mit einzelnen Objekten der ersten Auktion bilden sie seitdem einen geschlossenen Verband innerhalb der Bibliothek des Kreisarchivs in Zons.

Jahrbuch für den Rhein-Kreis-Neuss:

Kreisheimatbund Neuss (Hg.), Jahrbuch für den Rhein-Kreis Neuss 2017, 304 Seiten, Klartext Verlag, Essen, 12 €;
www.klartext-verlag.de

Aus dem Inhalt – Stephen Schröder: Gestaltwandel: Die Landkreise Grevenbroich und Neuss im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert; Rene Lehnen: Der Strategische Bahndamm zwischen Neuss und Rommerskirchen. Teil einer nicht realisierten wirtschaftlich-militärischen Streckenverbindung

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