Parlamentswahl

Italien: Chef der Lega Nord erhebt Anspruch auf Regierung

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Lega-Chef Salvini: Wir wollen regieren

Lega-Chef Salvini: Wir wollen regieren

Das Rechtsbündnis hat mit rund 37 Prozent der Stimmen gute Chancen auf die Macht in Italien, braucht aber Koalitionspartner.

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Rom  Politisches Erdbeben in Italien: Die 5-Sterne-Bewegung wurde bei der Wahl stärkste Partei. An die Regierung drängt aber ein anderer.

Der Chef der fremdenfeindlichen Lega, Matteo Salvini, hat das Mitte-Rechts-Bündnis zum Sieger der Parlamentswahl in Italien erklärt und Anspruch auf die Regierung erhoben. „Wir haben das Recht und die Pflicht zu regieren“, sagte Salvini am Montag.

Europa müsse neu errichtet werden, und zwar um die Menschen herum und nicht um die Bürokratie. „Wir sind in Europa, aber wir wollen ein anderes Europa.“ Die Märkte hätten nichts zu befürchten, sagte Salvini, der sich im Wahlkampf als EU-kritisch präsentierte und angekündigt hatte, rund 600.000 Migranten zurückzuschicken. Zugleich bezeichnete er den Euro als eine „grundfalsche Währung“. Ein Referendum über den Euro nannte er aber undenkbar.

Nach Auszählung von rund drei Viertel der Wahlbezirke hat die Lega mit gut 18 Prozent die Forza Italia von

. überrundet (knapp 14 Prozent). Der Mitte-Rechts-Block kommt insgesamt auf 37 Prozent, verfehlt aber die nötige Anzahl der Mandate, um eine Regierung bilden zu können.

Berlusconi durfte nicht selbst antreten

Der dreifache Ex-Ministerpräsident Berlusconi darf nach einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung bis 2019 kein öffentliches Amt bekleiden. Der 81-Jährige schickte den derzeitigen EU-Parlamentspräsidenten

ins Rennen.

Vollkommen unklar ist bislang, wer in Italien künftig das Ruder übernimmt. Stärkste Partei wurde die Fünf-Sterne-Protestbewegung, die bei rund 32 Prozent liegt und vor allem im Süden Italiens enormen Zulauf bekam. Aber auch der Partei von Spitzenkandidat Luigi Di Maio fehlt es für eine Mehrheit.

Renzi steht als Chef der Sozialdemokraten auf der Kippe

Die regierenden Sozialdemokraten PD von Parteichef Matteo Renzi mussten mit unter 20 Prozent eine historische Niederlage einstecken. Renzi hat nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa bereits entschieden, als Chef PD zurückzutreten. Sein Sprecher wollte das zunächst allerdings nicht bestätigen. „Uns ist das nicht bekannt“, sagte er der Nachrichtenagentur Adnkronos. Renzi werde sich aber am Montagnachmittag äußern.

Italien-Wahl: Fünf Sterne und Berlusconi-Bündnis klar vorn
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Auch im Senat, der ebenfalls am Sonntag gewählt wurde, zeichnet sich keine eindeutige Mehrheit ab. In der kleineren der beiden Parlamentskammern dürfte ebenfalls die Fünf-Sterne-Bewegung die meisten Sitze erhalten, aber auch hier die Mehrheit verfehlen. Für eine Regierungsmehrheit im Parlament muss eine Partei oder ein Bündnis auf mindestens 316 von insgesamt 630 Sitzen in der Abgeordnetenkammer kommen und im Senat mindestens 158 von 315 Sitzen gewinnen.

Neue Probleme für Italien

Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus, Ettore Rosato, kündigte den Gang in die Opposition an, sollten sich die Zahlen bestätigen. Die Fünf-Sterne-Bewegung bezeichnete die Wahl als Triumph. „Jetzt muss jeder zu uns kommen und mit uns reden“, sagte Alessandro Di Battista, ein führender Politiker der Partei.

Das einst strikte Nein zu Koalitionen hat Parteichef Luigi Di Maio zwar aufgeweicht, blieb dabei aber vage. Experten zufolge ist es fraglich, ob ein Bündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung zu erreichen ist. Die Schlagzeile der ersten Ausgabe der Zeitung „La Stampa“ lautete dementsprechend: „Di Maio gewinnt, Italien unregierbar.“

Die rechtspopulistische Lega bezeichnete die Wahl als historisch für die Partei. Für den Fall einer ausreichenden Mehrheit könnte sie somit den Ministerpräsidenten stellen. Die beiden Parteien hatten im Vorfeld erklärt, das dies dem stärkeren Partner zufalle.

Parlamentswahl in Italien mit einigen Unbekannten und mit alten Bekannten
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Stimmzettel falsch gefaltet

Das neue Wahlrecht, falsche Stimmzettel und verstärkte Sicherheitsüberprüfungen hatten bei der

zu zeitweiligem Chaos geführt. Vor vielen Wahllokalen im ganzen Land hatten sich am Sonntag lange Schlangen gebildet.

In der sizilianischen Hauptstadt Palermo öffneten 200 Wahllokale verspätet, weil fehlerhafte Stimmzettel neu gedruckt werden mussten. „Wir bedauern die Schwierigkeiten für die Wähler“, sagte Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando. „Aber dieses neue (Wahl-)Gesetz hat auch in anderen Teilen Italiens erhebliche Probleme verursacht.“

„Mich beunruhigt die die Situation in Palermo sehr“, zitierte die italienische Nachrichtenagentur Ansa Senatspräsident Pietro Grasso. Andere sprachen von „dilettantischen Fehlern, die für eine normale Demokratie inakzeptabel sind“. Manche mussten in die Wahlkabine zurück, weil sie den Stimmzettel nicht richtig gefaltet hatten.

Offizielle Ergebnisse erst am Montagvormittag erwartet

In Rom wurden in einem Wahllokal die Namen von Senatoren und Abgeordneten falsch aufgeführt und 36 ausgefüllte Stimmzettel kurzerhand aus der Wahlurne genommen. Die 36 Wähler sollten noch einmal zurückkehren und neue, jetzt richtige Stimmzettel ausfüllen. Die Bürgermeisterin der Hauptstadt rief die Wähler auf, angesichts der oft langen Wartezeiten rechtzeitig zu erscheinen – mindestens eine Stunde vor Schließung der Wahllokale.

Die rund 46 Millionen Wahlberechtigten in Italien konnten bis 23 Uhr ihre Stimme abgeben. Etwa 4,2 Millionen Auslandsitaliener konnten vorher abstimmen. Ein offizielles Ergebnis wird erst am Montagvormittag erwartet. (dpa/rtr)

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