Berlin Rechnerisch gesehen müsste die Rentenerhöhung 2022 eigentlich niedriger ausfallen. Doch mit einem Kniff hat sich die Ampel beholfen.
Es war eine große Überraschung für rund 21 Millionen Rentner und Rentnerinnen in Deutschland: Die Rentenerhöhung zum 1. Juli 2022 wird laut Bundesarbeitsministerium um einiges höher ausfallen als bisher gedacht. Satte 6,12 Prozent in den neuen und 5,35 Prozent in den alten Bundesländern soll es mehr geben. Solche Sprünge haben die Rentenbeträge zuletzt in den 80er Jahren gemacht.
Dabei hatte die Ampel-Koalition mit der Wiedereinführung des Nachholfaktors eigentlich dafür gesorgt, dass die ersten Prognosen für die diesjährige Rentenerhöhung viel pessimistischer ausfielen. Wie also hat es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geschafft, gleichzeitig ein Rentengeschenk zu verteilen und der Forderung der Opposition nach mehr Generationengerechtigkeit gerecht zu werden?
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In der Pressemitteilung des Bundesarbeitsministerium (BMAS) verbirgt sich die Lösung des Rätsels hinter dem kompliziert anmutenden Wort "statistischer Revisionseffekt". Um den habe man den Ausgleichsbedarf bereinigt, weswegen das Minus um rund zwei Prozent auf -1,17 Prozent abgemildert worden sei, schreibt das BMAS.
Heißt im Umkehrschluss: Ausgleichsbedarf und Nachholfaktor hätten eigentlich insgesamt die Rentenerhöhung um mindestens 3,17 Prozent verringert und damit fast die Hälfte gefressen.
Rentenerhöhung: Das hat es mit dem statistischen Revisionseffekt auf sich
Das BMAS hat das verhindert, indem es die Löhne von Menschen die über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten, nicht mit einberechnet hat – also die Löhne von Rentnern und Rentnerinnen selbst.
Menschen, die im Ruhestand weiter arbeiten, verdienen in der Regel weniger als der Durchschnitt der arbeitenden Bevölkerung. Werden diese Löhne in die Statistik für das Durchschnittsentgelt mit einbezogen, sinkt dieses logischerweise. Dann aber sinkt auch die Rentenerhöhung.
Die Durchschnittslöhne der Angestellten in Deutschland sind eine der maßgeblichen Grundlagen für die Berechnung der Rentenanpassungen. Vereinfacht gesagt: Steigen die Löhne, muss auch die Rente steigen. Und rechnet man aus den Durchschnittslöhnen die Löhne arbeitender Rentner und Rentnerinnen heraus, steigt die Rente noch stärker.
Tatsächlich macht dieser Kniff auch Sinn. Auf die Löhne von Menschen, die über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten, werden in aller Regel keine Beitragszahlungen an die Rentenversicherung erhoben. Sie erhöhen also die Einnahmen der Rentenversicherung nicht, was wiederum die Voraussetzung für höhere Ausschüttungen wären.
Mit der Bereinigung des Revisionseffektes hat das BMAS also im Prinzip die positive wirtschaftliche Entwicklung der Löhne ohne statistische Verzerrung an die Rentner- und Rentnerinnen weitergegeben.
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Rente in Deutschland - Mit diesen Werten rechnet die Rentenversicherung 2022
Monat (West) | Ost | |
Bezugsgröße | 3.290 Euro (Monat) | 3.150 Euro (Monat) |
Durchschnittsentgelt 2022 (vorläufig) | 3.242 Euro (Monat) | 3.111 Euro (Monat) |
Rentenwerkt aktuell (von 01.07.21 bis 01.07.22) | 34,19 Euro | 33,47 Euro |
Rentenwert Prognose (von 01.07.2022 - 01.07.2023) | 36,02 Euro | 35,52 Euro |
Beitragssatz | 18,6 Prozent | 18,6 Prozent |
Beitragsbemessungsgrenze | 7.050 Euro (Monat) | 6.750 Euro (Monat) |
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Immer mehr Menschen arbeiten trotz Ruhestand: Wird das zum Problem für die Rentenanpassung?
Was für die Rentenerhöhung positiv ist, könnte aber auch auf die negative Entwicklung von Altersarmut hinweisen. Die niedrigen Löhne von Rentnern und Rentnerinnen dürften auch deswegen einen derart negativen Einfluss auf das Durchschnittsentgelt haben, weil mehr und mehr Menschen trotz Ruhestand noch arbeiten müssen.
Das geht auch aus Zahlen des BMAS von 2021 hervor. Demnach ist zum Beispiel die Zahl der arbeitenden Menschen im Ruhestand in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt in den vergangenen vier Jahren um 13 Prozent gestiegen – Tendenz steigend.
Muss nun also jedes Jahr der Kniff mit dem statistischen Revisionseffekt angewandt werden, um Rentenanpassungen fair zu gestalten? Noch gibt es das entsprechende Gesetz nicht, aber das BMAS hat auf Anfrage eine entsprechende Anpassung der Rentenformel angekündigt. Genauer gesagt soll der Nachhaltigkeitsfaktor, nicht zu verwechseln mit dem Nachholfaktor, geglättet werden.
Der Nachhaltigkeitsfaktor ist eine Berechnungsgröße, die das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern darstellt. "Durch die Glättung des Nachhaltigkeitsfaktors wird gewährleistet, dass Lohnschwankungen künftig nicht mehr zu überzeichneten Ausschlägen bei den Rentenanpassungen führen", teilt das BMAS mit.
Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.
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