Berlin Wegen des Verdachts der Untreue wird gegen den gesamten Bundesvorstand der Grünen ermittelt. Betroffen sind auch Baerbock und Habeck.
- Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Bundesvorstand der Grünen
- 1500 Euro "Corona-Bonus" soll sich der Vorstand ausgezahlt haben
- Auch gegen Annalena Baerbock und Robert Habeck wird ermittelt
Es geht um 1500 Euro als Ausgleich für Belastungen während der Corona-Pandemie im Jahr 2020: Der gesamte Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen steht unter Verdacht, sich selbst Sonderzahlungen aus dem eigenen Parteivermögen genehmigt zu haben, obwohl diese Ausgaben nicht von den parteiinternen Regeln gedeckt sind.
Wie die Berliner Staatsanwaltschaft gegenüber unserer Redaktion bestätigt, hat sie bereits die Ermittlungen gegen die Grünen-Führung eingeleitet – wegen des Anfangsverdachts der Untreue, teilte die Behörde mit und bestätigte einen "Spiegel"-Bericht.
Die Grünen: Gesamter Bundesvorstand im Visier der Ermittlungen
Auch ein Sprecher der Grünen bestätigte der dpa, dass es Ermittlungen gebe: "Es geht dabei um die Mitwirkung der Mitglieder des Bundesvorstandes an Beschlüssen zur Auszahlung von sogenannten 'Corona-Boni', die - wie bereits bekannt - 2020 an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle und zugleich an den Bundesvorstand gezahlt worden waren."
Im Visier sind demnach alle sechs Mitglieder des Bundesvorstandes: die Grünen-Vorsitzende und Außenministerin Annalena Baerbock, Co-Parteichef und Wirtschaftsminister Robert Habeck, die beiden Parteivizechefinnen Ricarda Lang und Jamila Schäfer, Bundesgeschäftsführer Michael Kellner (mittlerweile parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium) und Schatzmeister Marc Urbatsch. Beim Parteitag Ende kommender Woche wird ein neuer Bundesvorstand gewählt.
Corona-Bonus: Grüne Spitzenpolitiker erhielten Sonderzahlung über 1500 Euro
Bis auf Urbatsch sind alle Beschuldigten Mitglied des deutschen Bundestags – und genießen daher Immunität. Vor Aufnahme der Ermittlungen muss deshalb die Bundestagspräsidentin (SPD) informiert werden. Nach "Spiegel"-Informationen ist dies bereits im Dezember geschehen. Am 6. Januar dann habe die Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Ermittlungsverfahren formell eingeleitet.
Grundlage der Ermittlungen seien laut Behördensprecher Strafanzeigen von Privatpersonen, die als Reaktion auf Medienberichte aus dem Jahr 2021 über die Sonderzahlungen erfolgten. Die Partei bestätigte am Mittwochabend, dass die fünf Mitglieder des Grünen-Parteivorstands, die Abgeordnete sind, über ein Ermittlungsverfahren der Berliner Staatsanwaltschaft gegen sie informiert wurden.
Interne Rechnungsprüfer der Partei hatten die Zahlungen im Oktober bereits beanstandet: In einem Bericht, aus dem die Deutsche Presse-Agentur damals zitierte, monierten die internen Prüfer demnach, dass die Auszahlung des Bonus an den Vorstand nicht durch parteiinterne Regeln gedeckt gewesen sei. Tariflich festgelegt seien maximal 300 Euro. Die "Welt" zitierte damals einen Grünen, der vom "Selbstbedienungsladen Bundesgeschäftsstelle" gesprochen haben soll.
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Ermittlungen gegen Grünen-Politiker – Bundestagspräsidentin wurde wohl bereits im Dezember informiert
Zudem wäre es laut Bericht besser gewesen, wenn der Bundesfinanzrat der Partei, dem neben dem Bundesschatzmeister auch Delegierte der Landesverbände angehören, die Zahlungen genehmigt hätte, "da eine finanzielle Regelung nicht allein von den begünstigten Personen getroffen werden sollte".
Der Bundesvorstand der Partei beschloss als Reaktion auf die Kritik der Prüfer damals, Sonderzahlungen für Vorstandsmitglieder abzuschaffen – bereits für das laufende Haushaltsjahr. Schatzmeister Urbatsch erklärte zudem, die Vorstandsmitglieder würden den Bonus an die Partei zurückzahlen.
Schon im Wahlkampf waren Sonderzahlungen zum Problem für die Partei geworden: Annalena Baerbock, damals Kanzlerkandidatin der Grünen, stand in der Kritik, weil sie 25.000 Euro an Einkünften nicht direkt dem Bundestag gemeldet hatte. Neben dem Corona-Bonus ging es damals um Weihnachtsgeld der Partei.
Unangenehm sind die Ermittlungen für die Partei vor allem, weil die damalige Parteispitze aus Annalena Baerbock und Robert Habeck inzwischen ins Kabinett aufgerückt ist. Das Verfahren betrifft also die amtierende Außenministerin und den Minister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Betroffene wollen "vollumfänglich" kooperieren
Und auch die neue Parteispitze, die die Grünen in der kommenden Woche auf einem digitalen Parteitag wählen wollen, ist wohl betroffen: Ricarda Lang, die als sehr wahrscheinliche nächste Parteichefin gilt, ist als stellvertretende Parteichefin bereits Teil des Bundesvorstands, gegen den ermittelt wird. Weder Lang noch Omid Nouripour, der ebenfalls als Co-Parteichef als gesetzt gilt, äußerten sich am Mittwoch auf Anfrage zu den Ermittlungen.
Die Partei erklärte in einer Stellungnahme nach Bekanntwerden des Verfahrens, dass die betroffenen Mitglieder des Vorstands und die Bundesgeschäftsstelle "vollumfänglich" mit der Staatsanwaltschaft kooperieren würden, "um den Sachverhalt schnell und vollständig aufzuklären".
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