Berlin Unter friendly fire: Zwei Koalitionspolitiker treiben mit der Forderung nach schweren Waffen für die Ukraine den Kanzler vor sich her.
Die schon wieder. Zwei Politiker aus der Ampel-Koalition treiben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor sich her: eine Liberale und ein Grüner. Das Duo kämpft für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine.
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Es ist ihr Wochenende. Der Grüne Toni Hofreiter verlangte via Interview Panzer für die ukrainischen Militärs. Bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist die Forderung nach der Beschleunigung der Lieferung hochwirksamer Waffen gegen Russland Teil des Leitantrages auf dem FDP-Parteitag.
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Das ungleiche Duo hat mehr gemeinsam als eine isolierte Forderung: Erstens, sie sind Koalitionspartner. Das macht die Auseinandersetzung mit ihnen so delikat: Als Opposition in den eigenen Reihen. Der SPD-Kanzler steht unter "friendly fire", unter Beschuss von den eigenen Leuten.
Zweitens, sie haben was zu sagen. Die FDP-Frau ist als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses mit der Materie vertraut, wohingegen der Umweltexperte sich nicht als Kenner von Militär hervorgetan hat.
Drittens, sie waren mit dem SPD-Außenpolitiker Michael Roth – anders als Scholz – in Kiew; sie haben den Krieg an der Front erlebt, das prägt.
Viertens galten sie in ihren Parteien als ministrabel, schafften es indes nicht ins Kabinett. Wer nicht viel zu verlieren hat, ist auch schwer zu disziplinieren.
Scholz: kein Pardon mit dem Kanzler
Für Leute wie Hofreiter und Strack-Zimmermann gibt es im Englischen einen Begriff: loose cannon. Kanonen, die sich an Deck losgerissen haben und nach Belieben unkontrolliert feuern. Der Kanzler werde "not amused" sein, vermutet die Liberale wohl zutreffend. Umso mehr, als beide von Scholz mehr als eine Sachdifferenz trennt: Beide vermissen Führung.
Der Grüne vergleicht ihn mit seiner Amtsvorgängerin Angela Merkel (CDU). Vor einem Jahr wäre das ein Ritterschlag, jetzt nicht mehr. Im Ukraine-Krieg ist Zögerlichkeit "das Problem", wie Hofreiter in der FAZ ätzt. Entscheidungen im Krieg müssen binnen Tagen gefällt werden, besser: Stunden. "Da passt der Stil von Merkel und Scholz nicht dazu."
Hofreiter ist ein Überzeugungstäter und sieht es als seine Aufgabe an, "möglichst viel Druck zu machen, um der Ukraine bestmöglich zu helfen". Aber er argumentiert mehr als nur mit Emotionen, er hat eine Agenda:
- Die Ukraine mit den Waffen unterstützen, die sie will. "Die wissen selbst am besten, was sie brauchen."
- Sanktionen verschärfen wie irgendwie möglich, auf jeden Fall mit einem Erdölembargo.
- Deutschland soll nicht direkt Konfliktpartei werden. "Wir liefern Waffen, aber wir können nicht direkt in der Ukraine ausbilden."
Über Hofreiter wundern sich die Grünen selbst am meisten. ,In Rekordtempo" lege die Partei eine "Kehrtwende" hin, stellte die taz fest.
Scholz unter Beschuss: Die SPD ist irritiert
Für die Kanzlerpartei SPD ist Strack-Zimmermann noch irritierender, weil sie mit dem Verteidigungsausschuss eine Bühne hat, die sie zu nutzen weiß. Neulich wollte sie gar den Kanzler herbeizitieren. Das war denn doch zu viel für die Sozialdemokraten.
"Ich halte dieses eigenmächtige Vorgehen für völlig unangebracht", schimpfte der Wehrpolitiker Wolfgang Hellmich, pikanterweise ihr Amtsvorgänger im Ausschuss. "Es stellt sich die Frage, ob hier die gebotene politische Neutralität zugunsten persönlicher Profilierung aufgegeben wird."
Strack-Zimmermann wird sich wohl kaum stoppen lassen. Genau so wenig Hofreiter. Sie haben in diesem Konflikt ihre Rolle gefunden.
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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de
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