Kommentar

Merkels Oster-Desaster: Ein schwerer politischer Fehler

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Merkel: Beschluss zu Corona-Osterruhe "war mein Fehler"

Merkel: Beschluss zu Corona-Osterruhe "war mein Fehler"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eigene Fehler bei dem Beschluss zu einer Osterruhe eingeräumt und die Öffentlichkeit um Entschuldigung gebeten. Der inzwischen revidierte Beschluss sei "einzig und allein mein Fehler" gewesen, sagte Merkel.

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Berlin.  Selbst auf die Bundeskanzlerin ist in der Krise kein Verlass mehr. Schafft die Corona-Gipfel ab, die Parlamente sollen entscheiden.

Was ist nur mit der Kanzlerin los? So ein stümperhafter, handwerklich schwerer politischer Fehler wie dieser Oster-Lapsus ist Angela Merkel in ihren 16 Jahren an der Macht wohl noch nicht unterlaufen.

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hatte sie einmal beim Personal daneben gegriffen. Im Alleingang wollte sie 2008 Ex-Bundesbankchef Hans Tietmeyer zum Chef einer Expertengruppe berufen – übersah aber, dass Tietmeyer im Aufsichtsrat der Skandalbank HRE saß. Aus der Personalie wurde nichts. Auch in der Affäre Maaßen schaltete sich Merkel in so vielen Gipfeln erfolgreich erprobter Autopilot ab.

Merkel überlebte viele Politik-Skandale

Damals im Herbst 2018 wollten Merkel, Innenminister Horst Seehofer und die damalige SPD-Chefin Andrea Nahles den Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen nach Verbreitung von Verschwörungstheorien rund um gewalttätige Demonstrationen in Chemnitz zunächst wegloben und befördern. Das wurde nach einem heftigen Sturm der Entrüstung im Land korrigiert. Merkel und Nahles gaben zu, dass ihnen das Gespür für die Lage und die Emotionen in der Bevölkerung im besagten Moment abhanden gekommen sei.

Merkel kam glimpflich aus der Maaßen-Nummer heraus. Für Nahles leitete der Fauxpas den Anfang vom Ende ihrer Karriere ein. Dass Merkel nun selbst an diesem Punkt steht, ist hinlänglich bekannt. Sie wird nach der Bundestagswahl selbstbestimmt aus dem Amt scheiden. In der ersten Welle der Corona-Pandemie sah es noch so aus, als ob Merkel mit ihrem umsichtigen Krisenmanagement ein weiteres glanzvolles Kapitel zu ihrer beispiellos erfolgreichen Karriere hinzufügen könnte. Deutschland stand international gesehen glänzend da. Davon kann keine Rede mehr sein.

In der zweiten Corona-Welle wurden Alte und Schwache in den Heimen nicht ausreichend geschützt. Tausende Tote waren die Quittung. Dann bestellten Europa und Deutschland zu wenig Impfstoff. Merkel redet das bis heute schön. Im Großen und Ganzen laufe die Impfkampagne ganz ordentlich. Das ist Realitätsverweigerung. Ein Blick nach Großbritannien, nach Israel, in die USA reicht. Kritik und Häme kassierte dafür vor allem Gesundheitsminister Jens Spahn. Ebenso für die Probleme beim Schnelltesten. Merkel ließ Spahn, in der Flüchtlingskrise einer ihrer schärfsten Kritiker in der CDU, im Regen stehen.

Wird der CDU das Abo auf das Kanzleramt im Herbst gekündigt?

Auf Tauchstation ging Merkel auch nach den beiden Landtagswahlen im Südwesten, die für die CDU krachend verloren gingen. Auch zu den Masken- und Korruptionsaffären in der Union schwieg sie. Das kennt man von Merkel. Drohen Schatten auf ihre Lichtgestalt zu fallen, macht sie sich unsichtbar. Merkels Oster-Gau ist für CDU und CSU verheerend. Die Union befindet sich in den Umfragen bereits in einem steilen Sinkflug. Der neue CDU-Chef Armin Laschet scheint dem Niedergang nahezu taten- und sprachlos zuschauen zu wollen.

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So könnte das Abo der CDU auf das Kanzleramt von den Wählerinnen und Wählern im Herbst gekündigt werden. Erfahrene Wahlforscher sagen, der Vertrauensschwund liege nicht in erster Linie an den Masken-Raffkes, sondern an dem wachsenden Eindruck, dass die die Staatspartei CDU nicht mehr Krise könne. Diese Frage dürfte im Wahlkampf an Brisanz gewinnen, wenn selbst auf das Verhandlungsgeschick der Kanzlerin kein Verlass mehr zu sein scheint.

In den Ministerpräsidentenkonferenzen erodiert Merkels Einfluss seit längerem. Mitte Februar kassierte sie in der MP bei Schulen und Kitas eine krachende Niederlage. Die Länder wollten Merkels ultravorsichtigen Kurs, alle Schulen möglichst lange zu schließen, nicht mehr folgen. Seinerzeit beklagte sich Merkel, sie habe leider kein Vetorecht in der Bildungspolitik wie auf EU-Gipfel. Mit der Methode Brüssel wollte es die 66-Jährige Montagnacht wieder in ihre Richtung biegen. Sie überrumpelte die Ländervertreter mit dem Oster-Lockdown und einer stundenlangen Pause. Zuvor hatte sie mit den von ihr geforderten Schulschließungen und nächtlichen Ausgangssperren bei den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf Granit gebissen.

Das Echo auf die „Osterruhe“ war für die Kanzlerin vernichtend

Wieso ließen Merkel und ihr Kanzleramtschef Helge Braun das Vorhaben der „Osterruhe“ mit zusätzlichen Feiertagen am Gründonnerstag und Karsamstag nicht auf Rechtssicherheit prüfen? Das Bundesinnenministerium wusste von nichts. So nahm das Debakel für Merkel seinen Lauf. Das Echo in Wirtschaft, bei Verbänden und bei den Bürgern auf die politische Sturzgeburt war vernichtend. Experten sagten Hamsterkäufe und Superspreader-Events in Supermärkten voraus. Arbeitgeber schäumten ob der Unsicherheit, ob, wann und wie sie ihre Fabriken zusperren müssten. Der unausgegorene Vorstoß hatte das Zeug, die gärende Unzufriedenheit der Menschen mit der Regierung exponentiell anzustacheln.

Jetzt zieht Merkel die Notbremse. Und zeigt in dieser für sie außergewöhnlichen politischen Niederlage wahre Größe. In einer Schalte mit den Ländern gab sie ihren Fehler zu. Und sie bat die Deutschen in einem kurzen Statement im Kanzleramt um Verzeihung. Sie trage für die verkorkste Osterruhe „klipp und klar“ und alleine die Verantwortung.

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Viele werden die Entschuldigung der Kanzlerin aufrichtig annehmen. Die Versäumnisse der Bundesregierung, den Eindruck, die handelnden Politiker haben das Gefühl für die Stimmung im Land verloren, macht sie jedoch nicht wett. Das Vertrauen in die Kanzlerin ist nachhaltig erschüttert. Und auch die Länder hängen mit drin.

Schließlich trugen sie das Beschlusspapier trotz massiver rechtlicher Bedenken in der Nacht einfach mit. Merkel und die Ministerpräsidentenrunde sind politisch aufgerieben und inhaltlich am Ende. Die Corona-Entscheidungen sollten künftig woanders getroffen werden. Im Bundestag und in den Landesparlamenten.

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