Berlin RKI-Präsident Lothar Wieler hat sich ausführlich zu den Empfehlungen seines Instituts geäußert – und warum die Politik diese ignoriert.
- Der Präsident des RKI, Lothar Wieler, hat das neue Infektionsschutzgesetz deutlich kritisiert
- Die Bundes-Notbremse sei ein Kompromiss, den er nicht befürworte
- Es war nicht der einzige Kritikpunkt Wielers an der Corona-Politik
Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch Instituts (RKI), hat die Bundes-Notbremse erneut deutlich kritisiert. Der Inzidenzwert, ab dem Schulen schließen müssen, sei einfach zu hoch. "Wir sagen seit vielen Wochen und Monaten, wo unsere Grenzen sind", sagte Wieler in der Sendung "Jung und Naiv" mit Moderator Tilo Jung. Die entsprechende Empfehlung des RKI sei von der Politik aber nicht befolgt worden. Ein "gewisses Frustpotential" müsse man als RKI-Präsident daher genauso mitbringen wie in jedem anderen Job.
Es sei gut, dass das RKI keine Gesetze oder Regeln aufstellen würde, so Wieler. Das neue Infektionsschutzgesetz sei aber nun ein Kompromiss aus verschiedenen Interessen, "die mir natürlich auch nicht gefallen". Die Bundesregierung bremse erst dann, wenn es zu spät sei. Daher stehe er auch nicht hinter dem Kompromiss. Das RKI erfülle mit der Erstellung und Aktualisierung von wissenschaftlich basierten Empfehlungen seine Aufgabe. "Wenn in diesem Land jeder seine Aufgabe erfüllen würde, bin ich mir sicher, dass wir die Pandemie gut bekämpfen könnten", sagte Wieler. Konkrete Namen nannte er dabei nicht.
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Wieler: RKI-Empfehlungen wurden schon im Herbst missachtet
In der vergangenen Woche hatten Bundestag und Bundesrat die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Es sieht eine verpflichtende Schließung der Schulen ab einem Inzidenzwert von 165 im betreffenden Landkreis vor. "Fakt ist, dass die Maßnahmen unseren Empfehlungen entsprechen, aber wir wünschen uns natürlich, dass sie früher greifen", kommentierte Wieler.
Bereits im vergangenen Herbst seien die Empfehlungen des RKI zu Schulschließungen nicht bundesweit befolgt worden. Inzwischen wisse aber die Mehrheit der Menschen, die diese Entscheidung getroffen hätten, dass man auch Kinder vor Corona schützen müsse. "Wäre schön, wenn es früher passiert wäre", sagte Wieler.

RKI-Präsident fordert gleiche Regeln für Arbeit und Einkauf
Der RKI-Präsident kritisierte in seinem Interview auch die fehlende bundesweite Testpflicht am Arbeitsplatz. Bisher hat lediglich das Bundesland Bremen eine Testpflicht am Arbeitsplatz eingeführt. In anderen Bundesländern sind Arbeitgeber nur verpflichtet, ihren Angestellten ein Testangebot zu machen. Diese müssen es jedoch nicht annehmen. Laut dem neuen Infektionsschutzgesetz müssen Arbeitnehmer auch das Angebot zum Homeoffice nicht annehmen. Erst wenn die Bundes-Notbremse greift, ist dies verpflichtend.
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"Klar müssten die (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) genauso behandelt werden", sagte Wieler mit Blick auf die Corona-Maßnahmen für Bürger beim Einkaufen. Die jetzigen Regeln für Büros und Produktionsstätten seien weder konsequent noch hilfreich. "Das darf nicht sein", bekräftigte der RKI-Präsident. (jas)
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