Washington. Laut "Washington Post" versucht Moskau, eine Anti-Kriegs-Koalition in Deutschland aufzubauen. Was die geheimen Papiere noch verraten.
Russland will hinter den Kulissen in Deutschland eine Zusammenführung von Linkspartei und rechtsextremer AfD erreichen, um eine Anti-Kriegs-Koalition aufzubauen und die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen.
Das ist der Kern einer Analyse umfangreicher Geheimpapiere aus Russland, die ein europäischer Geheimdienst in die Hände bekam und die von der "Washington Post" ausgewertet wurden. Etliche Details seien von Vertretern europäischer Regierungen bestätigt worden. Danach haben Regierungsoffizielle im Kreml gemeinsam mit politischen Strategen bereits im vergangenen Spätsommer die Parole ausgegeben, die teilweise rechts- wie linksextremen Splitter-Parteien unter "dem Banner des Friedens" zu vereinigen. Mit dem Ziel, so ein Dokument vom 9. September 2022, "eine Mehrheit bei Wahlen auf allen Ebenen zu erzielen".
Ukraine-Krieg: Unterstützung Europas sollte unterminiert werden
Zu diesem Zweck hätten Kreml-Strategen für die AfD ein "Manifest" verfasst. Danach soll die "Alternative für Deutschland" in einer Partei der "Deutschen Einheit" aufgehen und erklären, dass Sanktionen gegen Russland nicht im deutschen Interesse lägen.
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Die Bestrebungen, sich manipulativ in die deutsche Politik einzumischen, sollen von Sergej Kirijenko orchestriert worden sein. Danach habe der stellvertretende Stabschef des Präsidialbüros im Kreml die Marschroute ausgegeben, dass Deutschland der "Schwerpunkt" Moskaus werde, um die Unterstützung für die Ukraine in Europa zu unterminieren. In der deutschen Bevölkerung sollte der Anteil derer, die für besser Beziehungen zwischen Moskau und Berlin sind, binnen weniger Monaten um zehn Prozent steigen; auch durch diverse Aktivitäten in sozialen Medien.
Wagenknecht weist alle Vorwürfe zurück: "Absurd"
Bei von Linkspartei und AfD inspirierten Anti-Kriegskundgebungen in Ostdeutschland seien von Kreml-Strategen formulierte Forderungen erhoben worden, etwa die Forderung nach Inbetriebnahme der Gas-Pipeline Nord Stream 2. Bei den russischen Bemühungen spielt die umstrittene Linkspartei-Spitzen-Politikerin Sahra Wagenknecht, die vor allem in Ostdeutschland zuletzt Zustimmung aus rechten Wählerschichten bekam, laut "Washington Post" eine Schlüsselrolle.
Kurz nachdem der Kreml die Parole ausgegeben hat, Linke und AfD zu vereinen, habe Björn Höcke, rechtsextremer AfD-Chef in Thüringen, Wagenknecht öffentlich aufgefordert, in die AfD einzutreten.
Wagenknecht erklärte gegenüber der amerikanischen Hauptstadtzeitung, dass es zwischen ihr und "Elementen der AfD in keiner Form eine Zusammenarbeit oder Allianz geben wird". Die Vorstellung, sie habe von russischer Seite entsprechende Vorschläge erhalten, sei "absurd". Wagenknecht betonte, sie habe keinen Kontakt zu Vertretern des russischen Staates gehabt.
Partei | Die Linke |
Gründung | 16. Juni 2007 |
Ideologie | Demokratischer Sozialismus, Antikapitalismus, Feminismus |
Vorsitzende | Janine Wissler und Martin Schirdewan (Stand: April 2023) |
Fraktionsstärke | 39 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023) |
Bekannte Mitglieder | Sahra Wagenknecht, Gregor Gysi, Katja Kipping |
Wagenknechts Ex-Mann bestätigt Gespräche mit Kreml-Vertretern
Deutlich gesprächiger war Wagenknechts Ex-Mann Ralph Niemeyer, der zuletzt ins Fadenkreuz der Justiz geraten war, als die "Reichsbürger"-Bewegung den Sturz der Bundesregierung plante. Er bestätigte gegenüber der "Washington Post" Gespräche mit Kreml-Vertretern.
Danach sei ihm klar gewesen, "dass bestimmte Leute in Russland ein Interesse an einer Union zwischen Wagenknecht und der extremen Rechten haben". In Moskau seien sich einige bewusst, "welches Potenzial" ein Zusammenschluss hätte. Allerdings würde seine Ex-Frau, mit der er täglich in Kontakt stehe, niemals "Unterstützung aus Moskau akzeptieren". Niemeyer zog einen Vergleich zur französischen Rechtsextremistin Marine Le Pen, die sich Geld von einer russischen Bank geliehen habe. "Das kostete sie die Präsidentschaft. Sahra darf diesen Fehler nicht machen."
Partei | Alternative für Deutschland (AfD) |
Gründung | 6. Februar 2013 |
Ideologie | Rechtspopulismus, Nationalkonservatismus, EU-Skepsis |
Vorsitzende | Tino Chrupalla und Alice Weidel (Stand: April 2023) |
Fraktionsstärke | 83 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023) |
Bekannte Mitglieder | Jörg Meuthen (ehemals), Alexander Gauland, Björn Höcke |
Putins Sprecher Peskow sagt: "Das ist zu 100 Prozent Fake"
Niemeyer, in den 90er Jahren wegen Betruges verurteilt, sagte gegenüber den US-Journalisten, dass ihm während einer Moskau-Visite ein speziell verschlüsseltes Telefon gegeben worden sei, um geschützt mit Dimitri Peskow zu reden. Putins Regierungssprecher habe ebenfalls sein Interesse einer Fusion zwischen Wagenknecht und der AfD bekundet.
Peskow lehnt dazu eine Stellungnahme ab. Generell wies der Kreml-Chef-Kommunikator die Vorwürfe einer russischen Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten von sich. "Das ist zu 100 Prozent Fake", zitiert ihn die "Washington Post": "Wir haben vorher nie interveniert und jetzt haben wir wirklich keine Zeit für so etwas."
Die abgefangenen Dokumente enthalten keine Abschriften von Gesprächen zwischen russischen Stellen und Vertretern von AfD und Linkspartei. Allerdings, so die "Washington Post", hätten eine Person aus dem Umfeld von Wagenknecht und mehrere AfD-Mitglieder mit russischen Stellen Kontakt gehabt, als der Plan entwickelt worden sei.
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