Berlin Hans-Georg Maaßen wird zum Staatssekretär des Innenministeriums befördert. In der SPD löst diese Entscheidung große Unruhen aus.
Die Ablösung von Hans-Georg Maaßen als Präsident des Verfassungsschutzes sollte Ruhe in die große Koalition bringen. Doch seine Beförderung auf den Posten des Staatssekretärs im Innenministerium erreichte genau das Gegenteil. In der SPD rumort es sogar so sehr, dass sich Nahles gezwungen sieht, für die große Koalition zu werben.
„Die SPD sollte diese Bundesregierung nicht opfern, weil Horst Seehofer einen Beamten anstellt, den wir für ungeeignet halten“, schrieb Nahles am Mittwoch in einem Reuters vorliegenden Brief an die SPD-Mitglieder. Auch mit Blick auf die schwierige Lage in Europa sei eine starke Bundesregierung von großer Bedeutung.
Nahles kämpft um die Koalition
Weiter schrieb Nahles: „Deswegen ist für die SPD wichtig, dass wir eine handlungsfähige Bundesregierung behalten.“ Die SPD sei in die Regierung gegangen um das Leben der Menschen zu verbessern. „Lasst uns gemeinsam für unsere Ziele kämpfen.“
Spannend wird sein, was diese Worte angesichts der von der Partei mitgetragenen Beförderung des für das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten für untauglich gehaltenen Maaßen bei den SPD-Anhängern bewirken werden.
Aus der SPD Bayern werden indes Forderungen laut, Nahles solle Maaßens Beförderung stoppen. „Es entsteht sonst der Eindruck, dass wir für jeden Unsinn aus Angst vor den Alternativen die Hand reichen“, heißt es in einem Schreiben an SPD-Chefin Andrea Nahles.
Horst Seehofer rechtfertigt sich
Es ist unterzeichnet von Landeschefin Natascha Kohnen und ihrer Vertreterin Johanna Uekermann, beide sitzen auch im SPD-Präsidium, der engeren Parteiführung der Bundes-SPD. „Das ist weder strategisch klug, noch die verabredete Erneuerung“, schreiben beide mit Blick auf Nahles.
Die Parteichefin der Sozialdemokraten soll die sechs Bundesminister der SPD dazu auffordern, ihr Veto gegen die Entscheidung einzulegen.
Die Nachfolge im Bundesamt für Verfassungsschutz sei vorerst offen, sagte er. Bis diese geklärt sei, solle Maaßen im Amt bleiben. „Das ist wegen der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland auch unverzichtbar.“
Die Aufsicht im Innenministerium über das Bundesamt für Verfassungsschutz soll Staatssekretär Hans-Georg Engelke übernehmen, der auch für den Baubereich zuständig wird.
Maaßen-Nachfolge offen
Kandidaten für einen möglichen Nachfolger Maaßens seien beim Treffen mit Merkel und Nahles am Vortag nicht genannt worden, sagte Seehofer. „Wir haben gestern niemand – weder die Frau Nahles, noch die Bundeskanzlerin, noch ich – irgendeinen Namen auf den Tisch gelegt, noch diskutiert. Null.“ Auch er selbst habe keinen Namen im Kopf, allerdings solle über die Personalie zügig entschieden werden.
Kritik an der Beförderung Maaßens wies Seehofer zurück. Er selbst habe dessen Ablösung an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) nicht betrieben. „Das Thema ist ja nicht mein Thema gewesen. Ich hätte ja die Versetzung von Herrn Maaßen nicht betrieben.“
Das Ergebnis des Gesprächs sei ein Kompromiss, da der Koalitionspartner kein Vertrauen mehr in Maaßen als BfV-Chef gehabt habe.
Aufstieg für Maaßen
Am späten Dienstagnachmittag hatten sich die Parteichefs getroffen – keine zwei Stunden danach verschickte die Bundesregierung eine kurze Pressemitteilung: „Das Amt des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird neu besetzt“, hieß es darin.
Für den 55-Jährigen ist das ein Aufstieg – auch wenn Maaßen als Staatssekretär nicht für die Aufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig sein wird. Die Beförderung löste heftige Kritik aus.
Die Leiterin des ARD Hauptstadtstudios, Tina Hassel, spielt deshalb auf die Besoldungsgruppen für Beamten an: „Bin gespannt wie #Seehofer diese defacto Beförderung von B9 auf B11 erklärt.“
Auch finanziell macht sich der Wechsel dementsprechend bemerkbar: Als Präsident des Verfassungsschutzes verdiente Maaßen in der Besoldungsgruppe B9 etwa 11.600 Euro, als Staatssekretär steigt er in die Besoldungsgruppe B11 auf und verdient der Besoldungstabelle des Bundes zufolge mit etwa 14.100 Euro über 2000 Euro mehr – im Monat.
Details zur Nachbesetzung von Maaßen will Seehofer nun zeitna bekanntgeben. In Unionskreisen hieß es, als ein Kandidat sei zeitweise der aktuelle Staatssekretär Hans-Georg Engelke im Innenministerium im Gespräch gewesen.
Kritik von der Opposition - und von der SPD
Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger ermahnte Union und SPD, die Beförderung des bisherigen Verfassungsschutz-Präsidenten zum Innen-Staatssekretär mitzutragen und ihren Streit zu beenden. „Dem Ziel einer handlungsfähigen Regierungskoalition sollten Union und SPD jetzt alles unterordnen“, sagte Oettingerunserer Redaktion. „Es gibt in Deutschland und Europa viel zu tun, was in den vergangenen Wochen in den Hintergrund geraten ist.“ Die Koalition solle jetzt den Blick nach vorn richten.
Von Seiten der Opposition und selbst von der SPD wurde Kritik an der Entscheidung laut. Zwar müsse Maaßen als Chef des Verfassungsschutzes gehen, wie die SPD gefordert habe, sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Schäfer-Gümbel unserer Redaktion. Doch könne er die Entscheidung von Innenminister Seehofer, Maaßen als Staatssekretär zu holen, „weder nachvollziehen noch gutheißen“.
Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel reiht sich auf Twitter in die Kritik ein. „#Maaßen wird für sein Versagen im Amt befördert. Wenn Illoyalität und Unfähigkeit im Amt der neue Maßstab für Karriere sind, dann hat Horst #Seehofer gute Chancen bis zum UNO Generalsekretär aufzusteigen.“, heißt es in einem tausendfach gelikten Tweet. „Das ist doch irre.“
Und wenig später legt er nach: „Noch 2 Staatssekretäre und #Seehofer kann mit einer Fußballmannschaft auftreten.“
Ralf Stegner, ebenfalls stellvertretender SPD-Chef, sieht das ähnlich: „Das ist eine grobe Fehleinschätzung, ein Desaster, das Duo Seehofer/Maaßen an der Spitze des Bundesinnenministeriums, zwei Leute, die jede Orientierung verloren haben“, sagte Stegner am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur.
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Natascha Kohnen forderte die Entlassung von Seehofer.
Juso-Chef Kevin Kühnert bezeichnete die Maaßen-Beförderung als „Schlag ins Gesicht“. „Ein Verfassungsschutzpräsident, der rechte Verschwörungstheorien verbreitet und verteidigt, ist offensichtlich ungeeignet für ein öffentliches Amt und gehört daher in den Ruhestand versetzt“, sagte der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation der „Rheinischen Post“.
Und weiter: „Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die jeden Tag in voller Konsequenz Verantwortung für sich und ihr Handeln tragen.“ In der Debatte um Maaßen hatte
Klingbeil kritisiert Seehofer-Entscheidung
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil machte deutlich, dass Seehofer die Entscheidung über die Beförderung Maaßens getroffen habe. „Da muss man auch nicht drumherum reden, das ist eine sehr bemerkenswerte Entscheidung, die Herr Seehofer getroffen hat“, sagte Klingbeil am Dienstagabend im „heute journal“ des ZDF.
Für die SPD sei wichtig gewesen, dass Maaßen an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz abgelöst werde. Dies habe man durchgesetzt. Mit der Berufung Maaßens zum Staatssekretär habe Seehofer aber eine Personalentscheidung getroffen, „wo schon sehr viele Fragezeichen sind“.
Darauf habe man allerdings keinen Einfluss, diese Frage liege allein in der Entscheidungskompetenz des Innenministers. „Dass Herr Seehofer Herrn Maaßen jetzt ins Ministerium holt, ist insofern auch eine Entscheidung, die man wieder auch als Kritik an der Kanzlerin sehen kann“, sagte er.
„Illoyalität lohnt sich“
Aus der Opposition hagelt es Kritik. „Ich finde dieses Signal verheerend, weil das eine Beförderung ist“, sagte Irene Mihalic (Grünen), Mitglied im Innenausschuss des Bundestages, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte: „Das ist eine unfassbare Mauschelei.“ Wer „illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD“ belohne, anstatt es zu ahnden, habe jedes Gespür für Anstand verloren – „und die SPD macht alles mit“.
Auch die AfD kritisierte die Entscheidung. „Mit dem Wegloben des unbequemen Verfassungsschutz-Chefs klopft sich die GroKo wieder gegenseitig auf die Schulter“, teilte die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel mit.
Der Fraktionschef der Linkspartei kritisierte die SPD dafür, dass sie die Beförderung mittrage. „Illoyalität lohnt sich. Das Innenministerium ist keine Resterampe für politisch unhaltbare Beamte.“
Ähnliche Töne kommen auch von der FDP: Die Beförderung von Herrn Maaßen ist eine formelhafte Scheinlösung. Entweder man vertraut ihm oder nicht“, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. „Ich habe bei Herrn Maaßen gesehen, wie flexibel die Sozialdemokratie ist bei der Bewältigung von Krisen“, sagte sein Parteikollege Wolfgang Kubicki. Das sind
Und weiter: „Das Theater offenbart am Ende nur, dass die Koalition keine Linie und keine Konsequenz hat. Am Ende gibt es nur Verlierer inklusive der Menschen, die diese Farce in jedem Fall nur mit Kopfschütteln verfolgen können.“
Streit um Maaßen-Äußerungen
Nach den umstrittenen Äußerungen Maaßens zu den Ausschreitungen in Chemnitz hatte die SPD seine Absetzung gefordert. Seehofer, dessen Innenministerium das Bundesamt für Verfassungsschutz nachgeordnet ist, hatte Maaßen dagegen sein Vertrauen ausgesprochen.
Vor dem Spitzentreffen aller Koalitionspartner am Dienstagnachmittag hatten sich Merkel und Seehofer unter vier Augen besprochen.
Bereits am Montag hatte die „Welt“ unter Berufung auf Koalitionskreise berichtet, dass die Bundeskanzlerin sich dafür entschieden habe, Maaßen zu ersetzen.
Innenminister Seehofer (CSU) hatte am Montag gesagt: „Ich bin recht optimistisch, dass wir wegen unserer Verantwortung auch für das Fortbestehen der Regierung morgen auch zu abschließenden Entscheidungen kommen. Die Lage ist sensibel, der Vorgang ist sensibel und deshalb muss man auch umsichtig damit umgehen.“
Bericht: Koalition suchte Kompromisslösung
Dem Bericht der „Welt“ zufolge soll Merkel bereits am Wochenende führende Mitglieder der Regierungskoalition über ihren Plan informiert haben, Hans-Georg Maaßen abzusetzen.
Wie die Nachrichtenagentur dpa mitteilte, sollte jedoch noch eine Kompromisslösung gefunden werden, die auch Seehofer zufrieden stellte. Das scheint mit der am frühen Dienstagabend bekanntgegebenen Lösung geschehen zu sein.
Seehofer hätte Maaßen wegen seiner Interview-Äußerungen nicht entlassen können, eine Entlassung ist bei Beamten nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich.
Maaßen hatte mit Aussagen zu Vorfällen in Chemnitz irritiert
weil er nach den Ausschreitungen in Chemnitz Ende August in einem Interview gesagt hatte, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ vor, dass in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Zudem wurde der Vorwurf laut,
Besonders daran heikel ist, dass nach dem Schulterschluss der Partei mit Pegida und Pro Chemnitz viele Politiker die Beobachtung der Partei forderten. Die
Teile der
Vielmehr sprächen „gute Gründe“ dafür, dass es sich bei einem entsprechenden Video „um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“.
In Chemnitz war am 26. August ein 35 Jahre alter Deutscher erstochen worden. Tatverdächtig waren zunächst drei Asylbewerber aus Syrien und dem Irak. Zwei saßen in Untersuchungshaft,
Es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr, erklärte die Staatsanwaltschaft. Ein verdächtiger Iraker ist auf der Flucht, nach ihm wird gefahndet. Nach der Tat gab es fremdenfeindliche Ausschreitungen, bei denen es auch zu Gewalttaten von Rechtsextremisten kam.
Kritik an Maaßen nahm immer mehr zu
Laut „Welt“ hat die Kanzlerin gestört, dass Maaßen sich als Beamter einer nachgeordneten Behörde in das politische Tagesgeschehen eingemischt habe.
Mehrere Politiker des Koalitionspartners SPD hatten in den vergangenen Tagen einen Rücktritt Maaßens gefordert bzw. die Ablösung des Verfassungsschutzchefs angedeutet. SPD-Chefin Andrea Nahles sagte:
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil fand in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ ähnliche Worte in Bezug auf das Treffen am Dienstag: „Ich bin mir sicher, das Ergebnis wird sein, dass Herr Maaßen gehen muss.“
Der ehemalige
dass er nicht glaube, dass die Koalition am Fall Maaßen zerbreche. „Er ist nicht mehr zu halten“, so Schulz. (dpa/rtr/ac/bekö)
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