Berlin Wenn Russland den Donbass erobert, wird es ein freudloser Sieg. Dann droht ein Partisanenkrieg – für Putin ein Afghanistan-Szenario.
Um Sjewjerodonezk in der Ostukraine wird heftig gekämpft, Straße um Straße. Russland nähert sich seinem Ziel, den gesamten Donbass zu erobern: Zuerst das Gebiet um Luhansk, dann die Region Donezk.
Es ist für die russischen Truppen im Ukraine-Krieg indes schwer, Landgewinne abzusichern. Denn hinter der Front verläuft eine zweite Verteidigungslinie. Da tobt längst ein Partisanenkrieg.
Auch in eroberten Gebieten setzt die Ukraine den Invasoren hart zu. Nach unbestätigten Informationen wurden in der Stadt Melitopol – auf halber Strecke zwischen Mariupol und der Krim – Gleise gesprengt und Züge gestoppt. Offiziell bestätigt ist, dass am Montag dort bei der Explosion einer Autobombe drei Menschen verletzt worden sind.
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Partisanenkrieg: Die zweite Front der Ukraine
Melitopol ist überall: In der Stadt Enerhodar wurde der von den Russen eingesetzte Bürgermeister Andrij Schewtschik bei einer Explosion verletzt. Ein gezielter Angriff auf einen – aus ukrainischer Sicht – Kollaborateur.
Nicht allein Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Ukraine unterschätzt. Auch im Westen hielt man es insgeheim für möglich, dass ihre Streitkräfte überrollt werden.
Wie es heißt, wurden Spezialeinheiten sowohl von den USA als auch von Großbritannien ausgebildet: Trainiert für den Untergrundkampf nach einer Invasion, für ein Afghanistan-Szenario – zerstörte Gleise, brennende Fabriken, Attentate auf Soldaten und Staatsvertreter, mitunter auch auf russischem Boden.
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Ob man es Guerillakampf, Partisanenkrieg oder Terrorismus nennt, hängt vom Betrachter ab. Immer geht es beim Widerstand um einen asymmetrischen Konflikt.
Im Süden der Ukraine, wo die Russen früh militärisch erfolgreich waren, sind die Partisanen nach Informationen des Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington auf breiter Front aktiv. In Kiew gehören sie Strategie von Oberbefehlshaber Waleryj Saluschnyj und Präsident Wolodymyr Selenskyj. Die Ukraine hat eigens ein virtuelles "Zentrum für nationalen Widerstand" geschaffen.
Die Meldungen über Anschläge häufen sich, vor allem im Raum Cherson, wo auf dem Flughafen russische Hubschrauber und Jets zerstört wurden. Vereinzelt tauchten Plakate auf, die zeigen, wie ein russischer Soldat erstochen wird. Die Botschaft: "Mach dich bereit!". In Melitopol sollen 100 russische Soldaten von Partisanenkämpfern getötet worden sein.
Krieg in der Ukraine: Russen nicht Befreier, sondern Besatzer
Für viele Russen war es ein Schock, nicht als Befreier, sondern als Besatzer "empfangen" zu werden. Das hat zur Folge, dass sie in jeder eroberten Stadt Truppen zurücklassen müssen, um Herr der Lage zu bleiben. Es werden Kräfte gebunden, die man eigentlich für den weiteren Vormarsch bräuchte.
Militärexperten hatten sich zu Beginn der Invasion ohnehin gefragt, wie Putin mit 150.000 Soldaten die Ukraine nicht nur erobern, sondern auch besetzen und halten sollte, das immerhin größte Land auf dem europäischen Kontinent. Nach dem Anschlag in Enerhodar kündigte Kremlsprecher Dmitri Peskow "vorbeugende Maßnahmen" an: Razzien? Verhaftungen? Vergeltungsschläge? Die Brutalität dazu haben die Russen im Krieg gegen Tschetschenien unter Beweis gestellt.
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