Berlin. Nach einer Wahlperiode verliert die Partei am rechten Rand ihren Status als größte Oppositionspartei. Das befeuert interne Kämpfe.
Zweimal applaudieren die AfD-Spitzen auf ihrer Wahlparty. Einmal, als das Ergebnis ihrer Partei auf dem Bildschirm auftaucht, einmal, als der Moderator das „schlechteste Ergebnis von CDU und CSU“ verkündet.
Es brandet kein Applaus auf, es ist eher freundliches Klatschen. „Solide“, es ist das Wort des Abends bei der „Alternative für Deutschland“. So nennt Spitzenkandidat Tino Chrupalla das Ergebnis der Partei, so nennt es auch die Vize-Bundessprecherin Beatrix von Storch.
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Die AfD muss Verluste hinnehmen – keine dramatischen, aber sie verliert. Nach ersten Hochrechnungen bleibt sie zweistellig, landet aber doch klar hinter dem Ergebnis von 2017. Und so garniert die Partei das „solide“ Ergebnis mit positiven Botschaften. „Das Ziel der Altparteien war klar gewesen, die AfD aus dem nächsten Bundestag zu vertreiben.“ Das sei „gründlich danebengegangen“, sagt Chrupalla.
In den vergangenen vier Jahren konnte sich die Partei mit fast 13 Prozent als stimmenstärkste Oppositionspartei inszenieren. Ganz rechts außen im Parlament saßen fast 90 Abgeordnete, fielen immer wieder mit Provokationen, Gelächter oder drastischen Reden auf. Lesen Sie auch:Wie sich die AfD im Bundestag radikalisiert hat
Nun wird der rechte Flügel im Bundestag schwächer. Den Titel „Größte Oppositionspartei“ muss die AfD abgeben, landet hinter den Grünen und nach ersten Hochrechnungen etwa gleichauf mit der FDP.
Noch nie stand die AfD so stark unter Druck wie jetzt
Und nicht das Ergebnis ist gefährlich für die Partei – es ist der Trend. Bei den letzten Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hatte die AfD ihre Ziele schon verfehlt. Und selbst in einer der Hochburgen in Sachsen-Anhalt blieb die Partei im Sommer weit abgeschlagen hinter der CDU.
Das nun mäßige Ergebnis fällt in eine heikle Phase der Geschichte der Partei: Noch nie stand sie so stark unter Druck wie derzeit. Bundessprecher Jörg Meuthen nennt 2021 ein „Schicksalsjahr“ für die AfD.
In mehreren Bundesländern beobachtet der Verfassungsschutz die Partei, vor allem im Osten. Auch das Bundesamt des Nachrichtendienstes will die AfD ins Visier nehmen. Der wachsende Fokus der Sicherheitsbehörden auf die AfD hat nicht dazu geführt, dass die Partei im Wahlkampf geschlossen auftritt.
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Im Gegenteil: Die Spannungen und Streitigkeiten wachsen. Das als vermeintlich gemäßigt geltende Lager von Meuthen wird zunehmend an den Rand gedrängt. Die Partei hat sich – auch dies haben vier Jahre Bundestag gezeigt – weiter radikalisiert. Vor allem im Osten, dort wo die AfD ihre Hochburgen hat, dominieren die Radikalen. Das prägt auch die Bundespartei.
Mit dem Wahlergebnis wird noch etwas sehr deutlich: Die AfD wächst mehr und mehr zu einer Ost-Partei. In Westdeutschland ist die rechte Partei klar einstellig, manchmal kommt sie gerade noch über die Fünf-Prozent-Hürde. Im Osten der Republik, in Brandenburg und Sachsen, holt sie mehr als 20 Prozent der Stimmen.
Gemäßigte und Radikale, Ost und West – die Spaltung der AfD schreitet voran. Im Herbst will die Partei einen neuen Vorstand wählen. Ein Machtkampf ist programmiert. Das Wahlergebnis jetzt ist dabei keine Beruhigungspille.
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