Berlin. Klimaschutz vor allem über den CO2-Preis oder doch mehr Regeln? Und woher kommt das Geld? Was eine Ampel klimapolitisch heißen könnte.
Für eines der wichtigsten Themen der nächsten Bundesregierung ist die Messlatte klar: Sollten SPD, Grüne und FDP es schaffen, ein Ampel-Bündnis zu schmieden, muss sich die Klimapolitik dieser Koalition messen lassen am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens.
Das ist nicht nur ein grünes Anliegen, wie Parteichef Robert Habeck am Wochenende betonte: Schließlich habe sich schon die amtierende Regierung dazu verpflichtet. „Insofern erwarten wir da nur Vertragstreue“, sagte Habeck dem Deutschlandfunk am Wochenende. Auch SPD und FDP haben sich in ihren Wahlprogrammen dazu bekannt, die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad, zu beschränken. Doch während das Ziel der möglichen Koalitionäre dasselbe ist, gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen über den Weg dahin.
Im Kern stehen sich zwei Denkschulen gegenüber: Auf der einen Seite die der FDP, die beim Klimaschutz vor allem auf steigende CO2-Preise baut. Die Politik setzt dabei über Emissionszertifikate ein festes Limit, wie viel CO2 ausgestoßen werden kann. Die steigenden Preise für diese Zertifikate, so die Logik, sind der Anreiz für Privatpersonen und Unternehmen, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen. Den EU-Emissionshandel will die Partei deshalb so schnell wie möglich auch auf Wärme und Verkehr ausweiten. Darüber hinaus will sich die FDP zurückhalten mit staatlichen Eingriffen und den Klimaschutz der „Kreativität der Vielen“ überlassen.
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Nur auf Marktwirtschaft wollen sich SPD und Grüne nicht verlassen
Expertinnen und Experten rechnen allerdings damit, dass dieser Ansatz dazu führen würde, dass die CO-Preise sehr schnell sehr viel höher werden als bisher. Und nicht in allen Bereichen gibt es bereits die Möglichkeit, einfach auf CO2-arme Alternativen zum Bisherigen umzusteigen: Wer zum Beispiel im ländlichen Raum wohnt und nicht genug verdient, um mal eben ein Elektroauto zu kaufen, hätte in diesem Szenario kaum eine andere Wahl als höhere Benzinpreise zähneknirschend hinzunehmen.
Dass SPD und Grüne diesen Weg so mitgehen, ist deswegen unwahrscheinlich. Prinzipiell befürworten zwar beide einen CO2-Preis, die Grünen wollen bei 60 Euro pro Tonne einsteigen. Doch beide Parteien pochen auf eine soziale Abfederung, und vor allem die Grünen wollen sich nicht allein auf marktwirtschaftliche Prozesse verlassen, sondern den Wandel durch Vorgaben und Fördermaßnahmen vorantreiben und planbar machen.
Egal ob Energie, Verkehr oder Wirtschaft: Die Partei hat sehr konkrete Vorstellungen, wie die die jeweiligen Sektoren auf einen Pfad zu Klimaneutralität kommen, und Maßnahmen, mit denen sie das unterstützen wollen.
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Neben ordnungsrechtlichen Vorschlägen wie dem Aus für Verbrenner 2030 wollen die Grünen Privatleute, aber auch die Wirtschaft bei der Umstellung unterstützen: So sollen zum Beispiel Solardächer und der Einbau Wärmepumpen in Häuser gefördert werden. In der Industrie will die Partei mit einem Qualifizierungskurzarbeitergeld dafür sorgen, dass der Wandel nicht zu massenhafter Arbeitslosigkeit führt, und klimaneutrale Herstellungsprozesse fördern, in dem der Staat über sogenannte Differenzverträge den Wettbewerbsnachteil höherer Kosten ausgleicht. Die Pläne der SPD sind zwar nicht so detailliert ausformuliert, gehen aber tendenziell in die selbe Richtung. Lesen Sie auch: E-Auto oder Verbrenner - was ist günstiger? Ein Vergleich
Ob die Ampel-Koalitionäre beim Klimaschutz zusammenkommen, hängt vom Geld ab
Es sind Vorhaben, die viel Geld kosten. 50 Milliarden Euro staatlichen Investitionsbedarf sieht die Partei, und das jedes Jahr, vor allem für Klimaschutzpläne. Geld, dass die FDP lieber in Steuersenkungen stecken würde, und für das sie auf keinen Fall die Schuldenbremse im Grundgesetz aufweichen will. Ob und wie die Parteien beim Klimaschutz zusammenkommen, hängt deshalb maßgeblich davon ab, ob sie einen Weg finden, die unterschiedlichen finanzpolitischen Vorstellungen zu vereinen.
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Wie ein Kompromiss aussehen könnte, hatte der Ökonom Jens Südekum kürzlich skizziert. Das Modell eines Staatsfonds, wie ihn sich die FDP bei der Rente vorstellen könne, ließe sich auch auf andere Gebiete übertragen, sagte Südekum dem „Handelsblatt“. Auf diese Art könnten auch Klimaschutz-Investitionen finanziert werden. Und auch bei besseren Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen, die in klimaneutrale Technik investieren, könnten die drei Parteien zusammen kommen.
Und auch an anderen Stellen gibt es ähnliche Vorstellungen. Die EEG-Umlage zum Beispiel will die SPD abschaffen, die FDP auch, die Grünen wollen das Gesetz so reformieren, dass die Umlage langfristig ausläuft. Es ist ein Projekt, in das die kommenden Mehreinnahmen aus dem steigenden CO2-Preis fließen könnten.
Klimaschutz: Der Druck auf die nächste Regierung ist hoch
Auch beim sozialen Ausgleich für steigende CO-Preise gibt es Gemeinsamkeiten. Sowohl Grüne als auch FDP wollen jährlichen Pro-Kopf-Betrag, der an Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt wird. Die Grünen sprechen hier von einem Energiegeld, die Liberalen von einer Klimadividende. Die SPD ist ebenfalls offen für einen solchen Bonus – der Weg zu einer Einigung ist hier also kurz.
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Der Druck, funktionierende Konzepte zu finden, ist jedenfalls hoch: In den Chefetagen der Wirtschaft wartet man auf klare Ansagen, wie Deutschland auf null Emissionen kommen soll. Das zeigte zuletzt am Montag ein Appell von 69 großen deutschen Firmen, die einen „klaren, verlässlichen und planbaren Pfad zur Klimaneutralität“ forderten, darunter die Allianz Versicherungen, Bayer, Adidas und die Deutsche Post.
Und auch das Klimaschutzgesetz zwingt die Parteien, zu liefern. Denn seit diesem Jahr ist die Bundesregierung verpflichtet, zügig nachzusteuern, wenn ein Sektor seine Klimaziele verfehlt. Der Zeitpunkt der nächsten Abrechnung kommt schon im Frühjahr 2022.
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