Berlin/Kiew/Moskau. Nach dem verheerenden Angriff auf das Einkaufszentrum der ukrainischen Stadt Krementschuk hat der ukrainische Präsident Selenskyj Russland gezielte Terrorangriffe auf die ukrainische Bevölkerung vorgeworfen. Bei einem überraschenden Auftritt per Video im UN-Sicherheitsrat forderte Selenskyj, ein "Tribunal einzurichten". Die Taten des russischen Militärs müssten untersucht werden.
Unterdessen wird im Osten der Ukraine weiter erbittert gekämpft. Rund um die Stadt Lyssytschansk versuchen beide Seiten derzeit, die Kontrolle über eine wichtige Versorgungsstraße zu erlangen. Deutschland und die Niederlande haben der Ukraine die Lieferung von sechs weiteren Panzerhaubitzen 2000 zugesagt. Der frühere ukrainische Präsident Petro Poroschenko bekräftigte den Wunsch der Ukraine, der Nato beizutreten. Es brauche einen "Aktionsplan" dafür.
Liveblog zum Ukraine-Krieg von Mittwoch, 29. Juni – Newsblog ist geschlossen
Russland verschärft umstrittenes Gesetz über "ausländische Agenten"
18.06 Uhr: Russland verschärft sein ohnehin schon vielfach kritisiertes Gesetz über "ausländische Agenten". Zum "ausländischen Agenten" können künftig alle Organisationen oder Einzelpersonen erklärt werden, die aus dem Ausland unterstützt werden oder unter irgendeiner Form von "ausländischem Einfluss" stehen. Für das entsprechende Gesetz, das Anfang Dezember in Kraft treten soll, stimmte das Parlament in Moskau.
Bislang sah die russische Gesetzgebung vor, dass beispielsweise Nichtregierungsorganisationen nur dann zu "ausländischen Agenten" erklärt werden konnten, wenn sie sich mit Geldern aus dem Ausland finanzierten. Kritiker warnen bereits seit Wochen vor der nun eingetretenen Verschärfung der rechtlichen Lage.
Syrien erkennt Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten an
17.21 Uhr: Russlands enger Verbündeter Syrien hat die beiden ostukrainischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk offiziell als unabhängige Staaten anerkannt. Das meldete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Außenministerium in Damaskus. Es sollten mit beiden "Ländern" Gespräche geführt werden, um diplomatische Beziehungen aufzunehmen.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die beiden Separatistengebiete kurz vor dem Überfall auf die Ukraine Ende Februar unter großem internationalen Protest als unabhängige "Volksrepubliken" anerkannt. Syrien ist nach Russland das erste Land, das die Separatistengebiete als Staaten anerkennt. Moskau ist im syrischen Bürgerkrieg neben dem Iran der engste Verbündete der Führung in Damaskus.
Separatistengebiete in der Ukraine - die wichtigsten Infos
Separatistengebiete in der Ukraine - die wichtigsten Infos
144 ukrainische Soldaten durch Gefangenenaustausch befreit
17.05 Uhr: Bei dem bislang größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine sind nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums 144 ukrainische Soldaten befreit worden. Darunter seien 95 Kämpfer aus dem Asov-Stahlwerk in Mariupol, erklärte die Geheimdienstabteilung des ukrainischen Verteidigungsministeriums am Mittwoch im Onlinedienst Telegram. Angaben zu Ort und Zeitpunkt des Austauschs wurden zunächst nicht gemacht.
Tausende ukrainische Kämpfer hatten das Asov-Stahlwerk wochenlang gegen die russische Armee verteidigt und sich in unterirdischen Tunneln der riesigen Anlage verschanzt. Mitte April ergaben sich schließlich hunderte Kämpfer.
Nach Angaben der pro-russischen Separatisten wurden sie als "Kriegsgefangene" in die selbsternannte Volksrepublik Donezk gebracht. Ein Separatistenvertreter hatte Ende Mai gesagt, mindestens einem Teil von ihnen drohe die Todesstrafe.
Innenministerin und Arbeitsminister kündigen Ukraine-Reise an
16.36 Uhr: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesinnenministerin Nancy Faeser planen im Juli eine gemeinsame Reise in die Ukraine. Das kündigten beide SPD-Politiker am Mittwoch am Rande eines Treffens mit Schülern einer Integrationsklasse an einem Berliner Gymnasium an. Man wolle mit den ukrainischen Amtskollegen unter anderem über Integrationsperspektiven von nach Deutschland geflüchteten Menschen reden, sagte Heil. Er sprach von einem sensiblen Thema. Auf der einen Seite gebe es die Hoffnung der Ukraine auf ein möglichst baldiges Ende des furchtbaren Krieges und eine Rückkehr der Menschen, auf der anderen Seite wisse man nicht, wie lange der Krieg dauere.
Der natürliche Wunsch der Menschen sei, sobald wie möglich die Heimat wiederzusehen. "Aber die schreckliche Realität ist, das wird für viele dauerhaft oder langfristig nicht möglich sein", sagte der Arbeitsminister. Er sicherte zu: "Wir werden für alle, die hier sind, Integration anbieten und ermöglichen."
Nato sagt Ukraine bei Gipfel weitere Unterstützung zu
15.21 Uhr: Die Nato hat der Ukraine weitere Unterstützung bei der Verteidigung gegen die russische Invasion zugesagt. Die 30 Mitgliedstaaten hätten ein umfassendes Paket vereinbart, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch beim Gipfel des Bündnisses in Madrid. Dazu gehörten sichere Kommunikationsmittel, Treibstoff, medizinische Versorgung, Schutzwesten und Ausrüstung zur Bekämpfung von Minen sowie chemischen und biologischen Bedrohungen. Auch Hunderte tragbare Drohnenabwehrsysteme seien Teil des Pakets.
"Längerfristig werden wir die Ukraine bei der Umstellung von Ausrüstung aus der Sowjet-Ara auf moderne Nato-Ausrüstung unterstützen", sagte Stoltenberg. "Die Ukraine kann so lange auf uns zählen, wie es nötig ist. Die Verbündeten werden weiterhin umfangreiche militärische und finanzielle Hilfe leisten."
Stoltenberg erhob schwere Vorwürfe gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Der Krieg von Präsident Putin gegen die Ukraine hat den Frieden in Europa erschüttert und die größte Sicherheitskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst", sagte er. "Die Nato hat mit Stärke und Einigkeit reagiert."
Selenskyj warnt Nato vor weiteren russischen Angriffen
15.01 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Nato vor möglichen russischen Angriffen auch auf andere Länder gewarnt. "Die Frage ist: Wer ist der nächste für Russland? Moldau? Das Baltikum? Oder Polen? Die Antwort: sie alle", sagte Selenskyj am Mittwoch in einer per Video übertragenen Rede an den Nato-Gipfel in Madrid. Das wahre Ziel Russlands sei die Nato, meinte der ukrainische Staatschef. Dazu setze Moskau als Instrument auch Hunger zur Verursachung von Migrationswellen ein. Auch Energieressourcen nutze der Kreml, um Europa dazu zu zwingen, "auf Ihre Freiheit, Ihre Demokratie und Ihre Werte" zu verzichten.
Die Ziele der Ukraine hingegen stimmten "absolut" mit denen der Nato überein, betonte er. "Wir sind an Sicherheit und Stabilität auf dem europäischen Kontinent und der Welt interessiert." Der Ukraine dabei zu helfen, den Krieg auf dem Schlachtfeld zu gewinnen, sei im Interesse der Allianz, meinte Selenskyj. Kiew brauche von den Nato-Staaten dafür moderne Luftabwehr und weitere Artilleriesysteme.
Moskau: Nato-Gipfel bestätigt westliche Aggressivität gegenüber Russland
14.44 Uhr: Russland sieht den derzeit stattfindenden Nato-Gipfel als Bestätigung für die aggressive Haltung des westlichen Militärbündnisses. "Das Gipfeltreffen in Madrid festigt den Kurs einer aggressiven Eindämmung Russlands“ durch die Militärallianz, sagte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch laut russischen Nachrichtenagenturen. Die Erweiterung des Bündnisses um Finnland und Schweden bezeichnete er demnach als "rein destabilisierenden Faktor in den internationalen Angelegenheiten".
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete Russland am Mittwoch in Madrid als eine "direkte Bedrohung" für die Sicherheit der westlichen Militärkoalition. US-Präsident Joe Biden kündigte an, dass die USA "ihre militärische Position in Europa stärken" werden. Es würden tausende zusätzliche Soldaten nach Europa geschickt. Unter anderem sollen nach Bidens Angaben in Deutschland und Italien zusätzliche Kräfte der Luftwaffe stationiert werden.
Rjabkow zeigte sich unbeeindruckt vom Ausbau der US-Militärpräsenz in Europa. "Diejenigen, die solche Lösungen vorschlagen, geben sich der Illusion hin, sie könnten Russland einschüchtern und irgendwie zurückhalten – das wird ihnen nicht gelingen", sagte der stellvertretende Außenminister zu Journalisten.
"Die Sicherheit der Länder, in denen die zusätzlichen (US-)Kontingente eingesetzt werden, wird nicht erhöht", fügte Rjabkow hinzu. Er kündigte Gegenmaßnahmen an, ohne jedoch Einzelheiten zu nennen.
Nato-Staaten beschließen drastische Stärkung der Ostflanke
14.39 Uhr: Die 30 Nato-Staaten haben angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine eine deutliche Verstärkung der Ostflanke beschlossen. Zudem stimmten die Staats- und Regierungschefs am Mittwoch beim Gipfel in Madrid einem neuen Streitkräfte-Modell zu, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bündniskreisen erfuhr. Es sieht vor, künftig mehr als 300.000 Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft zu halten. Die bisherige schnelle Nato-Eingreiftruppe NRF soll durch das neue Streitkräfte-Modell ersetzt werden. Sie hat lediglich eine Größe von rund 40.000 Soldaten.
Beitrag der Bundeswehr zu dem neuen Konzept wird nach Angaben von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht mindestens ein Großverband sein. "Deutschland ist bereit dazu, seinen Beitrag zu leisten. Wir haben schon angekündigt, dass wir bereit sind, eine Division zu stellen, sprich 15.000 Soldatinnen und Soldaten, und dazu natürlich auch entsprechend das Material", sagte die SPD-Politikerin bereits am Dienstagabend.
An der Ostflanke sollen nach dem am Mittwoch beschlossenen Konzept die existierenden multinationalen Nato-Gefechtsverbände auf Brigade-Niveau ausgebaut werden. Derzeit umfasst beispielsweise der Verband in Litauen 1600 Soldaten. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Soldaten. Deutschland hat bereits angekündigt, dass es die Kampftruppen-Brigade in Litauen führen will.
Nato startet Aufnahmeverfahren für Finnland und Schweden
14.33 Uhr: Die Nato hat offiziell das Verfahren zur Aufnahme von Finnland und Schweden gestartet. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur stimmten am Mittwoch beim Gipfeltreffen in Madrid alle Staats- und Regierungschefs der 30 Mitgliedstaaten den Plänen zu.
Erst am Vorabend hatte die Türkei ihre Blockade gegen den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden aufgegeben – im Gegenzug für Zugeständnisse der nordischen Länder.
Bis Finnland und Schweden tatsächlich Mitglieder der Allianz sind, dürfte es jedoch noch einige Monate dauern. Die Beitrittsprotokolle sollen nach derzeitiger Planung am kommenden Dienstag unterzeichnet werden. Danach müssen diese noch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Bis alle 30 Alliierten dies erledigt haben, könnte es Schätzungen zufolge sechs bis acht Monate dauern. In Deutschland muss dafür auch der Bundestag zustimmen.
Nato beschließt neues strategisches Konzept – Russland als Bedrohung
14.30 Uhr: Die Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Staaten haben bei ihrem Gipfeltreffen in Madrid ein neues strategisches Konzept für das Militärbündnis beschlossen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch von Sitzungsteilnehmern.
In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird Russland als "größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum" bezeichnet, China als Herausforderung. Das neue strategische Konzept ersetzt die vorherige Version aus dem Jahr 2010. Damals hatten die Alliierten noch gehofft, dass die Zeit der großen Spannungen mit Russland vorbei sei, und auf eine "echte strategische Partnerschaft" mit dem Land gesetzt.
Im neuen Konzept heißt es nun: "Angesichts ihrer feindseligen Politik und Handlungen können wir die Russische Föderation nicht als unseren Partner betrachten." Die Beziehungen könnten sich erst dann wieder ändern, wenn Russland sein aggressives Verhalten einstelle und das Völkerrecht in vollem Umfang einhalte. Man bleibe jedoch bereit, die Kommunikationskanäle mit Moskau offen zu halten, um Risiken zu mindern, Eskalationen zu verhindern und mehr Transparenz zu schaffen.
Als Bedrohung für die Nato-Staaten werden in dem Konzept unter anderem Russlands Versuche beschrieben, sich über Zwang, Subversion, Aggression und Annexion Einflusssphären zu schaffen. Die erwiesene Bereitschaft des Landes, Gewalt zur Verfolgung politischer Ziele einzusetzen, untergrabe die regelbasierte internationale Ordnung.
In Folge dieser Politik wird die Nato dem Konzept zufolge die "Abschreckung und Verteidigung für alle Verbündeten deutlich stärken" und auch Partner dabei unterstützen, "böswillige Einmischung und Aggression abzuwehren". Zugleich wird festgehalten, dass die Nato keine Konfrontation suche und für Russland keine Bedrohung darstelle.
Russland droht Norwegen wegen Blockade von Lieferung nach Spitzbergen
14.27 Uhr: Russland hat Norwegen wegen einer angeblichen Blockade der Versorgung russischer Bergarbeiter auf Spitzbergen mit Gegenmaßnahmen gedroht. Der norwegische Vertreter in Moskau sei deshalb ins Außenministerium einbestellt worden, erklärte das Ministerium am Mittwoch. "Wir haben betont, dass unfreundliche Handlungen gegenüber Russland zu Vergeltungsmaßnahmen führen", hieß es.
Demnach unterband Norwegen am Landgrenzübergang Storskog unter Verweis auf EU-Sanktionen wegen des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine die Verladung einer für Spitzbergen bestimmten Schiffslieferung. Nach Angaben des russischen Konsuls auf der arktischen Inselgruppe, Sergej Guschtschin, geht es um 20 Tonnen Güter, davon sieben Tonnen Lebensmittel sowie Ersatzteile und wichtige Winterausrüstung. "Ich denke, dass Norwegen nicht gut nachgedacht hat, als es sich den EU-Sanktionen anschloss", sagte Guschtschin.
Die Inselgruppe Spitzbergen gehört zu Norwegen. Ein 1920 in Paris geschlossener Völkerrechtsvertrag räumt allerdings einer Reihe von Ländern, darunter Russland, das Recht ein, dort Rohstoffe abzubauen. Russland und vorher die Sowjetunion fördert dort deshalb seit Jahrzehnten Kohle. Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Oberhauses, Konstantin Kossatschew, warf Norwegen vor, den Vertrag von Paris zu verletzen und das Wohlergehen der russischen Bergleute zu gefährden.
Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt
US-Regierung: Russische Vermögenswerte in Milliardenhöhe eingefroren
14.14 Uhr: Die westlichen Verbündeten haben nach eigenen Angaben im Zuge der Sanktionen gegen Russland bisher persönliche Vermögenswerte im Wert von mehr als 30 Milliarden US-Dollar (28,5 Milliarden Euro) eingefroren. Außerdem sei Vermögen der russischen Zentralbank im Wert von etwa 300 Milliarden Dollar (285 Milliarden Euro) eingefroren worden, teilte das US-Finanzministerium am Mittwoch mit. Dies sei der Zusammenarbeit in der Task Force "Russische Eliten, Helfer und Oligarchen" zu verdanken, bei der die Europäische Union und die G7-Staaten Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, Großbritannien und die USA sowie Australien kooperieren.
Beim Einfrieren von Vermögenswerten geht es darum, diese nicht mehr nutzbar zu machen. Das kann zum Beispiel bedeuten, ein Bankkonto zu sperren. Formal bleibt das Vermögen dabei im Regelfall im Besitz des Eigentümers.
Zahlreiche Jachten und andere Schiffe, die sanktionierten Russen gehören, wurden den Angaben zufolge festgesetzt. Ziel sei es nun, in den kommenden Monaten weitere Sanktionen zu verhängen und zu verhindern, dass die Strafmaßnahmen unterlaufen würden.
Ukraine-Krieg: Aktuelle Fotos aus den Kriegsgebieten