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Vereinigte Staaten: Unterschiede zum deutschen Wahlsystem

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In den USA wird am 3. November gewählt, in Deutschland im kommenden Jahr. Was sind die Gemeinsamkeiten, was sind Unterschiede?

In den USA wird am 3. November gewählt, in Deutschland im kommenden Jahr. Was sind die Gemeinsamkeiten, was sind Unterschiede?

Foto: Marius Schwarz / imago/Marius Schwarz

Berlin.  Alle vier Jahre wird in den Vereinigten Staaten der Präsident gewählt. Dabei gibt es einige Unterschiede zum deutschen Wahlsystem.

Alle vier Jahre wählen die Amerikaner ihren Präsidenten. In Deutschland ist das Staatsoberhaupt länger an der Macht: Erst nach fünf Jahren endet die Amtszeit des Bundespräsidenten. Worin unterscheiden sich die Wahlsysteme von Deutschland und den Vereinigten Staaten? Was sind Gemeinsamkeiten? Ein Vergleich.

Wahlsysteme: Wo liegen die größten Unterschiede?

Zunächst einmal beginnen die Unterschiede schon beim Amt und der Gewaltenteilung. Während in den USA die ausführende, also die exekutive Gewalt beim Präsidenten liegt, hat der Bundespräsident in Deutschland als Staatsoberhaupt vor allem repräsentative Aufgaben. Die Exekutive ist dagegen Aufgabe der Bundesregierung und ihrer Behörden – und liegt somit vor allem beim Bundeskanzler.

Auch die Wahlsysteme sind grundverschieden. In Deutschland wird per Verhältniswahlrecht gewählt, in den USA per Mehrheitswahlrecht.

USA: Wie wird in den Vereinigten Staaten gewählt?

In den USA bestimmen die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimme, wen Sie sich für das Amt des Präsidenten wünschen. Doch sie wählen ihn nicht direkt: Vielmehr gibt es pro Bundesstaat eine gewisse Anzahl an Wahlmännern und -frauen. Wie viele das sind, hängt von der Einwohnerzahl des Staates ab.

Diese Wahlmänner und -frauen wählen den Präsidenten. Sie sind aber an die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger in ihrem Bundesstaat gebunden. Dabei gilt das sogenannte Mehrheitswahlrecht: Der Kandidat, der in einem Bundesstaat die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen kann, erhält am Ende die Stimmen aller Wahlmänner und -frauen.

Das kann zu mitunter irritierenden Situationen führen. Möglich ist etwa, dass in einem Bundesstaat 51 Prozent der Wählerinnen und Wähler für Kandidat A und 49 Prozent für Kandidat B stimmen – und dennoch Kandidat A alle Stimmen der Wahlmänner und -frauen erhält. Denn: Die Mehrheit bestimmt, wer die Stimmen des "electoral college", das aus den Wahlmännern und -frauen besteht, erhält. Man sagt auch: "The winner takes it all".

Landesweit hat das die Auswirkung, dass nicht zwingend der Kandidat die Wahl gewinnt, der mehr Stimmen von den Bürgerinnen und Bürgern erhält. Bei der Wahl 2016 erhielt Hilary Clinton fast drei Millionen Stimmen mehr als Donald Trump. Doch aufgrund des Wahlmann-Systems zog Trump ins Weiße Haus ein.

Ausnahmen gibt es in den Bundesstaaten Maine und Nebraska. In beiden Bundesstaaten werden nur zwei Wahlmänner und -frauen mit dem Prinzip „The winner takes it all“ entsandt. Die anderen werden mit relativier Mehrheitswahl für einen Wahlkreis des Repräsentantenhauses gewählt. Allerdings ist die Anzahl begrenzt: Maine entsendet nur vier Wahlmänner und -frauen, Nebraska fünf. Und doch kommt es so zustande, dass sich das Bild etwas weitet. In Maine erhielt 2016 Hillary Clinton drei Wahlmännerstimmen, eine ging aber auch an Donald Trump.

Die gewählten Wahlmänner und -frauen übergeben am 14. Dezember die versiegelten Stimmzettel an den Vorsitzenden des US-Senats, Vizepräsident Mike Pence. Ausgezählt werden die Stimmen am 6. Januar in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus.

Swing States: Was hat es mit den Bundesstaaten auf sich?

In den USA gibt es klassische Hochburgen von Demokraten und Republikanern. Kalifornien, New York und Illinois gelten beispielsweise als klassische Demokraten-Staaten, die Rede ist bisweilen von der „Blue Wall“, der blauen Wand.

Die Republikaner dominieren dagegen seit Jahrzehnten etwa in Texas, Alabama und South Carolina. Ohnehin ist der Süden und auch der Mittlere Westen eine Hochburg der Republikaner Im Normalfall gibt es für die politischen Gegner in diesen Staaten nicht viel zu holen. Entsprechend verlagert sich der Fokus.

Entscheidend werden die Staaten, bei denen es erfahrungsgemäß knapp zu geht, die sogenannten „Swing States“. Hier wird der Wahlkampf meist besonders intensiv geführt, denn an ihnen entscheidet sich die Wahl.

Ein klassischer Swing States ist etwa Florida. 29 Wahlmänner und -frauen entsendet der südöstlichste Bundesstaat und hat damit ein hohes Gewicht. Besonders dramatisch war es im Jahr 2000. Über einen Monat mussten in Florida die Stimmen ausgezählt werden. Am Ende lag George W. Bush mit 537 Stimmen vor Herausforderer Al Gore und wurde der 43. Präsident der Vereinigten Staaten.

Andere Swing States sind beispielsweise Arizona, Pennsylvania oder Wisconsin.

USA: Was ist der Unterschied zum deutschen Wahlsystem?

In Deutschland wird nach dem sogenannten personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt – das streng genommen ein Mischsystem aus Verhältniswahl- und Mehrheitswahlrecht ist. Jeder Wähler hat dabei zwischen Stimmen. Mit der ersten Stimme werden die Abgeordnete in 299 Wahlkreisen gewählt, die direkt in den Bundestag gewählt werden. Gewinnt ein Abgeordneter einen Wahlkreis, ist ihm der Einzug in den Bundestag sicher – ein eigentlich klassisches Element einer Mehrheitswahl und wie in den USA frei nach dem Motto: „The winner takes it all.“

Nun hat jeder Wähler aber noch eine Zweitstimme und hier wird es entscheidend, warum in Deutschland von einem „personalisierten Verhältniswahlrecht“ die Rede ist. Mit dieser wählt er eine Partei und somit die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages. Jede Partei, die mindestens fünf Prozent erhält, zieht in den Bundestag ein. Aus den Zweitstimmen, die auf sie entfallen, wird die Verteilung der Sitze im Bundestag berechnet.

Nun gibt es noch ein weiteres wichtiges Element: die Landeslisten der Parteien. Wenn fest steht, wie viele Sitze auf die jeweilige Partei entfallen, entsendet die Partei die Kandidaten in der Reihenfolge der Liste in den Bundestag. Jede Partei in jedem Bundesland erstellt dabei eine eigene Liste, je nach Anteil der Stimmen im jeweiligen Bundesland werden dann die Abgeordneten entsandt.

Parlament: Warum ist der Bundestag so groß?

Nun kann es aber vorkommen, dass eine Partei zwar prozentual gesehen wenig Zweitstimmen erhalten hat, zugleich aber viele Wahlkreise direkt gewonnen hat. In diesem Fall ziehen die Kandidaten der Wahlkreise dennoch in den Bundestag ein – die Rede ist dann von Überhangmandaten. Da Überhangmandate aber dazu führen können, dass sich entsprechend die Verteilung im Bundestag ändert, gibt es seit 2013 noch eine weitere Möglichkeit, in den Bundestag einzuziehen: mittels Ausgleichsmandaten.

Die Ausgleichsmandate werden an die Parteien vergeben, um mögliche Ungleichheiten im Bundestag durch Überhangmandate auszugleichen, sodass am Ende das Verhältnis der Zweitstimmen wieder hergestellt ist. Das führt allerdings dazu, dass anstatt der vorgesehenen 598 Abgeordnete in der aktuellen Legislaturperiode 736 Abgeordnete im Bundestag vertreten sind – und der Bundestag so teuer wie nie ist.

Deutschland: Wie wird die Kanzlerin oder der Kanzler gewählt?

Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler wird vom Bundespräsidenten vorgeschlagen und von den Abgeordneten gewählt. Nötig ist dafür eine absolute Mehrheit, also mindestens die Hälfte der Stimmen der im Bundestag vertretenen Abgeordneten plus einer zusätzlichen Stimme.

Bisher wurden alle Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik im ersten Wahlgang gewählt. Denn vor der Kanzlerwahl bilden die Parteien in der Regel Koalitionen, mit der sie eine absolute Mehrheit im Bundestag auf sich vereinen. Sollte aber ein Kanzlerkandidat im ersten Wahlgang nicht die nötige Mehrheit haben, würde ein zweiter Wahlgang notwendig werden. Auch hier ist eine absolute Mehrheit notwendig. Wird auch diese nicht erzielt, reicht in der 3. Runde eine einfache, also eine relative Mehrheit. Das wäre der Fall bei einer sogenannten Minderheitsregierung.

Bürger: Wer darf in den USA und in Deutschland wählen?

Sowohl in den USA als auch in Deutschland sind Bürger wahlberechtigt, wenn sie das Alter von 18 Jahren überschritten haben. Im Gegensatz zu Deutschland müssen sich die Wähler in den USA für die Wahl registrieren. Per Briefwahl dürfen in beiden Ländern auch Staatsbürger wählen, die im Ausland leben. Wollen Auslandsdeutsche allerdings wählen, müssen sie sich vorher ins Wählerverzeichnis eintragen lassen.

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