Erlangen. Mustersiedlungen bieten potenziellen Eigentümern einen guten Blick auf Möglichkeiten und Einrichtungsstile.
Viel Glas, viel Licht, viel Sonne, eine variantenreiche Raumaufteilung auf zwei Geschossen und eine hochwertige Ausstattung: Bis hierhin bietet das in Rot und Weiß gestrichene Satteldach-Haus mit Erker, was man von einem Musterhaus erwarten würde. Doch dann das: Ein offenes Foyer führt zum Haupthaus in einen seinerseits zweistöckigen Anbau. Ein Überraschungsmoment – und dann stellt man sich zwangsläufig die Frage: Welcher Bauherr braucht so was?Das Exemplar der Firma Haas Fertigbau steht im Musterhauszentrum Heßdorf, einem Vorort von Erlangen, direkt an der Autobahn A3. „Es soll zeigen, dass man ein Haus ganz unterschiedlich nutzen kann“, sagt Haas-Verkaufsleiter Wolfgang Tuffner, der in seiner beruflichen Laufbahn schon viele Musterhäuser in ganz Deutschland geplant und ausgestattet hat. Der Anbau mit separatem Eingang sei etwa als Büroraum für Selbstständige oder Angestellte mit Homeoffice geeignet. „Genauso kann er aber auch als separater Wohnbereich genutzt werden, beispielsweise für erwachsene Kinder oder auch die Eltern oder Schwiegereltern“, so Tuffner. Natürlich lässt sich der Anbau auch als Einliegerwohnung vermieten und kann so als Einnahmequelle dienen. Wird man selbst einmalpflegebedürftig, könne dort das Pflegepersonal einziehen, sagt Tuffner. „Und wer den Anbau nicht möchte, denkt ihn sich einfach weg und hat trotzdem ein voll funktionsfähiges Einfamilienhaus.“
Bundesweit gibt es rund 600 Objekte zur Besichtigung
Musterhäuser seien die wichtigste Informationsquelle für jeden, der über den Bau eines Eigenheims nachdenke, erklärt Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Fertigbau (BDF). „Anders als Planzeichnungen vermittelt die Besichtigung einen realistischen Eindruck von Architektur und Bauqualität eines Hausentwurfs.“ Bundesweit gibt es rund 600 Musterhäuser, die Bauherren besichtigen können. „Bevor ein Haus bezugsfertig ist, sind hunderte Entscheidungen zu treffen. Angefangen vom Baustil, der Architektur und der Materialwahl, über das Energiekonzept und die Haustechnik, hin zur Innenausstattung mit Tapeten, Möbeln und Co.“, zählt Klaas auf. All diese Entscheidungen wollen wohl überlegt sein, da sie meist besonders langfristig sind „Ein Großteil der Innenausstattung wird durchschnittlich erst nach zehn Jahren verändert. Bei der Architektur legt man sich in aller Regel endgültig fest, auch wenn nachträgliche Veränderungen möglich sind“, so der BDF-Hauptgeschäftsführer. „Trotzdem sollte man sich vor dem Baubeginn genügend Zeit nehmen.“ Eine durchschnittliche Dauer von drei Jahren vom Entschluss, seine Wohnsituation zu verändern, bis zum Einzug sei ein angemessen langer Zeitraum, meint Klaas. Zunächst wählt man einen Hersteller und den Objekttyp. Später lenkt man seinen Blick mehr und mehr auf die Details.Auf dieses Weise lassen sich Bau- und Ausstattungsentscheidungen optimal vorbereiten.
Ein Musterhaus muss aber auchin seine jeweilige Umgebung passen. „Man wird kaum ein Klinker-Musterhaus in Oberbayern bauen“, sagt Haas-Musterhausexperte Tuffner. Umgekehrt wird auch kaum ein Musterhaus im Alpenstil mit großzügig dimensionierten Dachüberständen und großen Balkonen in Hamburg konzipiert werden. Hinzu kommt die jeweilige Zielgruppe der Hausbaufirma: Ein Billiganbieter baut natürlich ein anderes Musterhaus als ein Premiumhersteller.
Längst nicht nur beim Eigenheimbau setzen die Anbieter auf die Kraft des Musters. Auch wenn Immobiliengesellschaften große Wohnprojekte mit Eigentums- oder Mietwohnungen planen, setzen sie Musterwohnungen ein, um Käufer und potenzielle Mieter anzulocken und ihnen einen ersten Eindruck ihres möglichen zukünftigen Zuhauses zu vermitteln. Beim Projekt Port Phoenix in Dortmund etwa, bei dem an einem künstlichen See auf einem ehemaligen Stahlwerksgelände in zwei Bauabschnitten insgesamt 176 Wohnungen entstehen, wurde eine Wohnung komplett eingerichtet und steht seit Ende April Interessenten zur Besichtigung offen. Lichtdurchflutete Räume, klare Linien, ein Konzept aus Schwarz, Weiß und Graunuancen, durchbrochen durch Holzelemente, sowie Kunstobjekte sollen für ein modernes Wohnambiente sorgen und so die Interessenten dazu bewegen, ihr Geld hier und nicht anderswo auszugeben.
Beim Bau gibt es eher längerfristige Trends
„Die Musterwohnung ist eine Lebenswelt, die unseren Kunden und Interessenten bereits im Rohbau einen lebhaften Eindruck ihres zukünftigen Zuhauses vermitteln soll“, sagt Uta Zanetti von der für Port Phoenix zuständigen Projektgesellschaft Interboden. Zanetti verantwortet den Bereich Interior Design und hat schon zahlreiche Musterwohnungen für unterschiedliche Immobilienprojekte inszeniert. Musterwohnungen seien ein zunehmend wichtigeres Instrument im Immobilienmarketing. „Auf der einen Seite gleicht sich Architektur international immer stärker an, auf der anderen Seite nimmt die Diversifikation der Zielgruppe immer weiter zu“, erklärt Zanetti. Eine Antwort darauf sei die zielgruppenaffine Möblierung von Musterwohnungen, um unterschiedliche Lebensentwürfe und Geschmäcker bedienen zu können. „Ich sammle auf meinen vielen Reisen immer Impressionen und verarbeite sie in kreativen Möblierungskonzepten“, sagt die Interior-Design-Expertin. „Das funktioniert sehr gut.“ In Musterwohnungen könnten Interessenten die neuesten Trends und Impulse entdecken.
„Man muss den Trend der Zeit berücksichtigen“, bestätigt Wolfgang Tuffner von Haas Fertigbau. Das Stadthaus mit zwei Vollgeschossen sei derzeit wieder modern, außerdem die einläufige Treppe und die offene Küche. Dem müsse man bei der Planung eines Musterhauses natürlich Rechnung tragen.Den Anbietern kommt bei ihren Hauskonzepten aber zugute, dass Immobilientrends grundsätzlich nicht allzu kurzlebig sind. Im Gegensatz zur Mode-Branche, wo ein bestimmtes Accessoire vielleicht im nächsten Jahr schon wieder out ist und keinen Käufer mehr hinter dem Ofen hervorlockt, ist der Haus- und Wohnungsbau eher längerfristigen Entwicklungen unterworfen. „Auf dem Bau gibt es keine kurzfristigen Moden, sonderneher längerfristige Trends, die über einen Zeitraum vonfünf bis sechs Jahre konstant sind“, sagt Tuffner. Es ist dann eher die Konkurrenzsituation, die die Anbieter dazu treibt, mit neuen Musterhauskonzepten aufzuwarten: „Man möchte im Musterhauszentrum natürlich auchVorreiter sein“, so Tuffner. Mit dem, was alle haben, lassen sich schließlich keine Kunden gewinnen.
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