Das etwas andere Holland

Spezialbier made in Nimwegen - Roadtrip durch das Gelderland

| Lesedauer: 9 Minuten
Hanseatisches Flair am Lindenberghaven in Nimwegen. Das Hausboot Opoe Sientje ist Bed & Breakfast, Museum und Café in einem. Auch ein kleiner Sandstrand gehört dazu.

Hanseatisches Flair am Lindenberghaven in Nimwegen. Das Hausboot Opoe Sientje ist Bed & Breakfast, Museum und Café in einem. Auch ein kleiner Sandstrand gehört dazu.

Foto: Petra Schulze Göcking

Gelderland.   Die NRZ-Serie „Lekker weg“ stellt die Provinz Gelderland einmal näher vor. NRZ-Leser können Karten für das Niederländische Wassermuseum gewinnen!

Ungläubig stehen wir vor dem Gatter. Sollen wir wirklich darüber klettern? Ist das tatsächlich erlaubt? Doch der Wegweiser ist eindeutig. Wir sind unterwegs auf der „Struinroute Moringerwaarden“, einer echten Streunerroute, die durch das sogenannte Rivierenland, an der Maas und dem Wassersportgebiet De Gouden Ham entlang führt – und über Zäune, Brücken, Tore.

Na gut, kleine Tritthilfen machen das Abenteuer ein wenig komfortabler. Wir hören Enten, Wildgänse, und ein lautes – Muh?! Grasen hier umringt von Wasser etwa Rinder? Plötzlich stehen sie vor uns: feuerrote Kühe mit ihren Kälbchen – eine äußerst seltene Rasse!

Unter den neugierigen Augen der Wiederkäuer gehen wir weiter, und kommen am Fähranleger vorbei. In den Sommermonaten fährt hier „Pontje Ham“, eine Fußgängerfähre, mit der man einfach ans andere Ufer übersetzen kann. Doch der Sommer ist vorbei, und so nehmen wir selbst die Füße in die Hand. Am Ziel wartet ein Lachsbrötchen im Restaurant Moeke Mooren auf uns. Und die Erkenntnis, dass Herumstreunern nicht nur spannend, sondern auch entspannend ist. Hungrig macht es sowieso.

Die „Tuinen van Appeltern“ – größter Gartenideenpark Europas

Einige Kilometer weiter: die „Tuinen van Appeltern“ (Gärten von Appeltern). Über 200 Gärten sind es, um genau zu sein. Zusammen mit dem nationalen Staudengarten bilden sie den größten Gartenideenpark Europas. Wir wandeln unter dicht bewachsenen Lauben, riechen an frischen Kräutern, setzen uns ins Strandhäuschen und saugen die schier unbegrenzten Inspirationen auf.

Theoretisch könnten wir uns noch mit der Ziehfähre zum Naturspielplatz fahren lassen. Doch wir sind nicht sicher, ob die Fähre unserem Gewicht standhält. Und außerdem wartet das nächste Ziel auf uns: eine Brauerei in Nimwegen. Soso. Holländer und Bier brauen? Spezialbiere made in Nimwegen „Wir brauen hier Spezialbiere nach belgischer Art“, erklärt Gert van Halen, als er uns in seiner Brauerei Het Vaghevuur in Nimwegen willkommen heißt. „Die Deutschen können Pils, das haben sie mit ihrem Reinheitsgebot perfektioniert. Unser Bier ist anders.“

Biere mit dem besonderen Twist, veredelt mit Koriander und Orangen

Auf offenem Feuer und in großen Kesseln kreiert van Halen Biere mit dem besonderen Twist, veredelt mit Koriander, Orange und anderen aromatischen Zutaten. Gelernt hat er die Braukunst, natürlich, in Belgien. Sein Wissen gibt er in Workshops weiter, bei denen die Teilnehmer ihren eigenen Gerstensaft herstellen, und zwischenzeitlich auch Biere aus dem Sortiment verkosten dürfen.

Darüber hinaus wird für Auftragskunden gebraut. „Eigentlich ist Bier brauen wie kochen: Es kommt auf die genaue Abstimmung der Zutaten an“. Dass van Halen etwas vom Kochen beziehungsweise Bierbrauen versteht, dürfen wir schließlich selbst testen. Wir probieren ein zehnprozentiges Triple-Bier, mit Rosinen verfeinert, köstlich – und ziemlich stark … wie gut, dass man anschließend gleich nebenan, in der Stadtbrauerei De Hemel, deftig speisen kann – eine gute Grundlage für die selbstgebrauten Tropfen.

Höchste Zeit, die Koje zu beziehen. Und das ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen. Denn am Lindenberghafen in Nimwegen wartet das Hausboot „Opoe Sientje“ auf uns. Ein alter Klipper aus dem Jahre 1885, das wohl älteste Frachtschiff Gelderlands, und heute ein ungewöhnliches Bed Breakfast.

Das orientalische Honeymoon-Zimmer à la 1001 Nacht

Da ist das orientalische Honeymoon-Zimmer à la 1001 Nacht. Die Kabine, in der man sich buchstäblich in einem kleinen Fischerboot bettet. Und die einstige Skipperwohnung, die originalgetreu restauriert wurde und unser heutiges Nachtquartier ist. Die große Freiheit Am nächsten Morgen treffen wir uns zum Frühstück mit Leon Berkers. Er ist der Besitzer von Opoe Sientje. Ein Freigeist mit langem Haar und Drei-Tage-Bart, der mit seiner Familie nebenan auf dem Hausboot „Orca“ wohnt, und sich nicht mehr vorstellen kann, in einer Mietswohnung zu leben. „Auf dem Hausboot sind wir frei. Wenn wir wollen, können wir einfach losfahren, und dort festmachen, wo es uns gefällt.“

Bevor er Opoe Sientje vor einigen Jahren gekauft und restauriert hat, gehörte das Schiff einer Dame namens Clasiene. Von ihren Enkeln wurde sie „Opoe Sientje“ genannt. Ein Koseruf, der zum Namensgeber für den Klipper wurde. Nur wenige Schritte vom Hafen entfernt satteln wir auf Elektro-Roller um. Diese können bei „Nijmegen Actief“ ausgeliehen werden, ebenso wie Fahrräder, E-Bikes, Mountainbikes und Tretroller. Wer sich nicht nur auf zwei Rädern durch Nimwegen und Umgebung bewegen, sondern auch etwas über die Stadt erfahren möchte, bucht eine geführte Tour.

Mit dem Tourguide Harold geht es über Brücken, Radwege und Deiche

Das machen wir auch: Mit unserem Tourguide Harold geht es über Brücken, Radwege und Deiche, immer am Wasser entlang. Wir erfahren mehr über die Brücke „De Oversteek“, die sich seit 2013 wie eine Harfe über den Fluss schwingt. Und über die neue, künstlich geschaffene Insel Veur-Lent, die mit ihren Sandbuchten ein beliebter Treffpunkt für kleine Stadtfluchten geworden ist. Immer wieder Neues wagen – das scheint typisch für Nimwegen zu sein.

Auch in der ehemaligen Honig-Fabrik am Waalufer setzt man auf dieses Prinzip. Wo früher Pasta und Bouillons produziert wurden, findet sich heute eine Spielwiese für Künstler, Start-Ups, Clubs und Cafés. Ein schöner Ort für eine Kaffeepause, und schon sausen wir weiter – mit Wind in den Haaren, der Herbstsonne entgegen. Alles fließt.

<< „LECKER WEG“ – REISEGESCHICHTEN AUS DEM ANDEREN HOLLAND!

Nah dran und doch ganz anders: Die niederländische Grenzprovinz Gelderland ist nur wenige Kilometer vom Niederrhein entfernt, bei vielen Menschen aus Nordrhein-Westfalen aber noch weitgehend unbekannt. Was ist so anders an diesem „anderen Holland“ und was gibt es zu erleben?

Die neue NRZ-Serie bringt Licht ins Dunkel. In sechs Reportagen stellt sie besondere Orte, Menschen und Geschichten aus der Grenzregion vor – echte Geheimtipps inklusive. Weitere Informationen auf www.dasandereholland.de

<< GEHEIMTIPPS VON LEON BECKERS

Geheimtipps von Leon Berkers, Besitzer des Hausboots „Opoe Sientje“:
Wandern entlang der Waal: Von der Waalkade, Nimwegens Uferpromenade, führt eine kleine Wanderbrücke direkt zu kleinen Sandbuchten und üppiger Natur. Tuchfühlung mit grasenden Wildpferden nicht ausgeschlossen! Eine Deich-Radtour von Kleve nach Nimwegen, an Rhein und Waal entlang. Wer es noch urwüchsiger und einsamer mag, fährt von Nimwegen am Fluss entlang Richtung Beuningen. Einkehr auf der Sonnenterrasse von „Opoe Sientje“. Mit herrlichem Blick aufs Wasser und die Waalbrücke. Wer mag, kann auch einen Blick in das Innere des Hausboots werfen. Hier sind einige historische Fundstücke aus der Schifffahrt ausgestellt.

Freikarten für das Niederländische Wassermuseum in Arnheim zu gewinnen 

„Alles fließt“ – so lautet auch das Motto im Niederländischen Wassermuseum in Arnheim. Hier dreht sich alles um das nasse Element und seine Bedeutung für Mensch und Natur. Ein wichtiges Thema, gerade auch für unser Nachbarland: Weite Flächen Hollands liegen nämlich unter dem Meeresspiegel. Im „Watermuseum“ lernen wir, was bei Hochwasser zu tun ist und wie Land gewonnen werden kann. An einem interaktiven Bildschirm rechnen wir unseren alltäglichen Wasserverbrauch aus – und erfahren, wie wir künftig Wasser einsparen können. Nebenan wartet die Wolkenmaschine auf unsere Mithilfe, und im Waterlab und der Shampoofabrik werden wir zum Wasserprofessor. Pluspunkt: Die einzelnen Stationen sind auch in deutscher Sprache erklärt. Von unserem Ausflug haben wir vier Freikarten mitgebracht, die NRZ-Leser jetzt gewinnen können. Einfach bis Mittwoch, 19. Oktober eine E-Mail mit dem Betreff Wassermuseum an regiodesk@nrz.de schicken und mit etwas Glück gehören die Freikarten Ihnen.

Die Holland-Reporter. Sie nehmen die Grenzregion genauer unter die Lupe

Die Holland-Reporter Ursula Weber, Maike Schober und Petra Schulze Göcking studierten Niederlande-Deutschland-Studien in Münster und Nimwegen. Auf ihrem Roadtrip durch Gelderland nehmen sie die niederländische Grenzregion etwas genauer unter die Lupe – und tauschen ihr Auto dafür schon mal gegen Wanderschuhe, Elektro-Roller und eine Hausboot-Koje ein.

Weitere Fotos zum Roadtrip durch das andere Holland finden Sie auf instagram

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