Ukraine-Krieg

Zug verlässt Cherson im Granatenhagel – und kommt pünktlich

| Lesedauer: 3 Minuten
Selenskyj fordert Sondertribunal für russisches "Verbrechen der Aggression"

Selenskyj fordert Sondertribunal für russisches "Verbrechen der Aggression"

Bei seinem Besuch beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Einrichtung eines Sondertribunals gefordert, um Russland für sein "Verbrechen der Aggression" zur Verantwortung zu ziehen.

Video: Justiz, Kriminalität, Krise, Krieg, Konflikt, Politik
Beschreibung anzeigen

Berlin/Lwiw  Die ukrainische Bahn steht in Kriegszeiten für ein Stück Normalität. Sie fährt selbst im Granatenhagel pünktlich – wie ein Video zeigt.

Pünktlichkeit ist eine Zier. Wer pünktlich zu einem Treffen kommt, hat die Zeit des Gegenübers im Kopf, zeigt Respekt, vermittelt Verlässlichkeit, Beständigkeit und damit: Sicherheit. Wer etwa einen Zug besteigt, möchte sich darauf verlassen können, dass er ankommt, Anschlüsse erreicht und dabei geschützt ist, vor dem Wetter vielleicht, auf jeden Fall vor dem Fahrtwind.

Im Falle ukrainischer Fahrgäste gilt das wohl doppelt. Kommt ein Zug pünktlich, fährt er überhaupt, heißt das: Auch wenn Granaten und Raketen einschlagen, hier funktioniert noch etwas, trotz allem. Mitten im Krieg vermittelt die ukrainische Eisenbahn den Menschen im Land so etwas wie Beständigkeit, Verlässlichkeit, Sicherheit.

Groß ist dafür die Opferbereitschaft der ukrainischen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner: Rund 1000 von ihnen sind seit Kriegsbeginn in der Ukraine verwundet worden. 400 Angestellte verloren im Dienst ihr Leben.

Russische Angriffe auf Cherson: Kein Vergeben

Kein Wunder also, dass Ukrzaliznystia 109 gerade besondere Aufmerksamkeit erfährt, steht er doch für genau das: Sicherheit und Opferbereitschaft.

Dieser Zug der ukrainischen Eisenbahngesellschaft verließ die ostukrainische Stadt Cherson am Mittwoch. Kurz zuvor waren russische Geschosse über der Stadt niedergangen. Mindestens 21 Menschen starben bei den Angriffen, die – neben einem Supermarkt – auch den Bahnhof trafen.

Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach am Abend von einer Blutspur, die Russland mit seinen Granaten hinterlasse, und kündigte verbittert an: "Wir werden den Schuldigen nie verzeihen."

Ukraine: Granaten treffen Zug im Bahnhof

Der in ukrainischem blau-gelb gestrichene Zug 109 aber entkam dem Granatenhagel schwer getroffen und erreichte sein Ziel, das westukrainische Lwiw nicht nur, sondern fuhr dort auch noch pünktlich um 10.18 Uhr Ortszeit in den Bahnhof ein.

Keine kleine Leistung, schon in Friedenszeiten nicht. Die beiden Orte trennen rund 900 Kilometer, eine Fahrt dauert fast 20 Stunden. Dreimal pro Woche pendelt Ukrzaliznystia 109 hin und her.

Die private ukrainische Nachrichtenagentur Unian beschreibt den Moment der Ankunft in einem Telegram Kanal: "Das heldenhafte Zugpersonal wurde von seinen Kollegen mit Applaus begrüßt." Auf Fotos und Videos ist zu sehen, wie Menschen beifallklatschend am Bahnhof standen und ukrainische Fahnen schwenkten.

Trotz Granateneinschlag: Abfahrt nur 14 Minuten verspätet

Das Zugpersonal habe "schnell und präzise" gehandelt. Wenige Minuten vor den russischen Angriffen habe es zwei mobilitätseingeschränkte Fahrgäste in einen Unterstand geführt.

Als dann der Beschuss abgenommen hatte, habe es einen brennenden Waggon kurzerhand abgekoppelt, die Fahrgäste auf die übrig gebliebenen Waggons verteilt und habe mit nur 14 Minuten Verspätung die Fahrt angetreten. Zwei weitere beschädigte Waggons habe man während eines Halts in Mykolaiv gewechselt.

Offenbar musste das Personal dabei auch noch einen Ausfall verkraften: Zugbegleiter Roman sei bei den Angriffen verwundet worden, berichtet Unian, habe das Krankenhaus von Cherson aber bereits wieder verlassen können. Sein Zustand sei stabil.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Politik